Erstellt am: 20. 7. 2009 - 16:12 Uhr
Journal '09: 20.7.
Die Mondlandung auf FM4:
Roland Gratzer aus der Generation Austromir sagt: alles 40 Jahre zu früh!
Moonstruck - Markus Keuschnigg zum Mond im Film.
Der Ombudsmann würde gerne zum Mond fliegen und auch die Science Busters machen sich ihre Gedanken.
Und natürlich ist auch Monochroms Johannes Grenzfurthner vorort.
Alexandra Augustin präsentiert "Small Screen Stories" im Zeichen des Mondes
"Schauts, Kinder, dort oben krabbeln die jetzt herum!" sagt der Papa und deutet auf einen zwar sehr blasskäsigen, aber irgendwie doch sehr fetten Mond am Nachthimmel. Vielleicht kommt er mir so groß vor, weil er jetzt gerade so wichtig ist, vielleicht hat es aber auch mit dem klaren Himmel und dem Meer zu tun, dass er so besonders leuchtet.
Ich bin in einem Land, das es nicht mehr gibt und schaue hinauf, zum Mond. In diesem Land ist ein Strand und dort gibt es viele Felsen zum Herumkraxeln. Später sehe ich, dass die Astronauten dort oben am Mond lange nicht so lässige Felsen hatten, ja und Wasser sowieso keines.
Während sie oben herumhüpfen, sehe ich nichts von ihnen. Nicht in echt, und nicht via TV. In unserem Bungalow gibt es keinen Fernseher, und selbst wenn es möglich gewesen wäre, sich einen zu besorgen, hätte der Papa das verweigert. Im Urlaub auch noch in die blöde Glotzkiste reinschauen, nein danke.
Es gibt kleine verwackelte Fernsehkisten, Modell Partizan, wie der Papa spottet, an den Ständen, wo wir uns unser Eis kaufen mit dem Geld, das die Mama uns dafür gibt. Aber die an sich schon rauschigen, sehr wackeligen und enorm schwarz-weißen Bilder, sind auf diesen Apparaten noch wackliger, noch verrauschter und noch schwarz-weißer.
Außerdem hält sich die Aufregung in Grenzen, in dem Land, das es nicht mehr gibt. Das hat damit zu tun, dass man dort blockfrei wäre, sagt der Papa, also neutral.
Knacks-Rausch-Krächz
Irgendwie hat die Mama den Urlaub gebucht, bevor die NASA ihren Zeitplan für die Mondlandung veröffentlicht hatte. Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht hatte der Papa nur im Juli freibekommen, und auf ein schulpflichtiges Kind (mich, meine Schwester kam erst ein paar Wochen nach der Mondlandung zu ihrem Schul-Debut) musste ja auch Rücksicht genommen werden.
Meine Eltern waren von der historischen Stunde merklich beseelt, aber die Wichtigkeit dass sie jetzt vor dem Bildschirm kleben müssten, hatte das Ereignis nicht. Wohl aber auch, weil die damaligen Übertragungen zwar viel Wissenschaft, aber auch kaum herzeigbare Ereignisse bot. Bis auf den Start war da nichts live. Die Landung selber war, ebenso wie die Wasserung im Pazifik, nicht live, sondern verzögert zu sehen - so weit war die Übertragungstechnik damals noch nicht.
Die Spannung der Übertragungen beschränkte sich auf das Belauschen der Funksprüche, die aber zum einen rauschig-knacksig-krächzend waren und zum anderen in einer mir nicht verständlichen Sprache stattfanden.
Dass das Englisch, besser: amerikanisch, war, wurde mir erst recht spät bewusst.
Ich war von der umfassenden, mit vielen Fotos und Grafiken versehenen Berichterstattung in den Zeitschriften durchaus angetan, war aber nicht ganz in der Lage dem Geschehen wirklich zu folgen. Dazu war die Info-Lage zu flach - die Artikel im Spiegel und im Stern verstand ich noch nicht wirklich, und klärende deppensichere mediale Spielwiesen gab es einfach nicht.
Virgil, Ed, Roger, Laika, Yuri, German
So hatte ich nach dem Zeitschriften-Studium der der Geschichte der Apollo-Flüge beschlossen, dass Virgil Grissom ein Russe, Ed White ein Amerikaner und Roger Chaffee ein Inder ist. Die tragische Geschichte von Apollo 1 hat mich offenbar nachhaltig beeindruckt.
Ich weiß noch, wie wenig Verständnis ich für die Wahrheit hatte, die mir der Papa dann erklärte. Es war mir einfach unbegreiflich, dass ein Ereignis wie dieses, das erste Raustasten in eine fremde Welt, kein menschheitsübergreifendes, sondern ein simples nationalstaatliches Projekt sein könnte.
Und, nein, das hatte nichts mit dem Einfluss von Raumschiff Enterprise zu tun - die Serie kam erst in den 70ern in den deutschsprachigen Raum. Und, nein, ich hab als Volksschüler auch keine klassische SF-Literatur gelesen, in der das Übernationale auch der Standard ist.
Der Papa erzählte dann was vom Wettlauf zwischen Russen und Amerikanern, der parallel zu anderen Wettbewerben stattfinde, einem Wettrüsten etwa, das die Existenz der Welt bedrohe, und anderen Schwachsinnigkeiten mehr.
Nicht übersehen: das allererste Lebewesen im All, Laika, war weiblich.
Und ich konnte die Geschichten von Laika, Yuri Gagarin und German Titow die Mercury- und die Gemini-Flüge, das Apollo 1-Desaster und die dann sich immer dichter dem Mond annähernden Apollo-Flüge langsam einordnen.
Zuvor war das in meinem Kopf alles als Menschheits-Programm passiert, langsam sickerte aber die Realität einer in Einfluss-Hemisphären geteilten Welt ein.
Kein Menschheits-Programm
Wo denn der Mondflug der Russen bliebe, fragte ich den Papa. Die sind gescheitert, sagte er und erzählte von geheimgehaltenen Unfällen, wilder als der der Apollo 1, die sie in diesem Wettlauf entscheidend zurückgeworfen haben. Wieso sie denn aufgegeben hätten, fragte ich, und dann erklärte der Papa, dass bei diesem Duell ein zweiter Platz nichts zählen würde. Die Russen hätten sich jetzt dafür entschieden eine Raumstation zu installieren, so als kleine Droh-Gebärde.
Irgendwie ging es also gar nicht drum zum Mond zu kommen. Nicht wirklich. Komisch.
Immerhin, nur drei Jahre nach der Mondlandung unterzeichneten Amis und Russen einen Vertrag über gemeinsame Projekte. Geht doch. Auch wenn da die Spannung aus der ganzen Raumfahrerei schon wieder draußen war. Die hatte ihren Höhepunkt eh mit Apollo 13 (Houston... Problem...) 1970: da klappte die Live-Übertragungs-Spannung dann wirklich; es war die Mutter des Reality-TV.
Davon war im Juli 1969 nichts zu spüren, in dem Land, das es nicht mehr gibt. Dort hätte man eigentlich zur russischen Einfluss-Sphäre gehört, erzählte der Papa, aber der Chef, ein cleverer Ex-Partisan, würde die beiden Blöcke extrem geschickt gegeneinander ausspielen. Er hätte sogar eine Liga der blockfreien Staaten gegründet.
Der Papa spöttelte zwar ein wenig über die spürbare Rückständigkeit des Landes und die Unverfrorenheit dieses Kurses, hatte aber dann auch was über für die freche Widerständigkeit in dieser sonst so zweigeteilten Welt.
Kind im Mond
Österreich, sagte ich, ist doch aber auch neutral, also blockfrei, oder? Da lächelte der Papa und holte ein wenig aus, um den Unterschied zwischen Neutralität als Geschäftsmodell (Schweiz), Neutralität als Idee hinter einer sozialstaatlichen Modell (Schweden), Blockfreiheit als widerständischem Akt eines ehemaligen Bündnis-Partners (Jugoslawien) und Neutralität aus Bequemlichkeit (Österreich) klarzumachen.
Ohne den Mond, hab ich später gelernt, würde die Erde aus ihrer Achse kippen und alles Leben auf ihr sofort beendet sein. Er ist also ganz schön wichtig.
Mir hat er auch eine ganze Menge beigebracht in diesem Juli unter dem Himmel des Landes, das es nicht mehr gibt.