Erstellt am: 21. 7. 2009 - 11:32 Uhr
"Es geht ums Interview"
Das Interview ist meine liebste Form des Journalismus. Vielleicht, weil es auch geschrieben sehr nahe an die Unmittelbarkeit eines direkten Gespräches herankommt und nicht erst mit dramaturgischen Schnörkeln der Autorin bzw. des Autors aufgeputzt werden muss, die beim Lesen oft die Sicht auf das Markante versperren.

Robert Glashüttner
Immer wieder beobachte ich mich dabei, wie ich Artikel zu Themen, die mich weniger interessieren, auslasse - außer es handelt sich um ein Interview. Denn selbst dann, wenn man mit einer Sache nicht gut vertraut ist, stellt sich während des Lesens oder Hörens eines dazugehörigen Gesprächs schnell ein Gefühl für das Wesentliche ein.
Das GALORE Magazin war für mich insofern immer eine Chance auf Blicke über den eigenen Tellerrand, hin zu Themen, die mich kaum bis gar nicht interessieren, im Kontext des Interviews aber für spannende und aufschlussreiche Momente sorgen können. Ob Fussballkommentator, Profi-Skater oder Country-Sänger - GALORE stellt nie das Thema, sondern immer den Menschen dahinter in den Mittelpunkt.
Umzug ins Web
Es ist bestimmt kein Zufall, dass in der allerletzten gedruckten Ausgabe von GALORE ein Interview mit dem Journalisten Gay Talese zu finden ist. Darin geht es um genau um jene Tugenden, denen sich das ungewöhnliche, deutsche Interview-Magazin selbst verschrieben hat, als es Ende 2003 an den Start ging (Martin Blumenau hat damals darüber geschrieben). Ausschließlich ums Interview soll es gehen, und gefragt soll werden, was nicht auf der Hand liegt und nicht schon viele Male davor ausgetreten und damit belanglos wurde. Es soll, wie Talese sagt, zur "Peripherie des Objektes" vorgedrungen, die klassische, per se unnatürliche Interview-Situation aufgebrochen werden. Das Ziel: Kein Frage-Antwort-Stakkato sondern ein Gespräch, das Raum fürs Erzählen von Geschichten und dem Ergründen von Empfindungen lässt.
Doch wie bei vielen ambitionierten Ideen ist auch das Projekt GALORE in seiner ursprünglichen Form nach fünfeinhalb Jahren an einem Ende angelangt. Das Printprodukt, von Anfang an ein Nischentitel, hat die durch die Wirtschaftskrise gebeutelten Anzeigenkunden in den jüngsten Monaten immer mehr zögern lassen, so dass mit der Ausgabe Juni/Juli 2009 nun rechtzeitig ein Schlusspunkt gesetzt wurde. Rechzeitig deshalb, weil der Verlag und die Redaktion dank dieser klaren Entscheidung einen gut durchdachten Fortführungsplan entwickeln konnte: Den Wechsel von Print zu Web.

galore.de
Print ist tot?
Schon seit drei Jahren sind die Verkaufszahlen von gedruckten Zeitungen und Magazinen mit wenigen Ausnahmen am absteigenden Ast, und Rettung ist keine in Sicht. Die Anzeigenlandschaft im Web ist weiterhin durchwachsen und die Leserschaft im Netz gewohnt, für Content nichts zu bezahlen. Wie also im Fall von GALORE die Marke fortführen?

Sascha Krüger
Die Lösung des Herausgebers und des Teams lautet: Arme ausbreiten und einen Versuch wagen. So sind seit Anfang Juli nahezu alle Interviews aus der GALORE-Geschichte vollständig auf Galore.de frei verfügbar, und das noch dazu auf einem besonders stilsicheren und aufgeräumten Interface. Darauf wird von Montag bis Freitag auch jeweils ein neues Gespräch publiziert. Es geht darum, puristisch zu sein, wie der neue Chefredakteur Sascha Krüger im Gespräch mit fm4.ORF.at sagt:
"Es geht ums Interview, ums Interview, ums Interview. Wir haben bewusst auf das Multimedia-Gebimmel verzichtet, das alle glauben haben zu müssen heutzutage."
Nicht bloß eine Übergangslösung
Finanziert wird das neue GALORE durch Werbebanner und langfristige Kooperationen. "Firmen, die mit dem Magazin ideologisch eng verbunden sind und Präsentatoren, die sich in diesem Umfeld wohl fühlen", so Krüger. Keine Autorin und kein Autor aus dem Printobjekt sind beim Medienwechsel verloren gegangen und das ehemalige Stigma eines Web-Magazins im Vergleich zur gedruckten Zeitschrift ist 2009 auch weitgehend verschwunden.
Galore.de soll keine Durststrecke werden, bis wieder genügend Mittel für einen neuen Print-Relaunch da sind. Vielmehr wird gut überlegt, was der nächste Schritt in der neuen Heimat sein soll. Wider der weit verbreiteten Meinung, dass niemand für Web-Inhalte zahlen würde, bekommt die GALORE Redaktion derzeit jede Menge Zuschriften, dass man für Qualitätsjournalismus dieser Ausformung sehr wohl bereit wäre, Geld auszugeben. Dennoch, der aktuelle Modus wird wohl noch einige Monate weiter bestehen. Künftig kann sich Sascha Krüger auch ein Spendenmodell à la Wikipedia vorstellen. Er und sein Team wissen, dass durch guten Content im Netz vieles möglich ist. Und in Bezug auf Ausrichtung, Blattlinie und Qualität hatte die GALORE ja noch nie ein Problem.