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Zita Bereuter

Gestalten und Gestaltung. Büchereien und andere Sammelsurien.

24. 7. 2009 - 16:18

Fressen Ficken Fernsehen

Provokation und Schmerzen. Aktionskunst und Performances. Ein neues Museum in Dornbirn. Flatz – ein Künstler.

Am Freitag, 24. Juli wird das Flatz Museum in Dornbirn eröffnet.
Marktstrasse 33 - alte Naturschau

Um 22 Uhr gibt es eine Performance von Flatz auf dem Marktplatz.
Im Anschluss wird im Conrad Sohm gefeiert – für die Musik sorgt DJ Hell.

Der Künstler Flatz steht für Provokation, für Tabubrüche, für Skandale. Er wurde in Vorarlberg für seine Aktionen und Performances inhaftiert und in die Psychiatrie gesteckt. In Folge "emigrierte" er nach Deutschland, wie er es selbst nennt.
Dass gut 30 Jahre später, am Freitag, 24. Juli in Dornbirn das Flatz Museum eröffnet wird, erstaunt etwas. Grund genug für ein Gespräch.

Fressen Ficken Fernsehen

Groß wollte Flatz diese drei Wörter verkünden. Im Stil einer Werbebotschaft ließ er den Slogan in 5 mal 4 Meter an die historischen Außenmauern eines großen Museums in Deutschland anbringen - in den deutschen Nationalfarben schwarz rot gold. Das war im Jahr 1981 und ein Skandal. Noch in derselben Nacht wurde das Transparent von der Polizei entfernt.
Stattdessen entstanden daraus dann die Postkarten, die zu den meistverkauften in Deutschland gehören, erzählt Flatz und lacht über die lange Halbwertszeit dieses Slogans.

Vielleicht würde heute weniger gefickt, aber die Reduktion würde immer noch funktionieren, so Flatz. Eventuell müsse noch ein Angstfaktor dazukommen. Aber in der Zeit, in der er das gemacht habe, habe man in einer völligen Sättigungsgesellschaft gelebt.

Im Hintergrund schnaubt ein Hund zufrieden.

Flatz

Hitler - ein Hundeleben

Seit Jahren hat Flatz einen Hund. Als Kind habe er den Sommer über auf einer Alpe in Vorarlberg Kühe gehütet – ein Hund sei der einzige Partner gewesen, mit dem er sich unterhalten konnte. Dem ist er treu geblieben. Zusätzlich hat er mit seinen Haustieren die Evolutionsreihe nachvollzogen - ein Reptil, ein Vogel, das Säugetier Hund. "Und der letzte in der Kette bin dann ich."
Sein wohl bekanntester Hund: eine Deutsche Dogge, 80 kg schwer, nach der er Jahrelang auf Hundeschauen gesucht hat. Was für ein schöner Hund, hätten Leute das Tier oft bestaunt – wie heißt er denn? "Hitler." Da sei das Rollo der Leute dann sofort runtergefallen. Und wenn er damals, mit Glatze, tätowiert und wie er sagt "Hardcore angezogen" im Englischen Garten in München seinen Hund gerufen habe, seien mindestens zweihundert Augenpaare auf ihn gerichtet gewesen. "Und alle sprechen Hass."

Flatz war das ziemlich egal. Flatz wollte provozieren. Flatz wollte zum Nachdenken anregen. Also ist er mit seinem Hund Hitler an Orte gefahren, an denen Adolf Hitler aufgetreten ist. Flatz hat dort Fotos gemacht und die Bilder beschriftet. "Hitler besichtigt das Schlachtfeld von Stalingrad" heißt es da und man sieht den Hund in einer Wiese liegen. "Hitler entwickelt den Sozialen Wohungsbau" beschreibt das Foto, das den Hund vor einem Hochbunker zeigt. "Hitler vermisst Eva." Der Hund schaut aus einem Hausfenster. Man sehe nur diese Bilder, "Das andere sind alles Dinge, die im Kopf stattfinden. Alles, was mit dem Begriff Hitler konnotiert wird, ist festgelegt. Das aufzubrechen und in eine andere Schiene zu bringen, war der Ansatz der Arbeit." Gesammelt wurden diese Bilder in dem Buch "Hitler – ein Hundeleben", "das besonders bei Juden und jungen Leuten sehr gut angekommen ist" und trotz mehreren Auflagen längst vergriffen ist.

Nach dem Hund Hitler sei ihm klar gewesen, dass der Hundename auf sich selbst bezogen sein müsse. Also hieß der zweite Hund "Flatz", bzw. dann "Frau Flatz", "weil er so tuntig gewesen sei". "Es ist ein Unterschied ob du sagst 'Hitler Platz', 'Hitler komm', 'Hitler du stinkst' oder 'Hitler hau ab', oder ob du sagst 'Flatz Platz', 'Flatz komm' oder 'Flatz hau ab'."
Der jetzige Hund heißt Herr Professor – "dann erspare ich mir, mich selber vorzustellen. Dann stell ich den Hund vor und ich bin der Flatz."

Kunst muss schmerzen

Flatz

Flatz hat mit seiner Arbeit auch häufig Schmerzen erzeugt. Bei sich selbst, aber auch bei Betrachtern. Sei es, dass er sich in einen Teppich einnähen ließ und darin von den Besuchern getreten wurde oder, dass er seinen Körper als Dartscheibe verwendete. Das war 1979 in Stuttgart - um 500 Mark Preisgeld konnte man Pfeile auf ihn werfen. "Es waren 500 Leute da, Kunstpublikum aus der Oberklasse der Kunst – die für sich eine ganz bestimmte Sensibilität in Anspruch nimmt, die sie von anderen abgrenzt. Und bevor getroffen wurde, war das Publikum angeheizt und hat sich fast gestritten, wer jetzt da als nächster drankommt. In dem Moment, wo der Pfeil getroffen hat und der in der Brust gesteckt ist und die Leute gesehen haben, dass das eine Verletzung ist, da hat sich das Publikum um 180 Grad gewendet und die wollten den, der getroffen hat, das war ein 45-jähriger Mann, beinahe lynchen."

Flatz

Flatz war nicht das vermeintliche Opfer, sondern vielmehr der Täter, der aber auch das Publikum zu Tätern machen konnte.
"Kunst wird dann interessant, wenn sie dich direkt berührt, wenn sie dich emotionalisiert und du dich damit beschäftigen musst. Und wenn man am Ende auch zu einer Ablehnung kommt – es ist zumindest eine Auseinandersetzung da."
Er wollte den eng gesteckten Rahmen des Kunstkontextes überwinden und Türen für Kunst aufmachen bei Menschen, die sich normalerweise nicht für Kunst interessieren.
Das geht nur, wenn man sie emotional erreicht und nicht über die Fragestellung "ist das Kunst oder nicht, sondern ist das vielleicht noch im Rahmen dessen, was ein Mensch vertreten kann oder nicht."

Leichte Kost gibt es woanders

Flatz, der Goldschmied gelernt hat, danach Malerei und Kunstgeschichte studiert hat, wechselt seine verwendeten Medien und Materialien ständig. Ob Stahl, Beton oder Papier. Ob Musik (sein erstes Album wurde von Kraftwerk produziert, u.a. hat er mit den Einstürzenden Neubauten zusammengearbeitet und in letzter Zeit v.a. mit DJ Hell), Architektur oder Skulpturen. Ob Performances, Aktionen oder Demontagen. Flatz berührt und verstört: "Der Körper war immer mein Arbeitsmaterial – wie ein Maler Pinsel, Leinwand und Farbe war es für mich Körper, Zeit und Raum. Ich wollte intensive Bilder darstellen, die emotional berühren und denen man nicht entkommt."

Flatz

Kunst beginnt für ihn jenseits des handwerklichen Könnens. Das sieht er, der mittlerweile an verschiedenen Hochschulen Kunst gelehrt hat bzw. lehrt, als Grundvoraussetzung. Aber Kunst sei Kopfarbeit. Und so zitiert er zur Programmatik seiner Arbeit Marx : "Kunst ist nicht der Spiegel, den man der Wirklichkeit vorhält, sondern der Hammer, mit dem man sie gestaltet."
"Kunst, die nur schön ist, transportiert nichts. Man muss daran arbeiten."

Flatz Museum

Insofern ist es klar, dass es im Flatz Museum in Dornbirn keinen Stillstand geben kann. Es soll eine Institution oder Plattform bieten, in der aktuelle Kunst gezeigt wird, die gegenwärtig relevant ist. Im ersten Jahr soll der Museumsbestand gezeigt werden, dann aber wechselnd neue Ausstellungen.
"Es würde mich nicht interessieren ein Museum zu haben, das letztendlich eine Verwahranstalt für Kunst ist oder ein Mausoleum des Künstlers. Das wäre zu früh und auch falsch bewertet."

Flatz

Im Flatz Museum u.a. zu sehen: "Jim Morrison", 1988 - aus der 39-teiligen Serie: Zeige mir einen Helden und ich zeige Dir eine Tragödie (Fotografie auf Leinwand, Farblasur, 120 x 237cm)