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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

18. 7. 2009 - 19:13

Journal '09: 18.7.

Eingesprungener Doppel-Philipp oder: Zwei Manifeste aus der Medien- und Musik-Welt featuring Trent Reznor und Matthew Robson, dem Akzeptieren von free Music und dem Ende von MySpace.

Der Doppel-Philipp ist schnell erklärt: Ein Philipp, der L'Heritier'sche, hat mich auf eine der direkten und brachialen schriftlichen Äußerungen, die Trent Reznor auf seiner Website unter seine Fans bringt, aufmerksam gemacht. Ein anderer Phlip, Journal-Leser, hat mich, quasi aus Revanche-Gründen hiefür, mit ein paar ihm interessant erscheinenden Links versorgt, von denen einer zu einer ebenso brachialen Nicht-Studie geführt hat.
Und da kreuzen sich dann die Aussagen.

Die eine stammt aus einer Art Erlebnisaufsatz-Aufzählung, mit der Stanley Morgan einen Praktikanten, Matthew Robson, 15, beauftragt hatte. Er sollte seinen Medien-Konsum und den seines Umfelds aufschreiben.
Und Matthew tut das, unverblümt.
Nicht dass hier etwas Neues zu entdecken wäre - aber ein 15jähriger lässt, auch wenn es ein Auftrag der Erwachsenenwelt ist, deren Beschönigungen weg.

Matthew Robson, 15

Englands hochgerechneter Teenager liest keine Zeitung (außer den Gratis-blättern), hört kaum Radio (hört Musik über Streaming-Sites, dem next big thing), sieht selektiv fern (Fußball, Serien), spielt auf Konsolen und erledigt alles übers Netz. Er/sie facebookt (Twitter ist was für die Oldies), schätzt virales Marketing, hasst Pop-Ups, geht ins Kino oder sieht den Film via Piraten-DVD oder semilegalem Download.
Alles mit Touchscreen ist geil, Handies brauchen viel Kapazität für Musik und Internet-Zugang. Kabel, Batterien, Schwarz-Weiß, vergiss es...

Musik wird immer und nebenbei gehört, praktisch immer illegal runtergeladen, Matthew kennt niemanden, der je eine CD gekauft hätte. Es gibt den Wunsch nach einer Hard Copy des Musikstücks, das man dann auf die transportablen Devices übertragen kann. 79p pro Song ist zu teuer.

Der Tiiping Point naht

Eberhard Lauth vom Web-Mag Zib2, der in seinem Blog die Stanley-Morgan-Studien thematisiert und damit den Philip auf die Spur gebracht hat, erwähnt den Begriff des "Tipping Point", den, an dem die bisherige Struktur der Medien/Unterhaltungs-Industrie über Nacht zerbröselt.

Dass dies noch passieren wird, ehe die Matthew Robsons dieser Welt 25 sind, also in weniger als zehn Jahren, darf als fix angenommen werden.

Trent Reznor, der ja nicht nur ein nach vorne spielender Musiker und Riskant ist, sondern auch ein Nachdenker und Reinsager vor dem Herrn, spricht in seinem letzten Website-Posting, seinem Manifest zum Thema „Was tun als Newcomer?“ alles an, was in dieser neuen Medien-Welt zu betrachten wäre. Reznor ist alte Schule, deswegen sind in seinem Report entschuldigende Worte wie „it sucks, but…“ zu finden, die einem 15jährigen mangels Kenntnis der alten Strukturen gar nicht über die Lippen kommen könnten. Aber: Wozu auch?

Trent Reznor, 9-inch Nagel

Reznors Anleitung ist unterThe Manifesto: My Thoughts on What To Do As A New/Unknown Artist... by Trent Reznor anzusteuern und lesenswert.

Wer ein Sucker “for mainstream super-success” wäre, ist bei den Majors auch weiterhin gut aufgehoben, sagt er. „Good luck with that one.”

Und dann fährt er los: “Forget thinking you are going to make any real money from record sales. Make your record cheaply (but great) and GIVE IT AWAY. As an artist you want as many people as possible to hear your work. Word of mouth is the only true marketing that matters. … Give your music away as high-quality DRM-free MP3s. Collect people’s email info in exchange (which means having the infrastructure to do so) and start building your database of potential customers. Then, offer a variety of premium packages for sale and make them limited editions / scarce goods. Base the price and amount available on what you think you can sell. Make the packages special – make them by hand, sign them, make them unique, make them something YOU would want to have as a fan. Make a premium download available that includes high-resolution versions (for sale at a reasonable price) and include the download as something immediately available with any physical purchase. Sell T-shirts. Sell buttons, posters… whatever.”

“Have a realistic idea of what you can expect to make from these and budget your recording appropriately. The point is this: Music IS free whether you want to believe that or not. Every piece of music you can think of is available free right now a click away. This is a fact – it sucks as the musician BUT THAT‘S THE WAY IT IS (for now). So have the public get what they want FROM YOU instead of a torrent site.”

Music is free, MySpace ist am Ende

Dann erklärt Reznor MySpace für tot:
„Have your MySpace page, but get a site outside MySpace – it’s dying and reads as cheap / generic. Remove all Flash from your website. Remove all stupid intros and load-times. MAKE IT SIMPLE TO NAVIGATE AND EASY TO FIND AND HEAR MUSIC (but don’t autoplay). Constantly update your site with content – pictures, blogs, whatever. Give people a reason to return to your site all the time. Put up a bulletin board and start a community. Engage your fans (with caution!). Make cheap videos. Film yourself talking. Play shows. Make interesting things. Get a Twitter account. Be interesting. Be real. Submit your music to blogs that may be interested. NEVER CHASE TRENDS. Utilize the multitude of tools available to you for very little cost of any – Flickr / YouTube / Vimeo / SoundCloud / Twitter etc.”

Wenn du nicht weißt, wie das alles mit den neuen Medien funktioniert, dann vergiss es, sagt Reznor: “If you don’t know anything about new media or how people communicate these days, none of this will work. The role of an independent musician these days requires a mastery of first hand use of these tools. If you don’t get it – find someone who does to do this for you.”

Wenn Reznor recht hat, dann bedeutet das letztlich, das sich die Rolle des Kreativen, des Künstlers komplett wandeln wird müssen. Und da beginnen dann die wirklich interessanten Überlegungen erst wirklich.