Erstellt am: 23. 7. 2009 - 21:21 Uhr
Free NYC 09
Infos zu Gratis-Veranstaltungen in NYC:
Manchmal behandelt einen diese Stadt steil wie die Eiger Nordwand. Von unten erklimmt es sich mühsam, oben stehen ist schön und weit. Im Sommer aber, wenn Luftfeuchtigkeit und Sonne eine Allianz der gnadenlosen Wonne eingehen, wenn die Klimaanlagen in Midtown künstliche Regenschauer über das Heer der Touristen ausbreiten, die Mister Softee Eiswägen ihre schrecklich süße Propagandamelodie durch die Häuserschluchten jagen und die Kids auf den Straßen Hydranten in sogenannte Johnny Pumps umfunktionieren, ja dann gibt New York seinen Bewohnern und Besuchern etwas zurück, als wolle sich die Stadt dafür bedanken, dass tatsächlich einige Irre die heißen Monate über in ihr ausharren.
Christian Lehner
Dieses etwas lässt sich mit der gebeugten Wortkombination „frei im Freien“ beschreiben, Fast kein Tag im Juli und August ohne free outdoor shows, concerts und festivals.
Möglich macht es die Querschnittmenge aus corporate sponsorship, Umwegrentabilität und Steuermitteln. New York ist eben groß und viel. Da geht einiges.
Das Siren Music Festival in Coney Island, die Pool Parties Serie im East River State Park in Williamsburg, die Summer Stage im Central Park, Celebrate Brooklyn im Prospect Park, die The Beach Reihe auf Governors Island und das River To River Festival in Manhattan sind nur einige Beispiele für kostengünstiges crowd surfing – wobei erwähnt werden muss, dass nicht alle Gigs dieser Serien gratis sind. So please check ahead.
Bevor ich jetzt einen Foto und Textregen von drei ausgesuchten free shows und festivals der letzten Tage über die geneigte Leserschaft niedergehen lasse, sei an dieser Stelle auf die Factbox rechts von diesem Text hingewiesen. Dort findet ihr Links und weiterführende Infos zu: „free and the city“.
1. Man Man @ CityParks Concerts (Manhattan)
Christian Lehner
Man Man, die Indie-Bluespumpm aus Philadelphia, eine der besten Live-Bands des Planeten mit dem trivial tribal benamsten Voodoo-Waits von einem Frontmanm Honus Honus an den Stimmbändern.
Christian Lehner
Auch nicht schlecht: der Rest der vielköpfigen Band ohne Lead-Guitar hört auf Namen wie Jazz Camel, Pow Pow und Chang Wang. Dementsprechend kosmopolitisch der Sound an diesem schwülen Donnerstagabend im East River Park in Manhattan: Honkey ohne Tonk, Jazz, Blues, Grunzen, Graus und Zappa Roll ...
Christian Lehner
... und die ewige Stammestrommel in allen erdenklichen Vari- und Kombinationen. Dargeboten wurde Liedgut aus den drei bisher erschienen Alben, was den Verdacht, bei Man Man handle es sich um eine kurzlebige Novelty-Truppe, aushebeln sollte. Im Gegenteil. die Band weiß extrem scharf und musikalisch auf höchstem Niveau zu überzeugen.
Christian Lehner
So verwandelte sich die im Stile eines antiken griechischen Theaters gehaltene Bandshell im East River Park in ein urbanes Mysterien-Spiel mit Neon-Kriegsbemalung und Neo-Hippie-Orgie, womit die lahmen Woodstock Wiederbeatmungsversuche der Veteranen, die zum 40sten Jahrestag im August mit hypermedialer Gedächtnisarbeit dem Jackson-Hype vorrübergehend das Wasser abgraben werden, von den Hipster-Enkeln bereits jetzt auf den Mond geschossen wurden. Brav.
CityPark Foundation - Eventkalender 09
Siren Music Festival 09
Christian Lehner
Zugegeben: ich war vom diesjährige Lineup nicht so angetan wie vom Siren Bandauflauf 08 - zumindest am Papier. Deshalb (und wegen eines ewigen Akkreditierungsstreites) kletterte ich erst gegen 3 Uhr Nachmittags aus der U-Bahn Endstation 'Stillwell Avenue' in Coney Island zu Brooklyn. Doch der lange, heiße Nachmittag steckte voller kleiner Überraschungen und Offenbarungen. Trotz Schließung des alten Astroland Parks hat die Vergnügungsmeile am natürlichen Hafen von New York nichts von ihrem herben Scharm verloren. Im Gegenteil: jetzt begegnet man dort noch mehr Freaks (dazu ein andermal mehr).
Christian Lehner
"It´s a freak show", meinte auch Raveonettes Garagen-Stimme und Bassfummlerin Sharin Foo. Es hat durchaus auch Vorteile, wenn man gefühlte drei Sets lang unter sengender Sonne am Presseeingang darben muss. Während ich noch immer auf meinen lecker Fotopass warte, ziehen Kollegen samt Band-Beute in Richtung Strand an mir vorüber und ich kriege dann auch so einige Happen Fotos und Gesprächsgaben ab (wuff, wuff!). Das dänische Duo ist erstmals in Coney Island und sichtlich beeindruckt von der Körperparade, die sich über den Boardwalk wälzt, der das Festival/Vergnügnungsparkgelände vom Strand trennt.
Christian Lehner
Überraschung Nummer eins: den Typen, der hier am Boardwalk seine Shades auf Sandspuren prüft, den kennt man doch ... Ist das nicht Frank Black von den Pixies? Ehrlich, ich wusste nicht, dass Black mit seiner Frau Violet Clark (im Bild) neben anderen Soloprojekten die Band Grand Duchy betreibt.
Christian Lehner
Und ehrlich II: Großartiges habe ich da bisher nicht versäumt. Grand Dutchy wirken wie ein unentschlossener und etwas zu aufgeräumter Pixies Ableger minus Dogmenlehre. Ich hoffe nur, dass sich die beiden Protagonisten privat besser verstehen als auf der Bühne. Herr Black jedenfalls erweckte wieder einmal den Eindruck, als ginge ihn das alles nichts an. Solides Set, mehr nicht.
Christian Lehner
Dem Black/Clark Sohnemann hat die Sache jedenfalls sichtlich Spaß gemacht. Ich war nach vier Songs ein Wölkchen.
Christian Lehner
Bereits zuvor trieb das junge Noiserock Duo Japandroids aus Vancouver dem Publikum Hitze und Schweiß in die Hautfalten (im Bild Shouter/Gitarrist Brian King). Emo-Kocher auf Vollgas. Songtitel wie 'Young Hearts Spark Fire' legen das Pensionsantrittsalter mit 21 fest. Schon bei der ersten großen Tour drohte die Invalidenrente oder Schlimmeres. King musste mit einem Magendurchbruch notoperiert werden.
Christian Lehner
Die (Live) Offenbarung des Tages: Thee Oh Sees aus San Francisco mit ihrem durchgeknallten Garagen Rock. Schickes Schwarz? Schwammerlfrisuren mit Sonnenbrille? Coolness Posing? Alles Firlefanz, der dieser Besessenheit auf der Bühne höchstens im Wege stehen würde. The Oh Sees ist West Coast Psychedlic, vorgetragen mit einem forschen Stahlarbeiter Ethos.
Christian Lehner
Frontmann und Bandveteran (u.a. Croachwihps, Pink And Brown) John Dwyer sieht dem TV-Night Talker, Conan O´Brien, nicht unähnlich und hat auch dessen Grimassen recht gut drauf. Allerdings spuckt O`Brien seinen Ärger nicht nach jeder dritten Silbe auf den Boden ...
Christian Lehner
... und eine so eindrucksvolle Gemäldegalerie trägt er wohl auch nicht durch die Museumslandschaft.
Christian Lehner
Es staunen Bart, Nase, Mund und Brille. Und es ist heiß, heiß, heiß.
Christian Lehner
Im Anschluss lassen mich die hochgelobten Future Of The Left und die rührig kultivierte Menschenverachtung von Andy "Falco" Falkous (Bild oben) relativ kalt im Abgleich mit dem entfesselten Irrsinn von Thee Oh Sees. Nichts gegen die Band, aber die mit hochrotem Kopf vorgetragene Strenge verdampfte in der alle Formen aufweichenden Hitze dieses Samstagnachmittags.
Christian Lehner
Nicht anders bei der "lautesten Band New Yorks" (NYT). Auch der white noise von A Place To Bury Strangers ist wohl besser in einer Industrie-Ruine, den dunklen Winkeln eines Clubs oder der Band eigenen DIY Venue Death By Audio aufgehoben als auf einer Strandparty am Meer. Mit deutlich weniger Elektronik als auf Platte, schichteten Oliver Ackermann (im Bild oben) und seine beiden Mitstreiter Jonathan Smith und Jay Space eine Wall Of Sound auf die andere. Doch dieser Krach braucht physischen Widerstand um zu wirken, will gebrochen und zurückgeworfen werden, sich überlagern und durcheinanderfahren. Wenn aber der Himmel das Limit ist, wird aus dem Todessurren bald ein laues Lüfterl - kann aber auch gut sein, dass ich nach jahrelanger D&B Direktzufuhr einfach schon etwas taub bin. Als Kompensat für das Ausbleiben der kalten Höhepunkte musste am Ende eine Stromgitarre ihr Leben lassen. Sie wurde in der Tradition von The Who zu Kleinholz verarbeitet. Oliver Ackermann betreibt übrigens eine kleine Firma, die ebenfalls unter dem Moniker Death By Audio auftritt und maßgefertigte Gitarrenpedale herstellt (u.a. für U2, NIN und My Bloody Valentine).
Christian Lehner
Intermission
Christian Lehner
Am Boardwalk treffe ich - nein, nicht Borat nach seinem Ausstieg beim kasachischen Fernsehen - sondern auf Haggai von Monotonix aus Tel Aviv. Ich habe euch das Rocktrio schon an anderer Stelle vorgestellt. Seit dem ist die Musik nicht unbedingt besser geworden, aber die spielt in der - räusper - körperbetonten Performance von Monotonix ohnehin nur eine untergeordnete Rolle (dazu mehr in einer Folgestory). Die drei haben jedenfalls in den USA momentan ordentlich was los in Sachen Hype. Und so geriet ihr Gig zu einem stürmisch antizipierten, frühen Höhepunkt des Siren Festivals 09. Wie bei jedem Monotonix Auftritt wurden zunächst die Instrumente im Publikum plaziert, was sowohl die VIP-Gäste als auch das Security-Personal nicht wirklich goutierte. Aber VIP Gäste und Security Personal spielen bei Monotonix ohnehin nur eine untergordnete Rolle ...
Auch wenn Haggai auf dem Bild oben etwas knurrig aus der Kette schaut, sind die drei Israelis die nettesten Kerle, die man sich vorstellen kann.
Um 6.30 pm eastern time bezogen Monotonix Stellung. Biblisch teilte Sänger Ami zunächst das Publikumsmeer ...
Christian Lehner
..um sich im Anschluss daran auf Händen treiben zu lassen ...
Christian Lehner
... und am Kamm der Menschenwelle auf einem Board namens Bassdrum zu surfen ...
Christian Lehner
... Yonatan (Gitarre) und Haggai (Schlagzeug) hatten die Wellen vor der Kulisse von Requiem For A Dream auch ganz gut im Griff.
Christian Lehner
Von da an begann sich die Zeitabstimmung zwischen den beiden Bühen auf der West 10th Ave (Main Stage) und der Stillwell Ave (Stillwell Stage) zu verschieben. Monotonix hatten überzogen und die 30 Minuten "Vorsprung" der einen gegenüber der anderen Bühne zunichte gemacht, sodass ich von den Raveonettes nur noch die Schlussnummer zu hören bekam. Ein Schnappschuss ging sich auch noch aus.
Christian Lehner
"Lady Garage" Sharin Foo von den Raveonettes
Christian Lehner
View on the beach
Um 8 Uhr abends dann der Headliner auf der großen Bühne. Die ewig genialen Indie-Hinterwäldler Built To Spill, die seltsamerweise nur selten im Kontext des großen, blinden Genreflecken Post-Rock genannt werden. Ein Kriterium dieser ausufernden Rockismen-Verweigerung Anfang der 90er Jahre war der Stil der Style-Absage, der den Flanell-Grunge dagegen richtig sophisticated erscheinen ließ. So stand mit Built To Spill Frontguru und einziger Bandkonstante, Doug Martsch, der in Sachen Textilienschau vielleicht unauffälligste Typ des ganzen Festivals auf der Bühne - Publikum miteingeschlossen.
Christian Lehner
Gitarrist Brett Nelson (Foto unten) hingegen cool mit Tschik im Mundwinkel, "Free" Tattoo auf den Fingern und Alien Sex Fiend Sticker an der Gitarre. Built To Spill spielten ein großartiges und druckvolles Set, das schlussendlich die Sonne vom Himmel holte und Coney Island in das Dunkel der Nacht tauchte.
Christian Lehner
Schnell noch rüber und einige Augenblicke Booty Bass und Party Freakout mit Spank Rock aus Philadelphia einfangen.
Christian Lehner
Spank Rock hatten die halbe Baltimore Bass Szene auf der Bühne versammelt und Amanda Blanks (Bild unten) aufreizende Performance erhitzte die Gemüter von Publikum und Securities dermaßen, dass es unterhalb der Bühne zu gelgentlichen Fights kam, die jedoch von Naeem Juwan, aka MC Spank Rock, mit zur Mäßigung aufrufenden Shout Outs abgefangen wurden, bevor sie sich zu einem Sommergewitter auswachsen konnten.
Christian Lehner
So ging das Siren 09 ohne weitere Zwischenfälle und mit einem Massenpop(o)wackeln zu Ende. Bujaka Coney!
Christian Lehner
3. Jelly Pool Parties in Williamsburg
Neuer Tag. Noch größere Hitze. Kein Schatten im East River State Park an der Waterfront von W-Burg. Die vielleicht hippste Gratis-Outdoor Veranstaltung des Planeten, die Jelly Pool Parties Serie, ist in diesem Jahr vom McCarren Pool, der saniert und in seine ursprüngliche Schwimmbad-Funktion rücküberführt wird, an das Brooklyn Ufer des East Rivers übersiedelt.
Christian Lehner
Jeden Sonntag trifft sich hier die Ray Ban Imitate tragende Jeunesse des Hipster-Disneylands Williamsburg. Über der Neighborhood sind allerdings schon längst die dunklen Wolken der Immobilien- und Wirtschaftskrise aufgezogen. So schön der Blick auf Manhattan samt Empire State Building und Co. ist, der State Park ist umgeben von zumeist halbfertigen Bobo-Wohnsilos, die in vielen Fällen vorerst vergeblich auf Fertigstellung und Mietauslastung warten.
Christian Lehner
Da traf es sich gut, dass die apokalyptischen Reiter von Crystal Antlers das Eröffnungsset spielten. Die kurzfristig für meine momentanen R&R Favoriten White Denim (*snief*) eingesprungene Psych Rock Truppe aus Long Beach,/Kalifornien, ließ in der Hitze nichts anbrennen und spielte groß auf. Getrübt wurden die transzendenten Freuden einzig durch die Soundanlage, die in Sachen Flammenstärke auf Campingkocher-Niveau eingestellt war.
Christian Lehner
Crystal Antlers Sänger Jonny Bell und das Empire State im Hintergrund.
Christian Lehner
Natürlich muss der auf Distinktion bedachte Dandy die Pool Parties und ihre Trendmeuten annoying finden. Doch im Gegensatz zu good old Vienna, wo es zwei Styler miteinander nicht und nicht in einem Raum aushalten - schließlich darf es immer nur einen oder eine geben - können Tausende Amis der gleichen Neigungsgruppe ganz entspannt miteinander im Park abhängen - was nicht heißt, dass hier kein eitles Schaulaufen (und -Sitzen und -Stehen) stattfindet.
Christian Lehner
Während die Hitze schwer auf dem Set des Neil Young Wiedergängers Jason Molina und seinen Magnolia Electric Co. lastet, treibe ich mit dem Todescountry der Band im Ohr durch den Park. Der Kontrast zwischen dem ausgelassenen Geschehen vor meinen Augen und dem Weltschmerz der Musik führt mich gedanklich zurück auf das eingangs beschriebene Williamsburg Szenario 09. Dann saust der erste Ball vor meiner Nase vorbei.
Christian Lehner
Auch in diesem Jahr haben die Organisatoren wieder einen ...
Christian Lehner
... Dodgeball und ...
Christian Lehner
... Basketball Court ins Festivalgelände integriert. Die Park Rangers standen die ganze Zeit über im abseits und posierten Rangers style.
Christian Lehner
Nach schattenlosen - aber sehr kurzweiligen - fünf Stunden erklommen endlich die Dirty Projectors, der Hauptact des Tages, die Bühne. Sobald DP-Mastermind Dave Longstrength seiner Elektrischen die erste Klänge entlockte, setzte ein Run auf die Bühne ein, der den Stellenwert der Lokalhelden beim Publikum eindrucksvoll untermauerte. Keine Chance auf einen Platz vor der Bühne, also ab ...
Christian Lehner
... zur Rückseite. Mit dem Set der DP erging es mir ähnlich wie beim neuen Album 'Bitte Orca': nach einer sehr intensiven Phasse der Euphorie, stellte sich nach drei/vier Songs dann doch Langweile ein und das Koleraturen-Tischtennis von Amber Coffman und Angel Deradoorian begann mich zu nerven.
Christian Lehner
Trotzdem ein toller Nachmittag und hey - it was a free show!
Danke an alle, die bis hierher durchgehalten haben ... und jetzt ab zum Gratiskonzert in deiner Nähe.
Christian Lehner
Jelly Pool Parties Eventkalender 09 u.a. mit Grizzly Bear, Trail Of Dead, Fiery Furnaces, Girl Talk, Health und Dan Deacon.