Erstellt am: 31. 7. 2009 - 12:01 Uhr
Warten, ausharren, durchhalten
Ich könnte euch jetzt an dieser Stelle vom neuen Tarantino erzählen, der trotz Überlänge und einer extremen Dialoglastigkeit höchst spannend geraten ist und zudem noch als elegante Hommage an das Kino selbst fasziniert.
Durchaus gerne würde ich auch ausführlich von der Meisterschaft des Michael Mann schwärmen, der seinem beeindruckendem Oeuvre ein weiteres hypnotisches Werk hinzufügte.
Aber bis die überraschend vielschichtige Nazigroteske "Inglourious Basterds" anläuft, dauert es noch ein Weilchen und zumindest eine Woche heißt es noch auf das großartige Gangsterepos "Public Enemies" warten. Also now for something completely different.
Abwarten, sich in Geduld üben, die Stunden, Tage und Wochen zählen, das müssen auch die Protagonisten zweier Filme, die bereits in unseren Kinos zu sehen sind und um die es hier gehen soll. Sowohl "Die Reise des chinesischen Trommlers" als auch "Che - Guerilla" kreisen auf ganz unterschiedliche Weise um die Themen Disziplin, Durchhaltevermögen und erzählen von einer Suche nach einem ganz anderen Lebensentwurf.
Neue Visionen
In "Zhan Gu", wie "Die Reise des chinesischen Trommlers" im Original heißt, folgt der Ausbruchsversuch und auch der radikal andere Weg, den die Figur einschlägt, einer vorhersehbaren Dynamik.
Jaycee Chan, der Sohn des Martial Arts-Superstars Jackie Chan, spielt den Bilderbuchrebell Sid, der nachts Schlagzeug in einer Punkband spielt und tagsüber frustiert in den Straßen Hongkongs abhängt. Dazwischen stürzt er sich in verbotene Affairen. Als Sid mit der Geliebten eines mächtigen Ganoven anbandelt, wird es heikel. Der Bub muss aus der Stadt fliehen, sonst drohen ihm im glimpflichsten Fall abgehackte Hände.
Sids Vater, ebenfalls ein Gangsterboss, den der Filmveteran Tony Leung Ka Fai grimmig verkörpert, schickt seinen ungezogenen Sprößling nach Taiwan. Dort, auf der Flucht in den Bergen, stößt der junge Mann auf eine Gruppe trommelnder Künstler. Die asketisch lebenden Zen-Buddhisten nehmen den frechen Sid in ihre Reihen auf.
Nach diversen Schikanen und anstrengenden Proben, die der jungen Antiheld erlebt, wird klar: "Die Reise des chinesischen Trommlers" führt ins Innere. Regisseur Kenneth Bis inzenierte ein klassisches Selbstfindungsdrama, eine Transformation vom Saulus zum Paulus. Mit Hilfe des Trommelns und der Meditation verwandelt sich der teenage rebel in einen Musiker, der in sich selbst ruht.
Wenn sich das jetzt für manche muffig anhört: Kenneth Bis vermeidet glücklicherweise übermäßigen Eso-Kitsch. Der taiwanesische Jungfilmer kreiert stattdessen einen Stilmix aus Thriller, Komödie, Worldmusic-Epos und einem Hauch von Zen. Kein unsympathischer Streifen, aber die großen Aufregungen findet man wohl woanders.
Neue Visionen
Auch auf einer existentiellen Reise, allerdings der weitaus dringlicheren Natur, befindet sich der bärtige Benicio Del Toro in Steven Soderberghs "Che - Guerilla".
Wir erinnern uns, vor einigen Wochen lief Teil Eins dieses gänzlich unorthodoxen Biopics bei uns an.
Übertriebene Romantisierung kann man Mr. Soderbergh weiterhin nicht wirklich vorwerfen. Alte Kommunisten, die von Revolutionsidyllen schwärmen, dürften mit diesen Portrait von Ernesto Guevara de la Serna, genannt Che Guevara nicht glücklich werden. Aber auch Gegner des linksradikalen Commandante werden keine Freude haben.
Soderbergh nähert sich der verklärten historischen Figur bewusst distanziert und bemüht spröde, vermeidet pingelig jede Verklärung und Verhetzung.
Während "Che - Revolución" Momentaufnahmen vom Bürgerkrieg in Kuba zeigte, widmet sich Teil Zwei dem späteren, weit weniger erfolgreichen Kampf Guevaras in den Bergen von Bolivien, bis seiner Ermordung 1967 durch Truppen des Regimes.
Noch mehr als zuvor scheint es Steven Soderbergh um das Rätsel der menschlichen Motivation zu gehen, um ganz grundsätzliche Fragen, die in Zusammenhang mit revolutionären Politikern selten gestellt werden.
Central Film
Was treibt jemanden, den wir in den Anfangssequenzen als zärtlichen Vater einer vielköpfigen Familie erleben, als Revolutions-Ikone und gefeierten kubanischen Minister, was treibt diesen Mann wieder hinaus in den Kugelhagel? Was bringt ihn dazu, in einem wildfremden Land, mit wildfremden Gesinnungsleuten, alles für den Umbruch aufs Spiel zu setzen und dem Tod ins Antlitz zu blicken?
Ist einzig ein in Che Guevara oder ähnlichen Charakteren loderndes Unrechtsbewusstsein verantwortlich, können moralische Gründe stärker als alles andere sein, spielen Eitelkeiten, Psychosen, eine Spur von Wahn vielleicht auch gar eine Rolle? "Che - Guerilla" gibt keine Antworten, liefert höchstens vage Andeutungen: Auch diese Reise ins Herz der Finsternis ist eine Selbstsuche.
Wir folgen langsamen Märschen durch das Dickicht und ausgestorbene Dörfer. Erleben endlose Augenblicke in denen die Zeit still steht, Diskussionen, Hunger, Gewalt, Mord, weitere Dispute. Immer mehr verfällt Benicio Del Toro in der Hauptrolle, auch seine Mitkämpfer vegetieren dahin.
"Che - Guerilla" ist eine Art existentialistische Studie zum Krieg, ein absurdes Dschungel-Theater. Aber auch ein sehr mühsames und ermüdendes Filmexperiment.
Central Film