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Karl Schönswetter

"Daylight it's web-design, at night partytime". Elektronische Musik, im Netz und auf Parties.

25. 7. 2009 - 12:51

RCRD LBL - Der Sound-Central-Park

Auch wenn das Prinzip an sich nichts Neues bietet, lohnt sich der Blick auf die zeitgenössische Interpretation des Systems "MP3-Portal".

RCRD LBL

Die "Gratiskultur" im Internet ist ein heißes Eisen. Es spaltet die Interessen der KonsumentInnen und ProduzentInnen und führt zu höchst emotionalen Diskussionen. Beispiel Musik: Es war noch nie so einfach, einer Öffentlichkeit gegenüberzutreten, wie durch den Vertrieb via Internet. Gleichzeitig scheint die konkrete Chance, von seiner kreativen Arbeit leben zu können, so niedrig wie selten. Oder ist der Wunsch, ein Star zu werden, durch massenhafte Selbstüberschätzung zu einem Mainstream-Phänomen geworden, so dass man für angehende MusikerInnen einen numerus clausus installieren muss? Seit Andy Warhol die Zeichen der Zeit erkannt und der Masse ihren Ruhm versprochen hat, steht die Welt Kopf. Aus dem Wunsch, die Basis der Eliten zu kippen und Kreativität zu demokratisieren, ist ein Wahn geworden, der dazu geführt hat, dass Menschen ihren Selbstwert an sich vollkommen verleugnen und Rampenlicht zum Überleben brauchen. Wenn es in Realität nicht möglich ist, dann zumindest virtuell suggeriert.

RCRD LBL

MP3-Internet-Portale sind seit ihrer Erfindung Tummelplatz dieser verirrten Egos und RCRD LBL ist eine dieser Plattformen. Zumindest eine sehr ansprechende: Well-designed und mit allen Finessen des web2.0-Trickkastens ausgestattet, hat mich dieses Portal seit einigen Monaten besonders fasziniert. Man nimmt es den MacherInnen ab, wenn sie behaupten, dass ihre proklamierte Liebe zur Musik keine Heuchelei ist. Die Qualität der legal zur Verfügung gestellten mp3-files ist bestechend. Gratis und gut - ohne oder. Ich wurde selten enttäuscht. Insbesondere die jeweilige Beschreibung der Tracks durch die Redaktion, hat sich als wertvoll erwiesen. Schon vor dem „prelisten-stream“ wusste ich genau, was mich erwarten wird und in vier von fünf Fällen habe ich mir das Stück dann auch wirklich heruntergeladen.

Ein Punkt hat mich aber von Anfang an gestört:

Sounds like ...

RCRD LBL

MusikerInnen erkennt man 500m gegen das Sonnenlicht. Hier MEN, ein Le Tigre-Klon.

Die kleine Beschreibung "klingt wie" ist sehr praktisch, wenn man die Musik auf den Punkt bringen will, führt aber zu einer bitteren Note bei genauerer Betrachtung dieses Systems. Mit der Zeit wurde mir nämlich klar, dass dieses "klingt wie" entscheidendes Kriterium in der Auswahl wurde und - war es Zufall oder nicht - die Pressefotos der Newcomer waren mit der äußeren Erscheinung der Originale fast deckungsgleich. Wenn man nun einen Schritt weiter denkt und darüber philosophiert, wie sich das System RCDR LBL eigentlich langfristig erhalten will, dann könnte man zum Kulturpessimisten werden.

Wir bekommen hier Zugang zu hochqualitativem Output von begeisterten Kreativen, die sich von ihren Vorbildern inspirieren haben lassen und geben Ihnen die Chance auf Aufmerksamkeit. (Dies soll ja die "neue Währung" sein.) Wer von ihnen wird es wirklich schaffen, die Rolle zu wechseln? Interessiert dies überhaupt irgendjemanden? Oder ist es nicht einfacher und bequemer "Musik-wie" legal und frei herunterzuladen und zu konsumieren, um damit gleich auf den Konsum von "Musik-Original" zu verzichten. Dieser kostet - oder führt zumindest zu schlechtem Gewissen durch illegalen Bezug.

RCRD LBL

Ich komme nicht von dem Verdacht weg, dass dieses Klonen von Originalen und deren Präsentation ein Prinzip darstellt. Es könnte ein Zukunftsmodell zukünftiger Musikproduktion sein. Hier beginne ich, mich zu ekeln. Wer das System "Starmania" widerlich findet (ich tue dies), muss das System "sounds like" ebenso verdammen, dann es entspricht der gleichen Logik; der gleichen Praxis von Aneignung oder besser gesagt - Enteignung.

Ich lese soviel Ekelhafte Einzelheiten über die Macher von facebook, dass ich Internetportalen inzwischen jede Form von perfider Taktik zutraue.

Dieses System verhindert an sich schon das Entstehen von Originalen. Diese sind länger schon ein Dorn im Auge der Musikwirtschaft, weil die wirklich Großen und Bekannten beginnen ihrerseits, das Geschäft von hinten aufzuzäunen. Könnte das Konzept, das hinter "sounds like" steckt also die Rache der Musikindustrie sein, um in Zukunft alternative Modelle – siehe Radiohead oder Nine Inch Nails – zu verhindern?

Es gibt kein richtiges Leben im Falschen

Dieser Schatten ist sehr schade, denn trotz "sounds like" finden sich zwischen den Klonen Perlen von Audiofiles, die Eigenständigkeit und Wert besitzen. Wie kann ich diese Künstler wirklich unterstützen? Wenn ich sie via RCRD LBL supporte und verlinke, helfe ich dann einem fragwürdigen System oder sorge ich dafür, dass diese Künstler direkt ihren Anteil an den Werbeeinnahmen bekommen?

Künstler: Was ist aber, wenn sie betriebsblind sind?

Ich kann diese Frage noch nicht beantworten, der nächste Schritt in der Analyse ist wohl, dies die KünstlerInnen direkt zu fragen. Währenddessen vertraue ich auf die AGB’s von RCRD LBL und setze auf die Unterstützung der Nadel im Heuhaufen. (Sprich: Beteiligung der Künstler an Werbeeinnahmen. Klick, Klick, Klick)

Ich mag rotes Haar.

RCRD LBL

La Roux – In For The Kill / Skream’s Let’s Get Ravey Remix

Wunderbare Dubstep Variante des neuesten Internet-Hype-Girlie-Hits. Ich glaube nicht an sie, aber an ihre Stimme und Bass.

Blitz the Ambassador – Nothing To Lose / Feat. Kate Mattison

Ein Off-Rapper, der beinhart bei seinen Leisten bleibt und in der Rolle des einsamen Wolfs nichts mehr zu verlieren hat. Ich mag das.

Richard Swift – Lady Luck

Nu-Soul like Stones Throw Stuff. Klingt wie alter Motown und ist als legaler Download zu beziehen. Seit Michael Jackson tot ist, ist nichts mehr beim Alten.

Magic Wands – Black Magic / Crystal Fighters Remix

Ein typisches "klingt wie" Beispiel. Gefunden auf der Suche nach "Township Funk" und trotzdem eigen. Ein Beweis für das Funktionieren von Multikulti.

Fink – Sort of Revolution / The Cinematik Orchestra Remix

Vortrag von Robert Misik zu genau dieser Frage. (Ringvorlesung Kapitalistischer Realismus)

Der Trick von RCRD LBL besteht darin, dass es auch Originale zu finden gibt. Ein unschlagbares Prinzip der Aufmerksamkeitsbindung. Ich liebe Fink, seit er zur Gitarre gegriffen hat und der Song "Sort of Revolution" ist das beste Beispiel für das Paradoxon "Pop vs. Kapitalismus".