Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Mediaspreee - Wem gehört die Stadt?"

Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

19. 7. 2009 - 10:11

Mediaspreee - Wem gehört die Stadt?

Ein bunter Haufen Partypeople protestiert mit Wodkarutsche und Trockeneis gegen ein geplantes Baugroßvorhaben.

Vor genau einem Jahr haben in Berlin 87 % der Kreuzberg- Friedrichshainer Bürger in einem Bürgerentscheid gegen "Mediaspree" gestimmt, ein Baugroßvorhaben, das am Spreeufer Medienfirmen, Hotels und Bürotürme ansiedeln will - genau da wo jetzt Clubs, Strandbars und andere Projekte residieren. Der Volksentscheid ist für die Politik nicht bindend, deshalb feiert die Bar 25 ihren letzten Sommer an der Spree, deshalb sind der Yaam-Club, der Oststrand und der Club "Maria am Ufer" durch "Mediaspree" bedroht. Der Berliner Senat, der sich doch sonst gerne mit dem Image der kreativen, sexy Ausgehmetropole Berlin schmückt, hat wenig übrig für den Wildwuchs am Wasser.

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Deshalb wurde am letzten Samstag zur Demo namens "Megaspree" gerufen, an der alle bedrohten Clubs, Strandbars, Gentrificationopfer - insgesamt 60 verschiedene Gruppen - teilnahmen. Dieser recht hedonistische Aufzug wird wohl als "Demo der Verpeilten" in die Berliner Protestgeschichte eingehen. In einem großen Happening zottelte auf verschiedenen Routen ein bunter Haufen Partypeople hinter den geschmückten und beschallten Wagen her. Die Bar 25 hatte eine Wodkarutsche gebaut und Trockeneis am Start. Es war ein großes Hallo überall, Küsschen hier und da, viele hatten wohl schon eine lange Ausgehnacht plus After Hour hinter sich.

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Hier in motion zu sehen

Der modische Dresscode bewegte sich zwischen "Zirkus" und Piratenlook: Bunte Kostümjacken, Flitter, Glitter, Hula-Hoop- Reifen, Engelsflügel, Krönchen. Das alles so tollpatschig-freundlich und mit der Restverstrahlung des "Tages danach", dass selbst das Anti-Konflikt-Team der Polizei nicht wußte, wohin mit sich.

Und so trottete und tanzte man ein bisschen mit und freute sich an der Musik, sang mit Madness "Our House". Und nie hat "You Got To Fight For Your Right To Party!" besser gepasst als auf der Megaspree-Demo. Kein schwarzer Block, keine Hasskappen, keine Slogans, die skandiert wurden. Nur auf dem Wagen des ebenfalls bedrohten So-36 wurde ab und an eine Forderungsliste per Megaphon durchgegeben:

  • Ein sofortiges Ende der Privatisierung des öffentlichen Raums!
  • Spreeufer für alle! Keine Verdrängung der Club- und Kulturszene!
  • Bezahlbaren Wohn- und Lebensraum für alle.

Dann lief wieder Superpunk und The Clash. Sympathischerweise fehlte dem "Sternmarsch" jede Demodisziplin, nur langsam ging es voran.

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Nach vier Stunden hatte man grade mal drei km zurückgelegt, als die beiden Züge sich hinter der Jannowitzbrücke treffen und vereinigen sollten, konnte man sich nicht so recht für's Reißverschlussverfahren entscheiden, und so blieben einfach alle etwa 6000 Spaßaktivisten erst einmal stundenlang stehen und tanzten. Irgendwie sinnlos, aber lustig war's wie eine kleine Loverparade in ihren unschuldigen, gänzlich unkommerziellen Anfangstagen.