Erstellt am: 22. 7. 2009 - 12:00 Uhr
Im Dutzend dreckiger
Das Melt! Festival findet im Osten Deutschlands statt und hat jedes Jahr ein Motto. 2009 war es "The Dirty Dozen". Es gibt durchgehend Programm von Freitag Nachmittag bis Montag Mittag: hauptsächlich DJs und elektronische Acts. Der Sonntag gehört stets einer Headliner-Band - dieses Jahr Oasis.
Das Melt!-Festival ist mittlerweile zwar schon seit gut zwei Tagen vorbei, aber schließlich hab ich auch ein bissi schlafen müssen. Dort war mir nämlich die Zeit dafür zu schade. Warum, erklär ich dir jetzt in 12 Folgen. Wenn dir ein Absatz schon von der Überschrift her ziemlich wurscht ist, kannst du ihn überspringen. Es ist nämlich durchaus unzusammenhängend.
Ladies and Gentlemen, ein Applaus fürs dreckige Dutzend:
1. Das Gelände
Dort, wo jetzt das Melt! Festival stattfindet, war früher einmal ein Bergbaugebiet. Noch heute stehen riesige Dinosaurier aus Eisen herum. Weiße Leinwände sind sicher auch sehr super, aber wenn der/die VJ Visuals auf dreißigmeterhohe Kräne projeziert, oder Matthew Herbert von seinem Pult am Führerstand eines Krans auf die tanzende Menge runterwinkt - da ist mir durchaus das Herz aufgegangen. Aber sieh selbst:
Meltfestival.de / Stephan Flad
2. Klaxons
Stell dir einmal vor, ein Festivalzampano steht vor deiner Tür und sagt: "Mein lieber Freund, meine liebe Freundin. Ich weiß nicht mehr weiter. Bitte sag mir doch, was für Acts ich auf mein schönes Festival buchen sollte."
Ohne einem Degree in Angewandter Esoterik oder einer nicht unbescheidenen Dosis bewusstseinsstimulierender Substanzen wird dir das nicht so ohne weiteres passieren. Umso schöner, wenn der Festivalzampano dein Wunschlineup auch ohne Nachfragen hinbekommt. Ohne Scheiß, mir ist das am Melt passiert. Am Freitag hab ich vor lauter Lieblingsbands überhaupt nicht mehr gewusst, wohin mit mir.
Die Klaxons hab ich mir aber unbedingt geben müssen. Ich war ganz schön aufgeregt. Stell dir einmal vor (einmal geht noch, du schaffst das!), eine Band, die dir sehr viel bedeutet, hat ein neues Album am Start. Wie werden die neuen Songs sein? Stellt sich heraus, dass dich die Band verraten hat? Dass sie statt deinen lieb gewonnenen Liedern nur mehr neumodisches Zeug spielen, mit dem du dich im Extremfall nicht einmal so recht anfreunden kannst?
Alles schwierig, gerade im Fall der Klaxons. Schließlich hätte ihr zweites Album schon erscheinen sollen, die Plattenfirma Polydor soll aber das fertig produzierte Teil der Band zurückgeworfen haben. Zu psychedelisch, zu unpoppig, zu 12-Minuten, zu Pink Floyd. Die neuen Klaxons-Songs sind nicht mehr Mythen vergangener Kulturen auf der Spur, sondern beschäftigen sich neuerdings mit Naturphänomenen und schließen so den Pynchon-Kreis.
Außerdem muss ich mir jetzt dringend ein T-Shirt machen. Die Refrainzeile "The Past Is Just A Guess" aus einem der neuen noch unbetitelten Songs geht wunderbar nicht nur als globaler zeitgeschichtlicher Hilferuf, sondern auch als privates Motto durch: Wenn am nächsten Tag gegen Mittag auf einmal zehn auf Grund von Netzüberlastung furchtbar verspätete SMS eintrudeln, denk ich mir dank Zeilen wie "Um 11 am Crepe-Stand?" und "Crystal Castles = KRIEG" dass der letzte Abend wohl recht funky war.
Stephan Flad
3. Crystal Castles
So was hab ich noch NIE erlebt. Weil ich auch nicht zum Heer wollte. Selber schuld. Muss ich mir halt meine Dosis Schützengraben auf solchen Kulturveranstaltungen holen. Stell dir die Arena-Halle in Wien vor, oder das Rockhouse in Salzburg. Und dass der gesamte, große Zuschauerraum von links vorne bis rechts hinten, ein einziges dicht gedrängtes Moshpit ist. Menschen bellen, beißen, tanzen und zucken im wahrsten Sinn des Wortes komplett aus. Und obwohl die Crystal Castles mit dem selben Song anfangen, wie die Klaxons zuvor (beide haben Atlantis To Interzone im Repertoire), ist das eine ganz andere Qual(ität).
Mit Singen und Musizieren und so hat das nichts mehr zu tun. Ethan zuckt herum und entlockt seinen Gerätschaften die Crystal Castles Blips und Beats und den ganzen Krach halt. Das widerum macht Alice durchaus arbeitslos - was ihr aber Raum dafür gibt, manisch auf der Bühne zu wirbeln. Mal ins Mikro und mal einfach nur so zu brüllen. Mit einem tragbaren Stroboskop die ersten Reihen an den Rand des epileptischen Anfalls zu treiben. Und darüber hinaus.
Die Bühnenansagen beschränken sich auf ein Minimum. Das hörige Publikum nimmt aber jedes von Alice geworfene Stöckerl dankbar an. Als die entrückte Frontfrau ein "We Are Your Friends" am Mikro vorbei nuschelt, gibt die Meute ein lautstarkes "You Never Be Alone Again" zurück. Das alles ohne Entertainerpose oder ausgefeilter Publikumsanimation von der Bühne. So schön kann Punk sein.
Wer sich die Crystal Castles am Stundenplan fürs FM4 Frequency nicht dreifach rot einringelt und mit zehn Rufzeichen versieht, begeht einen schweren Fehler. Auch die Bloc Party hat eine schöne Visitkarte fürs Frequency abgegeben. Sänger Kele ist sehr guter Laune und verschwindet beim Stagediven für einen ganzen Song einfach einmal im Publikum. Von dem lässt er sich auch the german word for dancing buchstabieren. Und inmitten eines anfeuernden T.A.N.Z.E.N. Sprechchors beginnt die Band dann ihr Flux. Ich freu mich auf Sankt Pölten.
Stephan Flad
4. La Roux
Ich war ja jetzt länger unterwegs. Hab in Asien eine mathematische Formel entworfen, die Touristen entlarvt, und unter anderem BMI und IQ in Verbindung setzt. Hab in London gelernt, dass man a) zu Dubstep auch tanzen kann und dass b) Menschen, die das Wort Hype in den zwischen verzogenen Winkeln schmollenden Mund nehmen, einfach nur bloody jealous sind. Ein sehr sympathischer Ansatz, der dir jetzt auch bestimmt einen unverkrampfteren Umgang mit La Roux ermöglicht. Nichts zu danken - gern geschehen.
Der Regen am Melt! Festival hat jedenfalls mittlerweile bedrohliche Ausmaße erreicht, und deswegen ist es sogar im Zelt, in dem Elly Jackson auftritt, rutschig. Die entledigt sich daher ihrer Schuhe, bevor sie in for the kill geht. Ihre roten Haare hat sie zu einer neuen Frisur geformt, die sie am Melt! erstmals präsentiert. Leider kann ich dir kein Bild zeigen, weil mein Akku zu diesem Zeitpunkt schon leer war. Aber es sieht cool aus. Wie so ein Filzhut, der statt eines Gamsbarts einen überdimensionalen Hoxton Fin in der Mitte hat. Das alles aus Haaren! Zu welchen Leistungen die Haarsprayindustrie schon im Stande ist!
Das La Roux Set ist viel liver als ich mir das gedacht hab. Von einem Clubgig in Berlin haben mir meine Melt-Bekanntschaften erzählt, der sie an die Mini-Playback-Schau erinnert hätte. Und obwohl selbst das mich nicht besonders gestört hätte (Singen und Instrumente sind für eine super Show gar nicht nötig, fragt einmal bei den Crystal Castles nach), sind die drei Tourmusiker von Elly eine Bereicherung. Während ich mir während I'm Not Your Toy überlege, was wäre, wenn eine Band den obligatorischen toy-Reim einmal nicht mit boy, sondern auf soy machen würde, sind die Musiker immerhin schöne Projektionsfläche für Sojafantasien.
War übrigens auch fantastisch, das Konzert. Nur, dass da keine Missverständnisse aufkommen.
radio fm4 / arthur einöder
5. Simian Mobile Disco
Weil ich ja zumindest im Ansatz so etwas ähnliches wie einen journalistischen Auftrag zu erfüllen habe, hab ich mir gerade den mittlerweile schon arg in Mitleidenschaft gezogenen Ausdruck von der Running Order vom Melt! aus dem Koffer geangelt. Ach ja, als nächstes waren dann Simian Mobile Disco dran. Und dazwischen hab ich bei Matthew Herbert und Koze getanzt, weil ich zu Gossip nicht mehr reingekommen bin. Was für ein Lineup!
Simian Mobile Disco sind in unseren Breiten nicht häufig zu sehen. Ab und zu gibts wo ein DJ-Set, aber live habe ich die noch nie gesehen. Gesehen hab ich sie am Melt auch nicht wirklich. Bühnenbeleuchtung ist den beiden Jamesen nicht so wichtig.
Wie bedient man eigentlich dieses riesengroße analoge Synthie-Teil auf der Bühne? Ausgesehen hat es exakt wie die Telefonanlage, die Angelina Jolie in "Changeling" bedient, also ziemlich 1930er-Style. Weil ich aber weder glaube, dass Furtwängler schon Synthies hatte, und die Simians wahrscheinlich auch nicht zum Telefonieren aufs Melt gekommen sind, hätte mich ein Blick aufs Equipment schon interessiert.
Zugutehalten muss ich ihnen allerdings ihren Einsatz fürs aktuelle Haydnjahr. Ich vermute jedoch, dass sie in ihren eher rudimentären Griechischkenntnissen Ferropolis (die Stadt aus Eisen) mit Eisenstadt verwechselt haben. Sehr konsequent führen sie Haydns Spirit in der Irreführung des Publikums weiter. Als Simian Mobile Disco das Break in Hustler unendlich in die Länge ziehen, und dann schon die Lichter angehen, glauben wir natürlich - richtig - ans Ende des Konzerts und fangen zu klatschen an. Dann gehts nach einer gefühlten Ewigkeit weiter im Song. Bumm Bumm Bumm Bumm! Komplette Ekstase inklusive.
Ach ja. Zur allgemeinen Erheiterung noch ein Eintrag in die unendliche Liste der misheard lyrics. Wie ich die Inzwischen-leider-nicht-mehr-Nummer-eins der FM4-Charts zum ersten Mal gehört hab, war ich überzeugt, sie würde On Acid They Are Huge gehen. In Wahrheit heißt das Teil Audacity Of Huge. Reingefallen.
Dann öffnen sich endgültig sämtliche Schleusen. Die Hauptbühne wird geschlossen, weil der Sturm ungeheure Wassermassen auf die Bühne peitscht. Moderat ersatzlos gestrichen. Alle stürmen ins Zelt, das für so viele Menschen nicht geeignet ist. Nach Stromaussetzern wird das Azzido da Bass Set unterbrochen. Party over. Am nächsten Nachmittag solls weitergehen. Auwei. Nix mit 24 Stunden Party. Als ich erfahre, was sich zeitgleich in der Slowakei abgespielt hat, denke ich mir gut so.
Meltfestival.de / Stephan Flad
6. Animal Collective
Zu Jochen Distelmeyers Solo-Ambitionen ist ohnehin bereits vieles gesagt, Filthy Dukes waren cool und zu The Whitest Boy Alive kann ich nicht viel Berufenes sagen. Dafür hab ich einen bemerkenswerten Dokumentarfilm gesehen: Favela On Blast, der Film von Diplo über (Baile) Funk in Rio. Deize Tigrona, DJ Marlboro, Sandrinho und viele mehr hat er besucht und porträtiert. Dass Deize Tigrona leider ihren Melt!-Auftritt mit Daniel Haaksman absagen musste, hilft nicht besonders weiter, eindrucksvoll sind die Bilder und die Geschichten die Diplos ProtagonistInnen erzählen allemal.
Der Weg vom so genannten Revolutionspalast (wo das Filmscreening war) zur Hauptbühne mit Animal Collective ist vielleicht nicht weit, hat mich dann aber doch in ein komplett neues Universum gebracht.
Warum gehen Ameisen nicht in die Kirche? Weil sie inSekten sind.
Den Insektenschwarm geben auch Panda Bear und seine Gefolgsmänner. Wie ein Gewitter kommen sie über das Melt! Festival. Bühne und Equipment haben sie in weiße Laken gehüllt und rundherum rauscht und zirpt und flattert es. Animal Collective haben live ihre Liebe zum Dub erforscht. Viel Hall, viel Echo, viel Atmosphäre. Kein einziges Wort ist zu verstehen: die Ameisen sind heute auf Halluzinogenen, oder singen in Fantasiesprachen oder sind ganz einfach nur in Trance. Letzteres gilt auf jeden Fall fürs Publikum, das die eher statisch agierenden Insekten vor einer in grellen Farben schimmernden LED-Leinwand (oder wie sowas halt heißt) sieht.
radio fm4 / arthur einöder
7. Fever Ray
So sind sie, die Schweden. Hauptsache Möbel. Tourst du noch, oder lebst du schon?, hat sich Karin Dreijer Andersson gefragt, und sich kurzerhand ein Dutzend Wohnzimmer-Stehlampen auf die Bühne gestellt, die wie von Geisterhand ein- und ausgeschalten werden. Viel zu sehen ist sonst nicht auf der Bühne, die wie auch schon bei den Simianbuben finster bleibt. In bester The Knife Tradition spielt Fever Ray mit Realität, Fiktion und Illusion. Wir sehen gar nichts.
Links an den Bongos steht eine zwölfjährige Inderin mit Pippi-Langstrumpf-Zöpfen. Da in der Mitte, neben der Sängerin, spielt ein schwarzer Kranich ein prähistorisches Instrument. Und ganz rechts hat Marge Simpson eine Baseballmütze auf dem Kopf und spielt Klavier.
Nicht nur aufgrund der schwedischen Bühnendeko ist die so genannte Gemini Stage gegenüber dem Auftritt der Crystal Castles nicht wiederzuerkennen. Publikum, Musik und Laser schaffen einen Raum, der mit einer Konzertbühne nur entfernt zu tun hat. Das hier ist eine Raumkapsel auf Erkundungsfahrt. Vieles ist unklar, aber staunen lässt es sich sehr schön. Erst am Schluss, bei When I Grow Up wird das Licht heller. Karin zeigt ihr Gesicht. Irgendwie ein beeindruckender Moment. Schade nur, dass scheinbar weder Marge Simpson noch schwarze Kraniche auf der Bühne sind.
radio fm4 / arthur einöder
8. Buraka Som Sistema
Dann spielen Bloc Party und anschließend will ich eigentlich zu Diplo ans andere Ende des Festivals. Das habe ich leider nur fünf Minuten später wieder vergessen. Weil da waren SIE:
Buraka Som Sistema sind ein Irrsinn. Den angolanischen Kudurosound schließen sie mit unerhörten Bässen und lustiger Partymusik kurz. Der Erkenntnisgewinn ist enorm: auf der Bühne tanzen sie zu einer mörderischen Benni Benassi Bearbeitung Samba. Thunderstruck geht auch auf Portugiesisch total super. Und schon ein einziger Takt Rhythm Is A Dancer reicht aus, um eine ganze Bühne abheben zu lassen. Irgendwann geben die Buben und das Mädchen aus Lissabon dann das Signal zur Stage Invasion und was sich dann auf der Bühne abspielt, hat mit einer Festivalsituation, wie wir sie so kennen, überhaupt nichts mehr zu tun.
Weil eigentlich find ich das immer ein bissi deppert. Da stehen dann zwei, drei, vier, fünfzehn Leute aus dem Publikum halb steif und halb betreten herum, und wissen nicht wohin mit den Händen. Was die Partycrowd am Melt! bei Buraka Som Sistema da aber zusammenbringt, hätte auch kein Tänzerensemble aus Luanda besser geschafft. Hot.
Stimmung, Partyfaktor, Musik, die Leute rundherum: genauso geht ein Festival!
radio fm4 / arthur einöder
9. Digitalism
Bislang bin ich immer nur in den Genuss eines Digitalism-DJ-Sets geraten. Was für ein Versäumnis! Das Liveset der Hamburger besticht nämlich vor allem durch den Gesang von Jens Mölle.
Die Vocals im Studio für die Tracks so hinzubiegen, dass es nach etwas klingt, beherrschen die Digitalisms ja ganz wunderbar. Jens kann aber leider weder Englisch noch singen. Aber er bemüht sich sichtlich. Unermüdlich läuft er zwischen seinem Computer rechts und dem Mikro in der Mitte hin und her. Zuerst schraubt er dort an den Beats (oder checkt sein Facebook oder was weiß ich), dann nimmt er den Weg in die Mitte auf sich. Wie ein Schulbub bei der großen Aufführung (mit Eltern!) stellt er sich dann vor die Audience und sprechsingt brav ins Mikro.
Schön ist das, weil die uneinordenbare Stimmlage und der deutsche Akzent mich so sehr an Nico erinnern, dass mir beim Gedanken, Nico würde beispielsweise die Vocals zu Pogo singen, fast die Tränen in die Augen schießen. Langsam geht hinter der Bühne die Sonne auf, und immer noch ist das Areal vor der Hauptbühne richtig schön voll. Zu den zig Bearbeitungen der insgesamt gerade einmal zwei Hand voll Digitalism-Hits in den Morgen zu tanzen, inmitten dieser Kulisse, das kann - muss ich sagen - echt ALLES.
Fast schade, dass danach auf der Hauptbühne für ein paar Stunden die Regler unten bleiben, und es dann im Zelt weitergeht. Die beiden DJs, die dort gegen sechs Uhr Früh ihren Dienst beginnen, haben einen Riesenspaß bei der Arbeit, zeigen sich CD-Covers, pfuschen dem anderen ins DJ- und Reglerdrehhandwerk, und drängeln sich mit ihrer neuen Platte noch schnell mal in die Nummer des anderen hinein. Lustiges Pingpong, so übermütig, dass auch mal ein Übergang komplett in die Hose geht, worüber die beiden DJs dann herzhaft lachen und einander mitunter auch auslachen.
Ihre Namen: Boys Noize und Erol Alkan. Viel zu schade, dass gegen acht Uhr morgens der Spaß schon wieder vorbei ist.
radio fm4 / arthur einöder
10. Passion Pit
Passion Pit haben in den vergangenen Monaten alles richtig gemacht. Sänger Michael hat für seine Freundin Songs aufgenommen, um sich dafür zu entschuldigen, dass er kein besonders guter Boyfriend ist. Mittlerweile laufen die Tracks mit der romantisch-kitschigen Synthie-Fläche und den exaltierten, aber voll konträren Lyrics auf Abspielgeräten auf der ganzen Welt. Die Musikjournaille überschlägt sich in Lobeshymnen und für Michael, Jeff, Ian, Ayed und Nate hat es sich gut getroffen, dass das Studium endlich fertig war. Schließlich gibt es einen Planeten zu betouren.
Und das Gelernte einmal zu überprüfen. Jeff Apruzzese, Bassist von Passion Pit, erzählt mir nämlich vor dem Konzert, dass er seinen Abschluss in music business gemacht hat. Über das, worüber er auf der Uni gelernt hat, kann er nur lachen. Totally outdated, findet er, der mit seiner Band innerhalb von wenigen Monaten via Blogs die Musikwelt erobert hat. Dass er noch vor 10 Monaten (viel länger gibts Passion Pit als Band noch gar nicht) keinen Gedanken daran verschwendet hat, in Europa Festivals zu spielen. Seine Bands vorher sind aus dem Bostoner Univiertel nie herausgekommen. An eine Karriere als Musiker hat er nie gedacht.
Und während im Backstagezelt am Melt! business as usual herrscht, sich schlecht gelaunte Plattenfirmenmenschen "Ich hasse Festivals" zuraunen und sich über das Wetter beklagen, blödeln Ayed und Ian herum, freuen sich über den Regenbogen und geben mir für eine kurze Zeit das Gefühl, es touren nicht bloß notorisch gelangweilte Bands durch die Festivals dieser Welt.
Live verkörpert Sänger Michael genau das, was Brandon Flowers von den Killers seit Jahren nicht schafft: eine exaltierte Bühnenshow, die das Publikum mitreißt und die eigene Freude zum Ausdruck bringt. Dazu braucht er kein Glitzerjacket und keine Glamourschminke und kein aufgesetztes Gestikulieren. Ihm reicht seine Band, die sich benimmt wie der Cast von Superbad. Ein Traum!
11. Oasis
waren auch da.
Stephan Flad
12. Das Publikum
Ich war noch nie vorher ganz allein auf einem großen Festival. Aber schließlich trifft man ja einen Haufen netter Menschen. Christin, die Bookingagentin und Olga, die kanadische Künstlerin, die in Berlin studiert, sind vielleicht noch irgendwie vorherzusehen. Aber die Anwältin Tatjana, Maximilian, der Die-Hard-Vashti-Bunyan-Fan und Julian, der Fußballtrainer aus Rumänien, sind dann doch recht unerwartete Bekanntschaften, für die ich dem Melt!-Festival höchst dankbar bin. Supergrüße!
Und liebe Wiener, die ihr mir vor vielen Wochen via VK geschrieben habt: ich hab eure Nachricht versehentlich gelöscht. Tut mir ur ur leid! Aber ich hoffe, ihr habt ein schönes Festival gehabt.
BONUS
Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. Ich hab ein schönes Video gedreht, das recht kurz ist. So fühl ich mich gerade: