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Gerlinde Lang

Innerlichkeiten. Äußerlichkeiten.

29. 7. 2009 - 18:18

Modepuppen

Anziehen, ausziehen, anziehen. Anziehpuppen-Browsergames für die Hobbystylistin von Tokyo bis Stockholm.

Es gibt Leute, die ziehen für Geld andere an. Die einen nennt man Altenpfleger. Die anderen nennt man Stylisten. Eine Stylistin ist jemand, der armen Filmstars sagt, dass sie auf dem roten Teppich lieber kein rotes Kleid tragen sollen. Ein Stylist ist eine Person, die den ganzen Tag riesige Säcke voll Kleidung von A nach B schleppt und zur Belohnung dann mit einer wunderhübschen lebenden Ankleidepuppe spielen darf. Eine Stylistin ist jemand, der dafür sorgt, dass die Kleidertruhe bei Lady Gaga immer schön mit Bodys, Galaxienhüten und Sonnenbrillen gefüllt ist.

N. Formichetti

Links (no na): Lady Gaga mit einem Hut von Nasir Mazhar aus der Stylistenwundertüte von Nicola Formichetti.

Style sich, wer kann!

Stylistin sein ist einer der lustigsten Jobs der Welt, wenn ihr mich fragt. Falls ihr mich weiter fragt, dann sage ich euch, dass es diese Lust am Anziehn-Ausziehn-Anziehn ist, der wir die vielen Mode- und auch Streetstyleblogs momentan verdanken: Jede ihre eigene Stylistin. Jeder sein eigener Stylist. Sei es beim Kombinieren aus dem eigenen Kleiderschrank, sei es beim Auswählen von Menschen auf der Straße. Das ganze macht natürlich auch ohne Blog Spaß.

Ankleidepuppe

Nicht jede/r Hobbystylist/in hat aber Lust, mit der Kamera draußen rumzuschlauchen oder Fotos sonder Zahl von sich selbst ins Netz zu stellen. Dieser Kombination wiederum verdanken wir wohl dies neueste Phänomen: die Ankleidepuppe im Internet.

Electronic Arts

"Ich liebe sie dafür, wie geflissentlich sie meinen Nicht-Camo-Märzenbecher ignoriert! Wie überaus edel und human. Doppelseufz."

Spiel im Spiel: Eitle Sims und fesche Gilden

Klar haben Menschen Computerspiele oder Browsergames immer schon auch dazu genutzt, um Style zu demonstrieren. Ich denke da an die Sims und einen Haushalt, in dem alle in Tarnfarbenschecken einhergingen, zwischen Camouflagesofa und Camouflagegardinen.
Ich denke da an World of Warcraft und die Möglichkeit, Gewänder und Gildenwappen zu kombinieren.
Ich denke da an Facebookspielchen wie Pet Society, bei denen man außer neuen Hosen und Kleidern auch noch Gesichtsoperationen und Hautfarbenwechsel vollziehen kann, soviel man will.

Die neuen Ankleidepuppenspiele lassen diesen ganzen Lebens- und Kampfquatsch weg und konzentrieren sich aufs wesentliche: Das Anziehen.

Japan

Junge Damen in Japan amüsieren sich mit dem Browserspiel Poupeegirl. Das funktioniert wie die gute alte Anziehpuppe aus Papier, die man mit Kleidungsstücken behängt, und ist obendrein eine Community.

Ameba Software

Die "Pupe" von den Bloggerchen auf 8tokyo.com

Man lädt Bilder von Gegenständen, die man realiter zuhause hat, hoch - also Hüte, Schuhe etc. Dann wird Freundschaft geschlossen mit anderen SpielerInnen, die vorbeikommen und deine, sagen wir mal, Tasche in Form einer Melone kawaii finden, also entzückend, niedlich. Oder deinen Katzentopflappen.

Wenn man sich ausreichend sozial zeigt in der Poupeegirl Community, verdient man Spielgeld, von dem man dann neue Kleider für seine Ankleidepuppe, kurz "Pupe" genannt, kaufen kann. Sommerkimonos, Halloweenkostüme, und dann wieder von vorn. Finanziert wird Poupeegirl durch Kooperationen mit Firmen wie z.B. Louis Vuitton, da gibt’s dann zum Beispiel für kurze Zeit Louis Vuitton "Taschen" zu "kaufen".

Ameba Software

Da lacht das Pupenherz.

Schweden

So ähnlich funktioniert auch die skandinavischen Website looklet.com, die soeben dem Closed-Beta-Stadium entwachsen ist.
Keine gezeichneten Puppen hier. Looklet lässt wählen zwischen fotografierten Models und Hintergründen von New Yorker Straße bis Pariser Straßencafe oder Wald.

looklet.com

Mein Lieblingsstück kommt aus dem Vintage-Kontingent.

Die Kleider, die man dann auf die Anziehpuppe hängt, sind keine zuckersüßen Niedlichkeiten wie bei Poupeegirl, sondern "echtes" Designerzeug, gern aus der skandinavischen Ecke von Acne bis Whyred, Cheap Monday, Minmarket und April 77, mit ein bisschen Stella Mccartney und Marc Jacobs dazwischen, oder noch recht unbekannten Independent-Designerinnen oder Modestudenten.

Spiel im Spiel: Teil Zwei

Lieblingsherausforderung für mich ist natürlich, das Werk anderer Stylisten nachzustellen. Die charmante Langeweile der Claudia Schiffer, die Nichthosen von Lady Gaga ... jeder Look kann von anderen remixt werden, und auch ein Look of the Day wird täglich gewählt.

looklet.com

Damn, ganz schön schwierig!

Damit kann man Geld verdienen

Hinter Looklet.com stecken 5 Schweden, unter anderem der 26jährige Olle Hemmendorf aus Stockholm, der von der Werber- und Flashanimationsseite her kommt (früher war er einer der Typen hinter dem Windows Live Searchpet, also dem kleinen Monster, das User für die Animation zur Windowssuche entwerfen können. Na, Zusammenhang, ick hör dir trapsen. TRAPS!), aber auch Caroline Engmann, 22 Jahre alt, Stylistin und Bloggerin aus Stockholm, ist mit von der Partie.

Auf Looklet wird keine Kleidung verkauft. Die Website finanziert sich als reine Werbeplattform, wo man bezahlt, um seine Waren dort auszustellen, gleichzeitig ein bisschen Marktforschung zu betreiben und buzz, sprich Gratispropaganda in den Modeblogs zu generieren.
Zum Beispiel kann man momentan beim Wettbewerb: Wer stylt die YSL-Käfigsandalen am besten? mitmachen und tatsächlich ein paar dieser Schuhe gewinnen.

Seht ihr? Es funktioniert.