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Claudia Unterweger

Moderiert FM4 Connected und FM4 Homebase.

20. 7. 2009 - 19:09

Will i mohr?

Ein heimischer Eishersteller wirbt mit alten rassistischen Stereotypen für den eisgekühlten "Mohr im Hemd".

von Claus Pirschner und Claudia Unterweger

Das N*-Wort
Um den Begriff mit all den verknüpften Bildern und Ideen nicht wieder festzuschreiben, wird in der emanzipatorischen Sprachpraxis und auch in der schwarzen Community das N*-Wort nicht mehr verwendet.

  • Die weitere Diskussion:

Sprache und Sensibilität
Zur "I will mohr!"-Diskussion: Wie steht es um das Bewusstsein von Sprache und der Verwendung von diskriminierenden Begriffen in Österreich? Zum Nachhören.

Martin Blumenau im Journal vom 23.7.
Über das ertappte Staunen derer, die das Prinzip der Herabwürdigung so verinnerlicht haben, dass ihnen jede Kritik daran zum Vorwurf an sich selber gefriert. Und: wie sie damit nicht umgehen können - am Beispiel der aktuellen "Will i mohr?"-Debatte.

Produktnamen mit rassistischen Untertönen sind in Österreich keine Seltenheit. Es ist noch nicht so lange her, da gab es in der Süßwarenabteilung dunkle Nussschokolade unter der Bezeichnung "N*brot" zu kaufen und im Gasthaus ums Eck wurde das dunkle Bier als "N*bier" serviert. Nach massiven Protesten ist das Wort in den meisten Lebensmittelgeschäften Geschichte.

Nach wie vor salonfähig allerdings ist das Stereotyp des "Mohren": als Firmenlogo etwa oder als Bezeichnung für den Schokokuchen mit Glasur in der Konditorei. Jetzt auch in einer eisgekühlten Neuauflage: Die Eismarke Eskimo plakatiert "I will Mohr" und bietet Cremissimo jetzt in der Variation "Mohr im Hemd" an. Sieht man bei Eskimo da keine rassistische Diskriminierung? Nein. Karin Höfferer, die Pressesprecherin der Eismarke, reagiert auf Anfrage von FM4 so: "Wir haben deshalb Mohr im Hemd als Name gewählt, weil es in Österreich eine sehr gängige Speisenbezeichnung ist und in den Speisekarten fast aller Cafehäuser eigentlich diese berühmte Nachspeise zu finden ist. Unser Eis ist dem nachempfunden und deshalb haben wir es so benannt."

eskimo-werbeplakat

eskimo

Begriffsgeschichte
Der Begriff Mohr stammt aus dem Mittelalter und gemeint waren Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe und ihrer Religion als "andersartig" wahrgenommen wurden.
Danach zu Kolonialismuszeiten hat man schwarze Menschen als N* und auch als Mohren bezeichnet und als Objekte behandelt. Versklavte afrikanische Kinder wurden auch nach Österreich verschleppt und sie waren infolge als exotisch ausstaffierte Dienstboten ("Hofmohren") an österreichischen Adelshöfen keine Seltenheit.

Tradition und Rassismus

Simon Inou, von M Media, dem Verein zur Förderung interkultureller Medienarbeit, ist schockiert, dass Rassismus in Österreich immer frecher und öffentlicher dargestellt werde: "Solche Wörter sind für Schwarze im deutschsprachigen Raum eine der schwersten Beleidigungen. Wenn sie das einfach plakatieren, das wiederholt die Stereotype, die innerhalb der Gesellschaft schon präsent sind. Das ist wirklich schade." Es sei beschämend, dass Eskimo so eine Kampagne startet, ohne mit Betroffenen vorher darüber zu diskutieren.

Die Pressesprecherin von Eskimo hält die Kampagne dennoch für unbedenklich: "Wir haben ja auch andere Produkte wie die Schwarzwälder Kirsch oder a la Apfelstrudel oder Tiramisu, die wir nach gängigen Mehlspeisen so genannt haben. Durch unsere Abtestungen der Marktforschung war es uns einfach wichtig herauszufinden, was die Österreicher mit Mohr im Hemd assoziieren und das ist eine sehr gute traditionelle Nachspeise und auf keinen Fall etwas Rassistisches." Simon Inou appelliert an Eskimo, die Kampagne einzustellen, sich öffentlich zu entschuldigen und eine Kampagne, die Schwarze realistisch repräsentiert, zu unterstützen. Bei Eskimo nehme man, laut Pressesprecherin, den Aufschrei aus der Black Community ernst, die Kampagne bleibe aber affichiert.

Alternativen

Dass man den Mohr im Hemd auch als Schokokuchen mit Schagobers bezeichnen kann, zeigen Aktionen , wo gezielt Speisekarten mit dem neutralerer Produktbezeichnung überklebt werden. Trotzdem bleibt man bei Eskimo bei dem Namen, weil "unser Konsument", so die Konzernsprecherin," würde es nicht erkennen, würde es anders heißen." In der Black Community überlegt man nun Protestaktionen.

Die schwarze Community kämpft seit über einem Jahrzehnt dafür, dass diskriminierende Namen von Straßen, Speisen oder anderem umbenannt werden. In Deutschland wurden Straßen mit kolonialem Bezug, beispielsweise in Berlin Kreuzberg, mit neuen Namen versehen. Als vor zwei Jahren mit der Kampagne "Mein Julius" gegen das Logo des Meinl-Konzerns protestiert worden ist, wurde der Vorwurf der rassistischen Diskriminierung zurückgewiesen.

meinjulius.at

Noah Sow, die deutsche Moderatorin, Autorin und Black Community Aktivistin, trifft es wohl deutlich: "Wir sind mit den vielfältigsten Rassismen aufgewachsen: Wir spielten im Kindergarten "Wer hat Angst vorm schwarzen Mann", sangen "Zehn kleine Negerlein" und finden es normal, dass uns im Schuhgeschäft ein schwarzer Diener aus Porzellan begrüßt. Wenn wir gefragt werden, sind wir natürlich gegen Rassismus. Rassismus zu bekämpfen heißt jedoch, ihn zunächst zu verstehen. Dazu müssen wir lieb gewonnene Vorstellungen und "Gewissheiten" hinterfragen."

Update, 24. Juli 2009

Mittlerweile ist das Thema beim österreichischen Werberat gelandet, bei dem jeder, der sich von einer Werbung "belästigt, verletzt oder irregeführt fühlt", eine Beschwerde einbringen kann. Gegen die Eskimo Werbung zu "Mohr im Hemd" liegen derzeit ebenfalls Beschwerden vor, der Werberat ermittelt. Auch die Pressesprecherin des Eisherstellers hat sich jetzt zu Wort gemeldet. Das Werbesujet zum Schokoeeis ist von der Website des Herstellers entfernt worden und intern wird über eine Lösung des Problems nachgedacht. Wir bleiben an der Geschichte dran und bringen Anfang nächster Woche Updates dazu.