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Natalie Brunner

Appetite for distraction. Moderiert La Boum de Luxe und mehr.

14. 7. 2009 - 15:36

Hart an der Schmerzgrenze

Die bitter-süßen Dramen von La Roux grenzen an kitsch-triefende Gebrauchsmusik und doch kann man sich ihnen nicht ganz entziehen.

Depeche Mode, The Human League, Eurythmics - das sind Bands, deren Einflüsse man hört, sobald La Roux in Aktion treten. Aber auch zeitgenössische, französsiche Popelektronik hat das brtitische Duo beinflusst. "Ich wollte nicht, dass das Album durch und durch british klingt", erzählt die Frau mit roten Haartolle, die die Welt als La Roux kennt. "Meine Oma hat lange in Frankreich gelebt und die Zeit, die ich bei ihr verbracht habe, hat mich sehr geprägt."

la roux

Die Frau, die wir zur Zeit in jedem Mode-, Musik- und Lifestyle-Magazin sehen, hat eine Stimme wie eine 12-jährige und singt bittere Weisheiten über das Scheitern und die Grausamkeiten der Liebe: Monsters of Love werden auf uns losgelassen.

Was oft übersehen wird: La Roux ist eine Band, bestehend aus der 21-jährigen Sängerin Elly Jackson und dem Producer Ben Langmaid, der es Ende der 90er Jahre bereits als Produzent von House versucht hat.

Herr Langmaid hält sich derart im Hintergund, dass alle Aufmerksamkeit auf die androgyne Schönheit von Frau Jackson fokussiert und auch die Songs, die Geschichten von La Roux, werden mit ihr in der Hauptrolle imaginiert. Es sind traurige Geschichten einer katastrophalen Beziehung, die Elly Jackson nicht loslassen will, ein ewiges On/Off, unendliches Brutzeln im Fegefeuer. Viel Drama, Schmerz und Bitterkeit und natürlich auch Pathos für Menschen Anfang Zwanzig.

Die elf Nummern auf dem selbstbetitelten Debütalbum erzählen vom ewigen Hin und Her. "In for the Kill" ist
das Disaster, in das sie sich wissend, was auf sie zukommt, Hals über Kopf stürzt. "Bulletbroof" ist der Schrei nach der kugelsicheren Weste, damit das Herz nicht schon wieder von dem gleichen Typen in hundertausend Stücke zerbrochen wird. In "Quicksand" geht es um den emotionalen Treibsand, der einen mehr und mehr hinabzieht, bis jegliche Perspektive aus dem Blickfeld verschwunden ist. Und damit hätte man die Highlights des Albums auch schon gehört. Viel mehr Variationen gibt es inhaltlich und musikalisch nicht.

la roux

La Roux sind hart an der Grenze zur kitschtriefenden Gebrauchsmusik. Ich kann mir schon vorstellen, dass ich sie hassen werde, wenn ich grade versuche, im Konsumbabylon mit den zwei Buchstaben neue Socken zu kaufen und Elly mir ins Ohr leidet.

Auf "Armour Love" gleitet La Roux schon derat in Eurythmics-Nähe, das mir schon fast das böse Wort "Plagiat" über die Lippen rutschen möchte, und "Fascination" überschreitet meine Kitschtoleranzschwelle, die ja sehr hoch liegt.

Aber zur richtigen Zeit und am richtigen Ort kann man sich der Faszination nicht entziehen. Vor allem Remixe von Musikern wie dem Dub Stepper Scream oder den britschen Techno/Nurave Produzenten Autokratz verhelfen den La Roux Songs zu entschlackter Schönheit.

Elly Jackson suhlt sich aber nicht nur im pathetischen Schmerz, sie ist eine Getriebene, das hört man in ihren Texten, und man merkt es auch, wenn man sie abseits der Bühne sieht. In Interviews fällt sie sich selbst ins Wort, beginnt Sätzte neu, versucht das was sie sagen will, während sie spricht ständig neu zu formulieren. Auf der Bühne tritt uns eine ganz andere Elly Jackson gegenüber, da ist in ihren Element: Souverän bis zur Frostgrenze.

Ich habe La Roux in Barcelona bei der Sonar gesehen, sie spielten dort auf Einladung der BBC. Unglaubliche Dinge spielten sich ab, als die Band am Nachmittag die Bühne betrat. Das plötzlich nur mehr aus Britinnen bestehende Publikum schien das Album, das zu diesen Zeitpunkt noch nicht erschienen war, auswendig zu kennen. Die Mädchen rauften sich bei den besonders dramatischen Parts die Haare und auch die Herren begannen plötzlich mit Minnie-Mouse-Stimme "In for the Kill" mitzusingen. Er muss ziemliche Kraft haben, der klebrig süße Malström, den La Roux entfachen.