Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Song zum Sonntag: Ja Panik"

Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

26. 7. 2009 - 06:00

Song zum Sonntag: Ja Panik

Mut zum Cover: John Cales Fear (is a Man's Best Friend)

Fear

Der Song zum Sonntag ist eine Kooperation zwischen FM4 und der Presse am Sonntag und erscheint hier wie dort, wo sich der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar der Kolumne annimmt.

Dass das noch keinem eingefallen ist! Es hat sich bei jungen Bands, deren Soundästhetik sich eng an Vorbildern entlang schmiegt, schon rumgesprochen, dass über die Wahl der Coverversion eine vielsagende Standortbestimmung möglich ist und sich auch noch ein kleiner Distinktionsgewinn erzielen lässt. Hier haben Ja Panik beides so treffend hingekriegt, dass alle weltschmerzenden und düster losrockenden schwedischen Frisurenbands dieser Welt angesichts dieser Idee sich beschämt auf ein Wiederholungssemester in ihre Popakademien zurückmelden müssten.

Island Records

Das Original

Diese B-Seite der Wiener Band ist ein Statement, das an Nick Caves "Kicking against the Pricks" erinnert: Die Öffnung der Welt des nervösen und grantigen Ästheten John Cale - der für ein "Dazwischen" stand, zwischen Nostalgie und Avantgarde, zwischen Kunstmusik und Rock, zwischen Dandy und Macho, zwischen spätromanischem Konservativismus und bilderstuermerischem Kunstkonzept - für eine Szene, die oft den Eindruck macht, als ob die Mittelstandsneurosen von so etwas wie Mando Diao, My Chemical Romance oder Placebo schon der Gipfel des postpubertären Leidens sind. Es gibt schließlich noch die Angst, die eines Mannes bester Freund ist.

Die Band "Ja Panik"

Julia SPitzner

Zu empfehlen - ich kann es mir nicht verkneifen - sind neben "Fear" und "Paris 1919" meinerAnsicht noch John Cales Alben "Music for a new Society", "Vintage Violence", "Slow Dazzle", "Helen Of Troy", das irre "June First" Livealbum mit Ayers, Nico und Eno allein wegen "Heartbreak Hotel", und die Liveplatte "Fragments of a rainy Season", irgendwie auch "Artificial Intelligence" und die kitschigen "Songs for Drella" ... und natürlich die Ja Panik Konzerte in eurer Umgebung. Wenn sie dort noch "The Man, who couldn`t afford to Orgy spielen", knie ich mich persönlich vor ihnen hin.

Und das Ganze noch dazu mit dem 1) zweitbesten Lied auf seiner 2) zweitbesten Platte. (1- nach dem mit Gitarren nicht kitschfrei nachspielbaren Buffalo Ballet von derselben, und 2- nach "Paris 1919", die ich nicht selten in schwachen Momenten als die beste Platte aller Zeiten bezeichne)

Das mit der Distinktion war im Übrigen schon immer so, schon Elvis Presley unterschied sich von seinen bleichen Hillbilly-Freunden zuerst hauptsächlich dadurch, dass er die Musik eines schwarzen Künstlers, Arthur Crudup, aufnahm, die Stones, die sich nach einem Blues benannten, detto. Die Beatles spielten nicht nur "Twist and Shout", sondern auch "My Bonnie is over the Ocean", Johnny Rotten den "Summertime Blues", in dem sich 20 Jahre vor "God save the Queen" schon ein Jugendlicher wütend bei der/ über die Regierung beschwert hatte. Und die Standortbestimmung - oder deren Änderung - liess sich auch oft per Cover bewerkstelligen. Schließlich haben sich auch Leute wie Sinatra ("Girl from Ipanema") oder Johnny Cash ("Hurt") mittels Cover vor ganzen musikalischen Bewegungen verneigt, die ihrer Ursprungsmusik recht entfernt schienen.

Vielleicht pfropfe ich hier auch übertrieben theorethische Überlegungen auf einen single- gewordenen, harmlosen Proberaumspaß. Aber ich darf das.