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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

22. 7. 2009 - 23:23

Fußball-Journal '09-61.

Salzburg, bitte rebooten, und schnell wenn's geht!

Warum Red Bull Salzburg nach dem inferioren Auftritt in Dublin so tief in der (Zitat Otto Konrad) "Scheisse" steckt.

Die Nachberichterstattung thematisiert den absurden Realitätsverlust der Verantwortlichen, die den abgelieferten Mist ernsthaft schönquatschen wollen.

Und hier die aktuelle Einschätzung der IFFHS: Österreichs Liga ist die Nr. 39 in Europa, die Nr. 94 weltweit.

Der Trainer des letztjährigen Regionalliga West-Meisters, FC Dornbirn, Armand Benneker (ein Holländer) hat unlängst erzählt, dass er seine Truppe im Mai, als der Aufstieg absehbar bzw kalkulierbar war, quasi parallel zur fertigzuspielenden Saison bereits für die neue vorbereitet hat.

Im Mai. In Dornbirn. In der 3. Liga.

Bennekers Truppe ist aktuell Stockletzter in der 2. Liga, aber sie kann mithalten in der neuen, viel fordernderen Spielklasse.
Und selbst wenn sie das Klassenziel nicht schaffen sollte - der Ansatz ist richtig.
Auch deswegen weil eine hint' und vorn' durch Eigeninteressen verhunzte Meisterschaftsstruktur mit Frühstart im Juli das notwendig macht. Aber auch auf derartige Gegebenheiten muss man sich erst einmal einstellen können.

Hier ein fast grotesk anmutendes Fundstück aus dem angesprochenen Mai des Jahres.

Ein Ausschnitt aus dem Fußball-Journal '09-32 (Matura-Stress) vom 10. Mai des Jahres. Das Kapitel "Problemfall Salzburg":

"Die Mateschitz-Truppe ist personell, infrastrukturell und monetär die weitaus am besten aufgestellte in Österreich.
Warum dieser an sich klare Vorsprung sich immer wieder im Laufe der Saison verliert, egal ob mit Trap oder Co, ist eine der interessantesten Fragen im österreichischen Fußball.

Warum an sich grandiose Kicker die heimische Meisterschaft derart auf die leichte Schulter nehmen und eine an sich klare Überlegenheit durch immer wieder auftauchende Dürftigkeitsanfälle verplempern, ist nicht erklärlich.

Dass inexistente Tradition und eine neoliberale Firmen-Philosophie auch den, der guten Willens ist, innerhalb von wenigen Wochen zum hartherzigen abcashenden Legionär macht, kann nicht die alleinige Ausrede sein - wiewohl derlei zb in der viel stringenter aufgezäumten Formel 1 gar nix ausmacht (im Gegenteil).

Etwas sozial derart Komplexes wie ein (halbwegs erfolgreich durchgeführter) Mannschaftssport (noch dazu einer unter permanenter öffentlicher Beobachtung) ist aber eben nicht innerhalb von ein paar Jahren aus dem Nichts aus dem Boden zu stampfen - vor allem, wenn die begleitenden Maßnahmen so halbherzig durchgeführt werden wie in Salzburg.

Aktuell sieht es so aus, dass die derzeitige Truppe in der Champions League-Quali gegen wohl nur einen gleichwertigen Gegner gewinnen müsste. Mit einer Auswärtsleistsung wie gegen Rapid ist aber natürlich auch gegen Partizan Belgrad oder Legia Warschau kein Staat zu machen.

Deshalb wird der neue Coach, Herr Stevens, auch wieder neu einkaufen, und - wie schon die letzten paar Versuche - mit einer uneingespielten Mannschaft in die beiden wichtigsten Spiele des Jahres gehen.

Warum man sehenden Auges Fehler der Vergangenheit nicht nur wiederholt, sondern institutionalisiert, lässt sich nur noch unter "wird wohl Absichtsein" ablegen."

Nicht prophetisch, nur logisch und folgerichtig.
Leider.

Red Bull Salzburg, die hint' und vorn' mit Geldern vollgestopfte Startruppe der Bundesliga, Meister der obersten Spielklasse, hat dasselbe Problem: Frühstart.
Und das nicht nur in der Meisterschaft, sondern auch - dank des bescheidenen Standings der heimischen Liga und der noch bescheideneren bisherigen Salzburger Vorstellungen - zu einem sehr frühen Zeitpunkt im Europacup.

Die bewusst vergeigte Vorbereitung

Die Frage, die sich da automatisch stellt: hat die mit Vollprofis besetzte Chefetage dieser Salzburger im Mai mit einem Parallell-Betrieb begonnen, wie es selbst den Halbamateuren zwei Klassen drunter in den Sinn kam?
Die Antwort ist traurig: nein, nicht einmal ansatzweise.

Im Mai war Huub Stevens (auch ein Holländer) zwar schon engagiert, aber die praktische Arbeit hatte er noch nicht aufgenommen - die verrichtete weiter der bereits geschasste Co Adriaanse (auch Holländer).

Alles, was neu daherkam (die neuen Spieler, die neue, komplett geänderte Philosophie) wurde erst im Juni (Trainingsstart war am 15. Juni, Trainingslager gabs von 22. Juni bis 1. Juli in Leogang) eingearbeitet, in der extrakurzen Vorbereitungszeit, in die die Spieler unterschiedlich einstiegen, was natürlich völlig unterschiedliche Standards nach sich zieht, die ein neues Coaching-Team erst einmal durchblicken muss.

Am 15. Juli ging die CL-Quali los - Es war also ein Monat Zeit sich einzuarbeiten.

Dass das unmöglich ist, dass das nicht geht, das führt die Ausredencharts aller an. Die von Stevens (müssen uns steigern, haben noch kein Rythmus...), die von Hochhauser, alle.

Wie geht das?

Ein Halbprofi aus der 3. Liga weiß, dass man im Mai beginnen muss um im Juli halbwegs dabei sein zu können.
Und die Superprofis im Sold Mateschitz' wissen es nicht?
Oder - sie wissen es, aber es ist ihnen einfach wurscht?

Wenn, dann eher zweiteres, oder?

Da scheitert der Topklub des Landes, dessen einziges Ziel heuer die Champions-League-Qualifikation ist, fast nach einer wirklich blamablen und peinlichen Leistung an der ersten Hürde - und der zentrale Faktor, der da dagegensteht (die mangelnde Früh-Vorbereitung) wird ausgeblendet? Schlimmer noch: in neoklassischer NLP-Umkehrung als Ausrede benützt!?

Wie wenig kompetent muss das inhaltliche Controlling des Vereins sein um das durchgehen zu lassen!
Oder: gibt es sowas dort nicht?

Wenn, dann eher zweiteres, oder?

Das System Salzburg ist krank, systemisch krank.
Man (die sportliche Leitung) nimmt durch jedes Jahr zu spät angesetzte Vorbereitung, durch dauernde Durchmischung des Personals und fast schon hysterisch zu nennende Philosophie-Wechsel bewußt in Kauf, dass eine uneingesspielte Truppe in die entscheidenden Spiele geschickt wird, und so zwangsläufig scheitern muss (bislang) und sich, den österreichischen Fußball und vor allem auch Red Bull ununterbrochen blamiert.

Red Bull als Opfer

Die Spottgesänge der Dubliner Fans gehört, Mateschitz?
Klar, den Hass aller Gegner in den heimischen Stadien nimmt man gern in Kauf, wenn man Klassenbester ist - aber die frohlockende Verarschung durch Menschen in Märkten, die man eigentlich erobern wollte? Blöde Gschicht.

Salzburgs einzige Chance raus aus dem strukturimmanenten Systemversagen ist der Reboot.
Zurück auf die Werkseinstellung.
Mit den Erfahrungen der ersten Jahre (gelinkt werden am Transfermarkt, hektisch-sinnlose Personalpolitik, kein sinnhaftes Mission Statement) was neues aufbauen.
Modell 1: Ausbildungs-Aufbau, die jungen Kräfte bündeln, und eine Heim-Marke werden, die dann in zwei, drei Jahren wirklich vorne mitspielt. In Österreich, und dann auch international - weil man nicht herzlose Scheiße spielt wie heute abend in Dublin.
Modell 2: wirkliche Investition, Stars, den nächsten Mourinho finden und ihm geben, was man in der Ukraine und Rumänien gibt um anzuschließen.

Die jetzt ein paar Jahre lang gepflogene Mittelmaß-Variante hat versagt und ausgedient. Hau weg den Scheiß und mach was Gscheits!