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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

15. 7. 2009 - 15:00

Fußball-Journal '09-57.

Über eine kleine Notlüge und warum sie überdecken soll, dass der Aufsteiger in die Bundesliga bereits feststeht.

Erst kommt das Fressen, dann die Moral, sagt Brecht und hat recht. Immer. Leider.

Die gestern abend gestartete Meisterschafts-Saison der 1. Liga, also der zweiten Leistungsstufe des Landes, kam im Vorfeld überaus sympathisch daher, was auf die weitgehende Abwesenheit von Großmannssucht und die Konzentration aufs Wesentliche, nämlich die fußballerische Aus- und Fortbildung zurückzuführen ist. Die in fast durchwegs sehr ländlicher Umgebung stattfindenden Spiele (das Tivoli bildet da die einzige Ausnahme) haben auch keine andere Chance, als so vorzugehen, ohne in die Provinzler-Falle zu tappen.

Und so ließ sich die erste Runde auch durchaus fesch an, die Vienna und vor allem Dornbirn (Mujic, Joppi!) fügten sich gut ein, die Lustenauer Vereine zeigten sich erstarkt, St.Pölten dockt ans Vorjahr an, Wacker und vor allem Altach sind auch in der zurückgefahrenen Variante konkurrenzfähig. Bei Altach äußert sich das vor allem im drastischen Abbau von Mittelmaß-Legionären, deren Überflüssigkeit sich da einigermaßen deutlich beweisen ließ.

Selbst die Admira schloß an den Auftakt von voir einem Jahr an: Wieder großer Favorit - wieder Probleme.

Admira steigt auf. Da fährt die Eisenbahn drüber.

Trotzdem stehen sie als Aufsteiger fest.
Da können der Ausrichter (Bundesliga) und der hauptsächliche Medienpartner (Sky) noch so viel von Titelkampf-Spannung herbeireden - das Kapitel ist erledigt, abgehakt, zu vergessen.

Es hätte mir eigentlich schon letzten Donnerstag auffallen müssen. Da, bei der Präsentation der Erstliga-Saison, wurde alles, wirklich alles sehr offen angesprochen. Nur einmal, ganz kurz, waren die Verantwortliche am Podium etwas kurz angebunden, und froh, als es schnell wieder um anderes ging.
Die an sie gerichtete Frage war, ob man Kenntnis davon habe, dass sich, wie schon im Vorjahr, ein oder gar mehr als ein Verein nicht an die Durchführungsbestimmungen halten würden.
Im Vorjahr hatte nämlich der spätere Meister Magna Wr. Neustadt einen schönen Krapfen auf diese als Gentlemen's Agreement bezeichneten Regeln geschissen und sich so einen Vorteil verschafft.
Und für heuer hatte, dem Vernehmen nach, die Buschtrommeln wußten da im Vorfeld was zu erzählen, der unterlegene Duell-Konkurrent, die Admira, eine ähnliche Vorgangsweise angedroht.
Deshalb auch die Frage an den Liga-Vorstand, meine Frage, um genau zu sein.

Durchführungsbestimmungen? Eher schon wurscht, was?

Die Regel, das ist Paragraf 10 in den aktuellen Durchführungsbestimmungen, und der heißt "Förderungsrichtlinien der zweithöchsten Spielklasse der BL". Dabei geht es um Knete, um Teile der TV-Gelder und Gelder aus dem sogenannten Österreicher-Topf.
Das Knödel wird auf alle Vereine verteilt, die zwei Regeln beachten.
Erstens: 13 der 16 Spieler, die am Blankett aufscheinen, müssen Österreicher oder Spieler sein, die beim Verein ausgebildet wurden.
Zweitens: 4 der 16 Akteure müssen für die U21 selektionierbar sein (zzt. ist das der Stichtag 1.1.88), einer davon muss in der Starformation stehen.

Sich daran zu halten, schaffen die 1.Liga-Mannschaften, auch wenn sie jammern, recht problemlos. Diese Regel verhindert eine Verfettung der Liga durch mittelprächtige Legionäre und garantiert Frischblutzufuhr.

Verstöße passieren selten. Und wenn, dann unabsichtlich, wenn sich ein Verein irrt, wie das zuletzt dem FC Lustenau mit Pavao Pervan passiert ist.

Nun verstieß zum gestrigen Saisonstart ein Teilnehmer bewusst dagegen. Admira Wacker stellte nur 3 statt der 4 geforderten Jungen auf - obwohl sich das auch problemlos ausgegangen wäre. Man setzte da, ganz bewusst, ein Zeichen.

Trenkwalder sucht den 7-Mille-Jackpot

Und Admira-Zampano, der Oberboss Richard Trenkwalder, rechnete vor: Man verzichtet auf 200.000 Euro Fördergeld, um den 7-Millionen-Jackpot (also den Aufstieg) zu gewinnen.
Und das ist bereits budgetär kalkuliert. Trenkwalder spricht von 1,5 Mio. Euro an Einsparungen, die man im Vorfeld der Saison getroffen hatte.

Nun macht es natürlich keinen entscheidenden Unterschied, ob ein Martin Pusic (12-87) oder ein Christoph Mattes (02-88) die Normen erfüllt - hier geht es um den symbolischen Akt, um die Pose, um die Drohgebärde.
Denn wer die Jugendregel nicht anerkennt, der braucht sich dann auch nicht um die Ausländer-Regel zu kümmern und kann, wenn Ledezma zurückkommt, alle 4 einsetzen oder im Winter nachrüsten.

Die Admira hat ganz deutlich und in vollem Bewusstsein der Konsequenzen, fast ein wenig provokativ, gezeigt, dass ihr jedes Mittel recht ist, um die Liga zu gewinnen und aufzusteigen. Punkt.

Das alles ist im übrigen legitim.

Finde ich.
Denn: Erst kommt das Fressen, dann die Moral.
Mein Einwand ist auch kein moralischer und er betrifft auch nicht die Admira.

Weil sich im Forum wieder die üblichen Betonköpfe einfinden, die mit dem HInweis "Geht nicht! EU-Recht!" Denkverbot einfordern, hier zwei weiterführende Hinweise.

1) Wird gehen. Wie schon in der Doping-Frage wird sich auch in diesem Konflikt die FIFA durchsetzen, die sich für mächtiger als die EU hält und es auf ihre Art auch ist. An Blatters 6+5-Plan (oder den nachgeschobenen Kompromissen) führt kein Wegs vorbei.

2) Geht auch jetzt schon. Gefragt ist halt Kreativität. Weniger Begabte gehen es wie ein Innenminister an und spielen die Ausländer-Regel über die Trennung zwischen EU und Nicht-EU, ganz wie am, Flughafen.
Gewitztere schleifen ihre Regulative über diverse Altersbeschränkungen ein. Und die ganz Schlauen nehmen die Begriff des "im Verein Ausgebildeten" her, und setzen da Quoten fest, die nicht nationalstaatlich funktionieren, aber den Kern des Problems, den wildwuchenden Zukauf, der nur Konsulenten, korrupte Funktionäre und Coaches bereichert, hintanhält, und den selbstausgebildeten Nachwuchs, ohne auf den Paß zu schauen, forcfiert.
Salzburg etwa wird auch heuer wieder von UEFA-Regeln dieser Art gezwungen auf einige Ausländer seines Meisterschafts-Kader zu verzichten um ihn für die CL-Quali mit Nachwuchs aufzufüllen.

Der Fantasie sind da also keine Grenzen gesetzt.

Schuld an dieser Ungleichgewichtung einer Liga, an dieser Verzerrung des Wettbewerbs ist der Ausrichter, dessen windelweiche Regeln so wenig wert sind, dass sie gebeugt und gedreht werden können, wie es den Auslegern in den Kram passt.

Wer sein Regulativ auf ein Gentlemen's Agreement stützt, kann vielleicht in dessen Heimat drauf bauen - dass es hierzulande nicht geht, ist allerallerspätestens seit dem legendären Bruch ähnlicher Regeln durch den bekennenden Nicht-Gentleman Hannes Kartnig klar.
Es wird sich, zumal in Österreich, vor allem im Hausherren-Funktionärs-Sport Fußball, immer einer finden, der es bricht.

Solange die Liga diese Kann-Bestimmungen mit einem Anreiz-System so auslegt, dass es einer Mehrheit der guten Menschen bedarf, die sich dran halten, kann sie's vergessen.
Weil die Liga aber leider nicht die traute und auch nicht die personelle oder finanzielle Unabhängigkeit hat, ein halbgares "Kann, Soll" in ein dezidiertes "Muss" umzuwandeln, wird sie sich der kleinen Notlügen befleißigen müssen. Wie die der Antwort auf meine Frage.

Die Angst vor der Muss-Bestimmung

Jeder hatte im Vorfeld von der Regelbruch-Absicht der Admira gehört. Das zu verneinen, war also entweder geschwindelt oder hatte damit zu tun, dass die Liga-Verantwortlichen sich immer dann, wenn es in einem Gespräch aufs Thema kam, bewusst die Ohren fest zuhielten, um nicht lügen zu müssen.
Beides ist ein bisserl peinlich.
Und überflüssig.
Auch mit einem solch unangenehmen Thema kann man offensiv umgehen.

Verloren hat bei dieser ersten Runde aber nicht nur die Vogel-Strauß-Liga-Führung, die sich in der Geiselhaft der Big Player befindet, sondern auch das gesamte 1.Liga-Feld. Bis auf die Admira sind nämlich alle auf die sechsstelligen Beträge angewiesen, um ihre Budgets zu stopfen - deswegen kann keiner ausbrechen. Und Trenkwalder hat seine "Ich steig auf, wurscht wie!"-Duftmarke gesetzt.

Über das andere Opfer, das um eine ernsthafte Spannung betrogene Publikum, möchte ich nicht weiter sprechen. Das wird sich in seiner Mehrheit - und auch das ist legitim, um nicht zu veröden - von den willfährigen Medienpartnern der Liga gern sonstwas einreden lassen.

Ein PS zur Bundesliga

Dort ist das nämlich ähnlich: Paragraf 11 regelt dort die Förderungen. Und schau an, auch an dieses Agreement hält sich - seit Jahren - zumindest einer genau gar nicht. Red Bull Salzburg hat manchmal 6 Österreicher am Blankett, immerhin - die Regel sieht aber eigentlich den umgekehrten Fall vor.
Aber gut, an diese Wettbewerbsverzerrung, mit der sich Mateschitz aus der Liga der Gentlemen rausnimmt, hat man sich bereits gewöhnt.