Erstellt am: 22. 7. 2009 - 20:55 Uhr
The Vienna Fashion Observatory
Wir gehen mit der Zeit und haben Internet. Wir wissen, wie die coolen Leute in Rejkjavik ausschauen. In Brasilia. In Tokio, in Berlin. In London oder Paris. Jeder Stadt ihren Streetstyle Blog. Nur in Österreich hat es das bis jetzt nicht gegeben bzw. sind alle Versuche im Sand verlaufen.

Ein neues Projekt im Wiener Museumsquartier soll das jetzt ändern. Zumindest temporär. The Vienna Fashion Observatory ist Streetstyle-Website und gratis Ausstellung im MQ Freiraum gleichzeitig.
Es fotografieren g'standene Modebloggerinnen aus Österreich genauso wie internationale Stars der Streetstyle Fotografie. Yvan Rodic, Betreiber von Facehunter zum Beispiel oder auch das Duo hinter Stockholm Streetstyle. Und alles wird fein säuberlich auf dem Stadtplan verzeichnet.

Yvan Rodic
In jedem einzelnen Bezirk von Wien soll der Style und auch die Stadt dokumentiert werden, so der Anspruch der Veranstalter. Was bis jetzt wirklich fotografiert wurde ... naja. Die österreichischen TeilnehmerInnen
a. fotografieren sich selbst.
b. stellen alte Fotos von sich aus ihrem Modeblog rein.
c. fotografieren ihre eigenen Freunde, sei es aus Schüchternheit, sei es aus Faulheit, sei's drum.
c. fotografieren abwechselnd Edgar Retro und Daniela Minkendorfer.
d. fotografieren so gut wie nicht außerhalb des Gürtels, der die wohlhabenden von den ärmeren Bezirken trennt.
Woran liegt's? Dazu gleich.

Daniel Troyse
Zur Zeit ist gerade ein Stargast aus Berlin in Wien unterwegs: Mary Scherpe ist sonst mit ihrer Kamera auf Jagd nach dem Stil in Berlin. Sie findet, so viele Unterschiede hinsichtlich Fotoobjekten und deren Reaktionen auf sie gebe es gar nicht zwischen Wien und Berlin. Ich verabrede mich mit ihr dort, wo das Vienna Fashion Observatory bis jetzt noch kein einziges Foto gemacht hat: Wien 20., Brigittenau. Augarten, Kreisverkehr und Milleniumcity. Wir sitzen am Wallensteinplatz und warten auf den Style.
Du wohnst in Berlin, Mary, aber du kennst diesen Bezirk?
Ich hab hier das letzte Mal gewohnt, am Gaußplatz da vorne , am 3-Bezirkseck...oder 4-Bezirkseck? Ich mag den Augarten.
Was erwartest du jetzt vom 20. Bezirk?
(Mit gespielter Empörung.) Sag du's mir! Du hast mich ja jetzt mit hergebracht...
Ich dachte, hier muss doch auch was zu finden sein. Aber bis jetzt ... Ich glaube, der 20. Bezirk ist der Hort der Normalität.
Mary Scherpe wird auch einen Workshop veranstalten. Motto: "Wie mache ich ein gutes Streetstyle-Foto in unter zwei Minuten?", und zwar am Sonntag von 16-18h, rund ums Museumsquartier.
Die Teilnahme kostet nichts, aber Plätze sind nur begrenzt vorhanden. Anmelden kann man sich online auf The Vienna Fashion Observatory.
Das Problem ist: Was man in Streetstyleblogs sehen will, ist nicht das, was man sieht, wenn man aus dem Fenster kuckt. Es gab ja ganz am Anfang dieses Parkbankmotto: Streetstyle bloggen so, als ob man sich in den Park setzen würde. Das ist natürlich nicht so. Weil an dieser Parkbank nur wundervoll angezogene Menschen vorbeiflanieren!
Streetstylebogs sind nie demokratisch, auch nicht fair. Die sind subjektiv, inszeniert, die bilden einen point of view ab, nämlich den des Fotografen und desjenigen, der auswählt. Die wollen auch überhaupt nicht so offen sein, sonst würd ich mich jetzt hier auf den Wallensteinplatz stellen und jede 5. Person, die vorbeikommt, fotografieren. Es ist kein soziologisches Projekt. Man sieht das, was ich in der Stadt gesehen hab und so, wie ich es fotografieren wollte.
Den Begriff der Authentizität würde ich nicht anwenden, das ist ein bisschen so ein Quarkbegriff wie Inspiration oder Impression. Es ist authentisch, weil es das ist, was ich gesehen hab, aber es repräsentiert sicherlich nicht den Durchschnitt von Wien oder ein authentisches Straßenbild von Wien. Ich glaube, das gibts auch nicht und das ist auch vorbei, dass man sich darüber Gedanken macht. Dokumentarfotografie - da glaubt ja eh keiner mehr dran.
Wo warst du bis jetzt unterwegs?
Neubaugasse, die Gumpendorferstraße so ein bisschen, im Stadtpark ... ich bin auch schon bei der Hofburg rumgelaufen, weil ich so eine Mini-Serie zu "Couple Dressing" fotografiert habe, also Leute, die gleich angezogen sind. Das funktioniert besonders gut bei Touristen.
Gibst du den Leuten auch Tipps für eine Pose?
Wenn jemand eine zu krasse Pose macht, dann schon, grad so Jüngere, so unter 20, die haben so Pseudo-Model-Posen drauf ...
Zum Beispiel?
Rehaugen oder die Hand so in die Hüfte, die Schulter nach vorne - aber das ist alles Quatsch, das sieht dann auf dem Bild wie gewollt und nicht gekonnt aus und da sind die dann nicht glücklich damit. Dann sag ich "OK, jetzt atme mal durch" und dann versuchen wirs nochmal. Ausatmen, kurz konzentrieren, an was Schönes denken, in die Kamera schauen, nicht zu sehr anspannen - es tut nicht weh und ich zeig dir das Bild danach auch - dann klappt das schon.