Erstellt am: 30. 7. 2009 - 12:17 Uhr
Die Tugenden des Ingenieurs
"I have it on my stick", sagt Ralph H. Baer, der 87-jährige Erfinder der Heimvideospielkonsole, und zückt seinen USB-Stick. "16 Gigabytes for 25 bucks. It’s unbelievable." Sprach’s und öffnet ganz selbstverständlich die Dokumentendatei mit Ausschnitten aus seinen Erfindungen der letzten sieben Dekaden.

Robert Glashüttner
Das ist der große Vorteil von Technikern und Ingenieuren. Ihr Generationenkonflikt lauert bestimmt irgendwo, nur garantiert nicht in der technologischen Weiterentwicklung. "My German got a little rusty throughout the years", gibt Baer zu. Aber seine Liebe zur Präzision im Denken und Arbeiten sowie seinen scharfer Verstand gibt der Mann sein Leben lang nicht auf. Dafür ist er viel zu aktiv und neugierig auf das, was als nächstes kommt.
Video game crooner
In den vergangenen Jahren sind weitere Eigenschaften in Baers öffentlichen Auftritten hinzugekommen. Souveränität, Humor und Expressivität. Mal lehnt er lässig am Barhocker, dann stützt er sich keck am Fernseher ab, an dem ein Nachbau seiner legendären "Brown Box" angeschlossen ist – die Blaupause für eine milliardenschwere Industrie. Als jemand im Publikum zu leise Fragen stellt, zitiert ihn Baer freundlich auf die Bühne. Von Zurückgezogenheit und Angst vor Nähe keine Spur. Dafür genießt Ralph Baer die öffentliche Aufmerksamkeit und den dargebrachten Respekt vor seiner Pionierarbeit aus Mitte bis Ende der 1960er Jahre viel zu sehr.

Robert Glashüttner
Deutsch-amerikanische Freundschaft
Mehr Details über die Entwicklung der allerersten Heimvideospielkonsole ist in der Geschichte "The Father of Videogames" nachzulesen.
Ralph Baer wurde 1922 als Deutscher jüdischer Abstammung geboren. 2006 war er auf Einladung des Computerspielemuseums Berlin seit seiner Flucht vor dem Nazi-Regime im Jahr 1938 das erste Mal wieder in seinem ehemaligen Heimatland zu Gast. Seither kommt der ehemalige Radio- und Fernsehtechniker gerne und regelmäßig.
Unter der Leitung des umtriebigen Museumschefs Andreas Lange werden historische Dokumente und Fakten zusammengetragen und im Web publiziert, Pressekonferenzen abgehalten und aktuelle Projekte wie die "History of Video Games Timeline" präsentiert.

Robert Glashüttner
Stolz und doch bescheiden
Ab heute, Donnerstag, 30. Juli, ist Ralph Baer bei der "Games Convention Online" in Leipzig zu Gast.
Mehr über ihn gibt es in der FM4 Digital Underground Spezialsendung am 12. August im "Open Mike" ab 24 Uhr zu hören.
Man merkt Baer die Genugtuung darüber an, dass seit der Jahrtausendwende das verzerrte Geschichtsbild nach und nach zu seinen Gunsten hin zurechtgebogen wurde. Bis dahin stand er weitgehend unbekannt im Schatten von Business- und PR-Genie Nolan Bushnell, dem Gründer von Atari, der mit einem Ideenklau von Ralph Baer einen eigenen Strang der Videospiel-Industrie begründet hat: den der münzbetriebenen Videospielautomaten.
Die Initialzündung war "PONG" (1972), eine technisch verbesserte und einfacher zu spielende Version des "Ping-Pong-Game" von Ralph Baers "Brown Box", die später in die allererste Heimvideospielkonsole "Odyssey" (ebenso 1972) mündete. Dennoch es war fälschlicherweise Bushnell, der über Jahre hinweg als allgemeiner Gründungsvater für Games-Kultur firmierte.

Robert Glashüttner
Jetzt sind die Dinge klargestellt. "I just wanted to set the records straight", wie es Ralph Baer selbst gerne ausdrückt. Mit Narzissmus und Streicheln des eigenen Egos hat das wenig zu tun. Auch ist es keine Koketterie, wenn Baer nüchtern feststellt, dass ihm viele Wegbegleiter auf seiner Reise zur Erfindung des Heimvideospiels geholfen haben und wenn er es nicht getan hätte, ein paar Jahre später eben jemand anderer gekommen wäre.
Es ist vielmehr auch hier wieder das tief sitzende Bedürfnis des Ingenieurs, das aus ihm spricht: Die Liebe zu Klarheit, zum Detail und zur Präzision.