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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

31. 7. 2009 - 15:11

Fußball-Journal '09-64.

Drei Dinge, die bei den Europacup-Auftritten der heimischen Vertreter auffielen.

Und das waren, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und eine wertende Reihenfolge:

Die bisherigen Europacup-Gegner der österreichischen Teams in einem Ranking.

1) Dinamo Zagreb. Kroatien, Meister & Cupsieger. Eindrucksvolle Technik &Tempo, zeitweise eine ganze Klasse über Salzburg.

2) FK Vojvodina Novi Sad. Serbien, Vizemeister. Sehr kompakter Eindruck, eine Spur präsenter als die Austria.

3) APOP Kinyras Peyias. Zypern, Cupsieger, Meisterschafts-7. Tolle Individualisten, noch uneingespielt.

4) Siroki Brijeg.
Bosnien, Meisterschafts-6. Gute Individualisten, noch uneingespielt.

5) Bohemians Dublin. Irland, Meister. Kompaktes eingespieltes Team.

6) OFK Petrovac. Montenegro, Cupsieger, Meisterschafts-6. Biedere brave Mannschaft.

7) Vllaznia Shkoder. Albanien, Vizemeister. Bemüht, aber Klassearm.

1) die Sache mit der Technik.
2) das Ding mit dem Eingespielt-Sein.
3) die Frage der Feigheit.

1.) Die Sache mit der Technik.

Ist das nur mir aufgefallen?
Um Wievieles die Ex-Yugo-Vertreter und die cypriotische Söldner-Truppe die Unsrigen technisch überragten?
Um Häuser, teilweise um Wolkenkratzer.
In der Abtastphase sahen die Salzburger gegen Dinamo Zagreb aus wie potscherte Lehrbuben. Und auch in das, was die portugiesische Offensive von APOP ihren Rapid-Kollegen an Skills voraushatte, passt noch ein ganzer Lichthof.

Dass zur Sache mit der Technik auch noch die Sache mit dem Tempo dazukam - die aus Zagreb, der Vojvodina und Peyia legten ein Sprint-Qualität an den Tag, die einem Angst und Bange werden ließ - lass ich jetzt einmal außen vor.

Denn das ist als Problem eigentlich erkannt, oder?
Zuletzt berichtete Niklas Hoheneder, der nicht weit weg in Prag bei Sparta trainiert, in einem Laola1-Interview: "Mir kommt vor, als wäre das Tempo bedeutend höher. Es ist immer alles in Bewegung, jeder läuft und jeder will auch den Ball haben. Bei Sparta spielt Taktik auch eine große Rolle – Lauf- und Passwege. Wir trainieren sehr gezielt auf entsprechende Dinge hin und das taugt mir. Das habe ich früher vermisst."

Aber die Technik?
Auf die sind doch die Nachwuchs-Coaches so stolz!

Okay, die Schulen in Serbien, Kroatien, Portugal, Brasilien, Argentinien, Chile, Rumänien, der Cote d'Ivoire oder Slowenien sind diesbezüglich wohl höher einzuschätzen - aber ist das nicht ein eklatantes Armuts-Zeugnis, das die Alarmglocken schrillen lassen und endlich eine verbesserte technische Ausbildung des Nachwuchses nach sich ziehen muß?

... ist auch eine Frage der Legionäre...

Und noch was war in diesem Fall auffällig: die Legionäre, die sich die Vereine da in Zypern, Serbien oder Kroatien reingeholt haben, werden ganz offensichtlich vorrangig nach ihren technischen Fähigkeiten gescoutet. Die, die gestern und vorgestern für ihre österreichischen Arbeitgeber aufliefen, haben da großteils ein Problem. Vor allem die in der Abwehr (Bak, Jovanovic...).

Als am Mittwoch Herbert Prohaska endlich einmal gezwungen wurde, zumindest eine der treffsicheren und bissigen Analysen, die er Off Air ja zur Genüge trifft, sich On Air aber nicht zu sagen traut (Krankheitsbild: Konsens-Sucht), preiszugeben, lautete die wie folgt: die Dinamo-Angreifer attackieren alle ballführenden Salzburger Verteidiger bis auf Dudic. Wieso? Weil sie wissen, dass er den Spielaufbau eh nicht beherrscht und den Ball verliert oder alibihaft querschiebt.

Was für ein Armutszeugnis.
Nicht für Dudic, der aus seiner Limitiertheit eh noch das Beste macht, sondern für den, der ihn aufstellt und forciert statt einen wirklich guten Abwehrspieler, einen, derauch aufbauen kann, aufzubauen und einzuschleifen.
Die Ausrede dafür kenn ich, weil sie dieselbe wie beim alten langsamen Bak ist: Torgefahr bei Standards.
Ja, eh. Einem kurzfristigen Denker und Handler ist das auch nicht zum Vorwurf zu machen. Jemand, der sich allerdings mittel- und langfristig in der Champions League etablieren will... naja...

Noch was ist/war auffällig. Hiesige Legionäre, die als begnadete Spielmacher/lenker und Supertechniker gelten (Hofmann, Acimovic, Ilic, Vladavic, sonst auch Boskovic oder Muratovic) fielen nicht nur ab, sondern gar nicht auf. Weil sie zwar gutausgebildete Kicker sind, die in Österreich gut dastehen, sie jedoch im echten internationalen Vergleich dann doch auch wieder hüftsteif ausschauen, wenn sie von einem Edgar Marcelino, einem Stoica, einem Sammir oder einem Pedro Morales überrundet werden. Im übrigen allesamt selber durchaus B-Kicker.

2.) Das Ding mit dem Eingespielt-Sein.

Wie es nicht geht, zeigt hier Sportchef Heinz Hochhauser, der wieder einmal das "Wir brauchen Zeit"-Lamento sing.

Red Bull Salzburg steht jedes Jahr wieder völlig überrascht vor der Tatsache, dass eine umfassende Runderneuerung (die im sonstigen Business/Marketingleben, das der große Chef wohl immer noch als Muster heranzieht, weil er den diesbezüglich anders funktionierenden Fußball noch immer nicht wirklich verstanden hat, gutgehen mag) sich in der Anfangs-Phase der neuen Saison extrem nachteiligt auswirkt.

Die machen sich diesen sinnlosen Stress also freiwillig.

Andere, wie die Süd-Zyprioten, sind zu so einem Erneuerungs-Schritt gezwungen, weil das letzte Regime Scheiße gebaut hat. Und wieder andere, wie Sturms voriger Gegner Siroki Brijeg haben eben zu einem Neustart entschlossen - der muß halt irgendwann einmal sein.

Fakt ist, dass alle Team die mit oder ohne Not, absichtlich oder unabsichtlich große Änderungen vorgenommen haben, sich dadurch selber schwerstens geschwächt haben.

Fußball ist in erster Linie die Kunst des kontinuierlichen Aufbaus von Strukturen, und keinesfalls - wie entsetzlich viele Menschen, auch im Umfeld der Vereine glauben - ein Versuchsfeld für manisch-depressive Lebensführung.

Dass die Austria trotz großer Anfangs-Schwierigkeiten mit Stepanovics FK Vojvodina mithalten konnte, verdankt sie ihrer Kontinuität - trotz 5 Neuer in der Anfangs-Formation.
Dass Salzburg nicht fähig war sein starres System zu flexibilisieren ist dem Unwissen der zu vielen Neuen in den Entscheidungspositionen geschuldet.
Dass Rapid den Anfangsschwung der mit nur einem Homeboy (dem wackeligen Tormann) angetretene Mannschaft aus Paphos abzufedern vermochte, lag an ihrer Eingespieltheit und an den diesbezüglichen Problemen des Gegners.

Wunderbar finde ich, weil da grad von Sturm Graz die Rede ist, dass man dort einen echten Fachmann geholt hat, um den Verein ins 21. Jahrhundert zu schubsen (er wäre der erste in Österreich...): Christian Schmölzer Euro-Turnierdirektor, ein Mann, den ich gern als Bundeslíga- oder ÖFB-Chef sehen würde.

Dass sich Sturm Graz trotz bislang schwacher internationaler Auftritte durchsetzt hat nicht nur damit zu tun, dass seine Gegner nominell schäwcher sind, sondern auch mit einem reibungslos praktikablem System.

Und weil ja jeder Ding zumindest zwei Seiten hat, kommt bei Punkt 3 etwas durchaus Widersprüchliches.

3.) Die Frage der Feigheit.

Die stellt sich nämlich, wenn ich mir die vier Grundaufstellungen von Mittwoch und Donnerstag vergegenwärtige.
Klar soll und darf man keinen Gegner mehr unterschätzen - aber Kleinhäuslerei und Kleingeistigkeit im Denken schlägt sich auch aufs Handeln nieder.

Huub Stevens gibt sein 4-2-3-1, in dem die Außenverteidiger Mittellinien-Überquerungs-Verbot haben auch dann nicht auf, wenn es daheim unentschieden steht. Dieses Verhalten ist durch die Euphemismus "mutlos" nicht zu beschreiben.

Peter Pacult kann nicht über seinen zwei 6er-Schatten springen, so sehr andere auch teilprobiert wurde. Dass dadurch Hofmann wieder rechts spielt und unsichtbar wird, nimmt man in Kauf.
Wie mutlos das Rapid-Coaching vonstatten geht, zeigt diesmal die Torfolge. Als Trimmel in der 55. Minute kommt, Hofmann in die Mitte gehen darf und nur mehr ein 6er rumsteht, fällt das 2:0.
Als diese offensive, aber viiiiieeel zu wagemutige Maßnahme dann in der 77. Minute zurückgenommen wird (Kulovits, ein weiterer 6er ersetzt einen Stürmer) fällt prompt der Anschlußtreffer.
Insofern ist das 2:1 sehr gerecht.

Franco Foda probiert mit dem Einsatz von Manuel Weber als 8er oder halber 10er der Doppel-6er-Falle zu entkommen, warum er sich aber im Spiel gegen den deutlich schwächsten Gegner dieser Runde, die montenegrischen Küstenvorort-Provinzler vom OFK Petrovac nicht über einen offensiven linken Offensivspieler drübertraut und den verletzten Jantscher durch Prettenthaler ersetzt, ist unerklärlich.

Und selbst Karl Daxbacher ist ein Vorwurf zu machen: der heuer erstmals eingesetzte Doppel-6er mag aus der Vorsicht vor einem starken Gegner begründet sein, dass allerdings Jununzovic rechts verschenkt sein würde, war irgendwie recht klar.

Die vereinte Gegnerschaft zeigte wesentlich mehr Mut: Zagreb griff zweitweise mit 7 Leuten an (so läßt man Außenverteidiger stürmen, Herr Stevens), Novi Sad hatte 4 als Mittelfeldspieler getarnte Angreifer, APOP spielt letztlich mit 3 Spitzen, und zwei bissigen Flügeln. Selbst Petrovac' 45-2-3-1 war in seiner Struktur offensiver als alles, was die Österreicher zu bieten hatten.

Nicht mich absichtlich mißverstehen: nur blind nach vorne rennen ist deppert, klar. Aber nur eine offensive Denkungsart läßt auch mutiges Spiel zu. Mutiges Spiel wiederum veranlaßt Einzelne auch mehr auf ihre Technik (siehe Punkt 1) zu vertrauen.

Nächste Woche, zu den Rückspielterminen, will ich Besserung sehen.