Erstellt am: 24. 7. 2009 - 12:00 Uhr
Fußball-Journal '09-62
Ein paar weiterführende Anmerkungen zu den europäischen Ausflügen der österreichischen Spitzenklubs.
Wenn sich Lemminge versammeln um freiwillig über die Klippe zu springen, dann steht der Schlauberger Mensch daneben und schüttelt den Kopf. Als ob ER nicht in vielerlei Hinsicht immer wieder ähnliche Gelagertes vollführt. Gut, er stellt es nicht so radikal und plump und direkt an, aber er erhebt ja auch den Anspruch auf höhere Intelligenz und ein viel entwickelteres Sozialverhalten als ein ordinärer Nager.
Nun ist Fußball nichts Lebenswichtiges, sondern nur ein wichtiger Spiegel, der uns (in welcher schönen wissenschaftlichen Schrift hab ich diese Analyse unlängst gelesen? Ich komm nicht drauf...) ziemlich genau sagt, wer wir sind, gesellschaftlich. Also ist ein Versagen/Scheitern dort quasi eine Monopoly-Version des echten Lebens, eine vielsagende.
Österreichs Fußball balgte sich diese Woche mit anderen, von den internationalen Rankins auf Augenhöhe gesehenen Fußball-Zwergen herum, hat in zwei von drei Fällen größte Mühe über die Runden zu kommen und benotet sich, in grenzenloser Selbstüberschätzung mit "Gut".
Nun ist ein "Gut" in der Baum- oder einer anderen Hilfsschule für dortige Verhältnisse sicher gut - mit dem richtigen Leben hat das aber wenig zu tun.
Vor allem dann, wenn man - wie Salzburg, wie Sturm - um eine Watschn, die das Out bedeutet, gebettelt hat wie der schwarze Rapper, der ein KKK-Clublokal betritt.
Selbsteinschätzung der Baumschüler: Gut!
Kurz ein bißchen Statistik:
Wenn man die Einschätzungen der die Erfolge des aktuelle Jahr hochrechnenden IFFHS mit der mittelfristig denkenden Punkte-Liste der UEFA kombiniert, dann kommt Österreich auf den europäischen Platz-Faktor 59. Und liegt damit hinter Zypern (51), Serbien (55), Kroatien (57) und vor Eire bzw Albanien (66). Bosnien und Montenegro sind noch weiter hinten.
Mit diesen Nationen hatten und haben sich Salzburg, Sturm, Rapid und dann auch die Austria auseinanderzusetzen.
Unsere Clubs liegen also grosso modo ziemlich genau im Mittel.
Davon ist allerding in gleich zweierlei Hinsicht nichts zu merken.
Zum einen hält man sich von vorherein für klar besser als alle Angesprochenen. Vojvodina Novi Sad? Mehr als alte Erinnerungen an eine Begegnung in den 80ern gibts nicht. Dinamo Zagreb als Favorit nach der beschämenden Leistung von Salzburg? "Wieso bitte?" fragt Janko nach wie ein bockiges Kind. Alle anderen kann man entweder nicht aussprechen oder kennt sie der Einfachheit halber gar nicht. Herr Maierhofer wußte gerade einmal dass er im Flieger nach Albanien sitzt, mehr nicht.
Den Gegner um den Gnadenschuß anflehen
Zum anderen spielt man (Ausnahme: Rapid) dann gegen diese offensichtlich als Jausengegner Eingestuften als hätte man gerade die letzte Ölung empfangen und könne nur dann ins Paradies kommen, wenn man den Gegner um die Erlösung anfleht.
Die Salzburger Badkicker hatten zwar Dossiers über ihre Gegenspieler bekommen, aber in Dublin verließen sie sich drauf, dass man dem Kontrahenten die einzige gute Vorlage abbetteln würde können.
Und die Grazer Nervosetten in Kroatisch-Bosnien sehnten in der letzten Viertelstunde spürbar die drohende Verlängerung herbei.
Das ist kein Todes- aber ein Untergangstrieb.
Dass der ein in sich zerrüttetes und nicht funktionierendes System wie die Hangar 7-Fußballaußenstelle in Salzburg erreicht - erklärbar.
Dass aber auch die Vorjahrs-Vorbilder aus Graz sich der allgemeinen Im-eigenen-Saft-Schmorerei der Liga anpassen, das ist harter Stoff.
thomas1909live weiß warum Sturm schwächelt - ich darf sein sensationelles Wissen mit euch teilen:
... man entfernt sich von Grundsätzen der Nach-Kartnig-Ära, indem man Junge ziehen lässt, die, die bleiben, werden nicht gefördert, ein neuer Kroate ist halbblind, der Trainersohn ist nur wegen der Protektion im Kader, alle Tormänner sind besser als Gratzei und dürfen trotzdem nicht spielen.
Außerdem sind die Gehälter in Bezug auf den Umsatz um 4% zu stark gestiegen und außerdem war es ausschließlich Co-Trainer Gerstner, der den Vorjahrserfolg einbrachte, weil der Coach immer die 2. Halbzeit vergeigt... alles klar?
Denn ich mag das, was eine Parodie auf den allesbesserwissenden, jedes Detail negativ auslegenden, verschwörungsthesensüchtigen Fan mir da unlängst ins Postfach, nunja, Otto Konrad würde sagen "reingeschissen" hat, nicht ernstnehmen.
Gefangen in der Zwischenwelt
Ich denke, dass diese Teams in der diffusen Zwischenwelt dieser beiden Ansprüche bzw Realitäten gefangen sind.
Sie werden von immer wieder manisch-depressiv hin-und-hertaumelnden Medien, zu grotesken Überreaktionen neigenden Funktionären und einem Umfeld, das auch Probleme mit einem Realitätsbezug hat, in ihrer Konfusion bestätigt.
Das wiederum hat nicht nur der glorreichen österreischischen Fußball-Geschichte der Zwischenkriegszeit, sondern auch mit der verflixten Geografie zu tun, die uns immer wieder nur auf die großen Nachbarn blicken lassen, und durch diesen Verlust einer direkten Vergleichsebene (neue läßt man ja nicht zu: die Schweiz ist nach der gemeinsamen Euro wieder uninteressant).
Und es führt zur Sofort-Ansteckung: Huub Stevens war klar, dass er in einem solchen Umfeld problemlos Einser und Zweier austeilen darf - der Verein wird ihm den Rücken stärken, die (ihrer Kontroll-Funktion ohnehin längst bereaubten) Medien werden nur kurz widersprechen und sich dann eh wieder auf die Liga konzentrieren.
Und er schließt damit an die beleidigte Trutzigkeit der Verantwortlichen an, die sich für besser halten als sie sind - und das ist Standard in Fußball-Österreich.
Selbst der Klassenbeste: verwirrt
Rapid hatte mit den braven, aber ungefährlichen Albanern leichtes Spiel - und war immerhin imstande Punkte für die UEFA-Liste zu sammeln.
Gut.
Und Pacult probierte was aus, ein 4-2-3-1-System mit Hoffmann zentral (seiner idealen Position) und zwei echten Flügeln (Trimmel und Drazan) und zwei zentralen Defensiven dahinter. Das ist in seiner Struktur ebenso defensiv/offensiv wie das sonst übliche 4-4-2, stellt also kein Risiko dar.
Ein Risiko war die Umstellung im ersten Spiel als Pacult einen der 6er rausnahm und auf ein 4-1-3-2 switchte. Denn da waren 5 Offensive und nur ein defensiver Mittelfeldspieler auf dem Platz.
Dass die Rapid-Coaches in einem Spiel gegen einen bewiesenermaßen unterlegenen Gegner, der noch dazu durch ein 5zu0 auch schon besiegt war, sich nicht einmal das oder eine andere riskante Offensive-Variante (zb ein 4-1-4-1 mit zwei Offensiven direkt hinter der Spitze, zb Hofmann und der hoffentlich bald wieder existente Boskovic) traut, zeigt wie wenig variantenreich bei Rapid gedacht und gearbeitet wird.
Das ist zwar nicht so offensichtlich untergangslüstern wie die anderen Vorstellungen, aber auch ganz schön traurig.