Erstellt am: 16. 7. 2009 - 14:33 Uhr
Hormone und Hokuspokus
DP: Christian, wie war es denn in London beim großen Harry Potter-Pressezirkus? Du warst ja für FM4 dort?
CF: Ich hatte ja beinahe ein schlechtes Gewissen, als ich da letzte Woche vor dem Podium gesessen bin und diesen jungen Damen und Herren so nahe war, die von so vielen Menschen angebetet werden. Und ich hab schon ein einigermaßen distanziertes Verhältnis zum kleinen bebrillten Zauberer und seiner Welt. Aber es ist ein Verhältnis, das von Freundlichkeit und Respekt geprägt ist, als Kinder-Phänomen und Fantasy-Franchise finde ich das ganze ziemlich sympathisch mittlerweile.
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DP: Aber richtiger Harry Potter-Fan bist du noch nicht geworden? Es ist ja eine Tradition, dass Leute zu Beginn, egal ob es um die literarische Vorlage oder die Filme geht, Harry Potter immer skeptisch gegenüberstehen. Wenn Sie sich allerdings auf das Phänomen einlassen, sind sie meist bekehrt?
CF: Also bekehrt wäre wirklich übertrieben. Ich gestehe, auf die Gefahr hin jetzt von Fans verhext zu werden, ich kenne keine einzige Zeile aus den Büchern. Aber ich hab mal mit Verspätung begonnen, aus rein popkulturellem Interesse, die Filme anzuschauen und beim dritten Teil bin ich dann schon reingekippt. Wobei "Harry Potter and the Prisoner of Azkaban" auch allgemein als der düsterste, erwachsenste und ambitionierteste Film der Reihe gilt.
DP: Apropos düster - bedient sich "Harry Potter and the Half-Blood Prince" nicht sogar noch mehr klassischer Horrorfilmästhetiken?
CF: Also an den dritten Teil kommt er diesbezüglich nicht ran. Aber es hängt schon eine Art dunkler Grundstimmung über dem neuen Film. Dieser Teil der Saga ist ja eine Vorbereitung auf den großen gruselige Showdown, es ist ein Auftakt zum Ende, eine Art Zwischenfilm, den wohl eher die eingefleischten Fans wirklich goutieren werden. Das ist so wie bei einer Fernsehserie, wenn alles auf das Season Finale hinsteuert. Das wird dann allerdings erst 2010 und 2011 stattfinden, in einem epischen Zweiteiler.
DP: Nun wissen wir bereits aus den Büchern, dass die Harry Potter-Reihe kontinuierlich härter und erwachsener wird. Und auch die zwischenmenschlichen Beziehungen werden immer spannender.
CF: Das ist ein Pluspunkt des neuen Films, stimmt. Es gibt für einen Sommer-Blockbuster erstaunlich wenig Action-Rambazamba, was zählt sind die Charaktere und ihre emotionale Entwicklung. Eine richtig Old School-Kinderbuch-Angelegenheit und kein verfilmtes Playstation-Game. Auf der anderen Seite ist für alle Nicht-Zauberlehrlinge unter den Zuschauer das alles auch ein wenig zäh und langatmig.
DP: Ist der neue Potter-Film auch sexy?
CF: Also die Darsteller haben beim Interview in London gemeint: Im Vergleich zu jeder normalen Oberstufen-Schule geht es in "Harry Potter & der Halbblut-Prinz" natürlich extrem keusch zu. Und da haben sie recht. Es ist weiterhin ein Abenteuer für die lieben Kleinen. Aber Harry Potter bewegt sich jetzt ein bissl in die Richtung der großen Konkurrenzfranchise "Twilight", hab ich das Gefühl. Es wird getuschelt und Händchen gehalten, Küsse werden verstohlen ausgetauscht. Die Darsteller haben aber gleich gemeint, am Set selber ging es weiterhin ganz brav und gesittet zu. Nicht mal Kaffee haben sie getrunken, geschweige denn Alkohol.
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DP: Also alles nicht ganz so Sex, Drugs & Rock'n'Roll-mäßig, wie es der Regisseur David Yates im Vorfeld noch angekündigt hatte?
CF: Na ja, den Rock'n'Roll hört der erklärte Indierockfan Daniel Radcliffe oft und gerne zu Hause. Und es gibt ja tatsächlich einige Drogenmetaphern in dem Film. Aber wie Radcliffe im Interview sagte: diese Anspielungen sind so vorsichtig eingebaut, das nur bestimmte Erwachsene dabei auf falsche Gedanken kommen. Ich zum Beispiel.
DP: Man hat den Eindruck als würden sich die jungen Protagonisten ähnlich entwickeln wie ihre Vorlagen aus den Büchern. Du hast sie leibhaftig gesehen. Ist dem so?
CF: Prinzipiell war mein Eindruck sehr positiv. Vor allem im Vergleich zu diversen Jung-Amerikanern aus dem Disney-Umfeld, die ja allesamt verstrahlt und verkorkst wirken, strahlen die Potter-Darsteller etwas total britisch Bodenständiges aus. Aber was du da sagst, kann ich lustigerweise absolut bestätigen. Seit beinahe zehn Jahren stecken Daniel Radcliffe, Emma Watson und Rubert Grint jetzt in dem Potter-Universum drin. Und Grint wirkt tatsächlich wie eine Mischung aus dem höchst unbefangenen Ron Weasley und einem Britpopper, der hat so einen Kifferblick drauf, als ob er auf einem Zaubertrunk hängengeblieben wäre. Radcliffe ist ein ziemlich manischer Typ und trotzdem voller Ironie, der schauspielerisch sicher noch überraschen wird. Und Watson sagt selber, sie ist Hermione durch und durch. Sie freut sich derzeit aufs Lernen in einer US-Uni, wo sie sich eingeschrieben hat. Zitat: "Oh, i'm so geeky and boring, sorry, but I love reading and science".
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DP: Was hatte Emma Watson an?
CF: Na ja, in ihrem ziemlich schicken glitzernden Designer-Kleidchen hob sie sich zumindest visuell sehr vom grauen Mäuschen Hermione ab. Die Frau Watson hat ja einen starken Draht zur Modeszene, sie modelt für Firmen wie Burberry, das ist ihr großes Hobby. Filmpläne hat sie nach Harry Potter keine, meinte sie.
DP: Du hast die Bücher ja nicht gelesen. Glaubst du ist Prof. Snape gut oder böse?
CF: Ich war nach dem Ende des neuen Films sehr verwirrt. Weil der Snape schaut schon immer sehr böse aus, so ein Trent Reznor im Pensionsalter. Und ich hab dann etwas extrem Böses gemacht, was ich sonst niemals tue. Ich ließ mir von einem Journalistenkollegen das Ende spoilen, zumindest weite Strecken. Ein Wahnsinn eigentlich. Jetzt weiß ich auf diese Frage eine Antwort, behalte sie aber natürlich für mich.
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DP: In Guantanamo sind die Harry Potter-Bücher die beliebtesten Romane aus der Gefängnisbibliothek. Wann wirst du sie endlich lesen?
CF: Also, ich habe ja viele infantile Vorlieben und Neigungen, zum Teufel, in meinem Schlafzimmer wimmelt es vor Actionfiguren und unglaublich kindischem Horrorspielzeugkram. Trotzdem habe ich das Gefühl für Harry Potter bin ich zu alt. Ich würde sagen, schauen ... wir ... mal.