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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

11. 7. 2009 - 18:57

Fußball-Journal '09-55.

Red Bull Salzburg und das Ende von Irrglauben an den Glamour-Faktor.

"RB Salzburg. Der Meister. Womöglich aber nicht der Herbst/Wintermeister.
Wenn sich Mateschitz‘ Spielzeug endlich, im xten Anlauf in das Projekt Champions League verbeißt, dann könnte die Liga-Performance drunter leiden. Und die Chance für einen CL-Auftritt ist durch die von Platinis UEFA entworfene Neu-Konzeption der europäischen Bewerbe so groß wie nie zuvor. Da ist meiner Einschätzung nach sogar der wieder zutiefst unvorsichtige Komplett-Austausch von Philosophie (im Wechsel des offensiven Co zum kontrollierten Huub) und die überflüssige Durchmischung des Spielermaterials kein Hinderungsgrund.
Dass die Neu-ankömmlinge im Hangar 7 nominell eher nur gebrauchte Flieger sind, hängt wohl mit der Krise und/oder Sparkurs zusammen. Ich sehe auch die Abgänge von Bodnar und (optional) Mahop, Vonlanthen und (sehr optional) Janko nicht kompensiert.
Das ist ungewohnt und überraschend, aber nicht zwingend schlecht (schließlich schadet es nichts, einmal mit einer Mehrzahl der Vorjahrs-Spieler in die Saison zu gehen) – siehe auch die neuen Liga-Politik bei Magna."

Das, was der Vorhersage-Wastl der ÖON da über die bevorstehende Saison des Meisters Salzburg orakeln musste (der Text steht nebenan), ehe er das gestrige Testspiel gegen Bayern München gesehen hatte, sagt zwar dass zumindest mittelfristig kein Weg am nationalen Vorzeige-Projekt von Red Bull (wie weite vorne der aktuelle Markenwert des Konzerns ist, wäre hier nachzulesen) vorbeiführen wird, hat aber einen Unterton.
Und der ist, das stell ich erst jetzt, im Nachhinein fest, ist nicht sarkastisch wie sonst wenn es drum geht den großmannssüchtigen Dosen wieder eine ihrer wenig gut durchdachten Aktionen aufs Brot zu schmieren, auch nicht zynisch oder hoffnungsfroh, sondern ein wenig apathisch, fast depressiv.

Das hat wenig mit meinem Zustand Salzburg gegenüber zu tun, sondern entsteht aus der Empathie, die man aktivieren muss, wenn es gilt, Dinge jenseits der Fakten und jenseits der eigenen Vorurteile aufzuspüren.

Diese leicht depressive Apathie lag auch über dem Testspiel gegen die Bayern gestern Abend. Daran ist nicht der seine Tränen nur halbherzig verbeißende Niko Kovac samt seiner Abschiedsrunde schuld; nicht die noch völlig unvorbereiteten Bayern, schon gar nicht das Junioren-Team der 2. Halbzeit und auch nicht unbedingt die Leistung der Salzburger Mannschaft; nicht einmal das Pfeifkonzert der 32.000 Zuschauer nach dem Schlußpfiff.

Die Sache mit der spürbaren Apathie

Auch nicht die deprimierend sachliche und langweilige Aufstellung von Huub Stevens, mit vier Innenverteidigern auf einer Linie als Abwehr, mit zwei defensiven Mittelfeldlern, mit einer offensiven Dreierreihe, deren Außen die Flügel allein (ohne Unterstützung der inexistenten Außenverteidiger) bearbeiteten und einem isolierten Stürmer vorne.
Das war zu erwarten und nicht überraschend.

Der Grund der kollektiven Apathie lag woanders.

Es war die durch dieses Spiel zur Gewißheit gewordene Umstellung vom offensiven Spektakel-Fußball der letzten Saison auf einen Versicherungs-Vertreter-Ansatz der Vorsicht und des Konters, der ab jetzt regieren wird.
Und damit einhergehend die Gewißheit, dass es mit dieser Philosophie des 1Schritt-vor-2Schritt-zürück endgültig keine Chance auf den lange herbeigesehnten großen Glamour geben würde.
Kam schon bisher kein Ze Roberto, kein Pavel Nedved an die Salzach, weil die Reputation zu minder war, wird es auch in den nächsten Jahren kein echter Star tun, weil die Spielanlage nicht attraktiv ist.

Red Bull lässt sich ja sonst nicht lumpen.

In der ZDF-Reportage zu den, auch ein wenig seltsamen Umständen, wie es zu RB Leipzig gekommen ist (auch hier wurden, ebenso wie in Österreich, Verbandsregeln gebogen und wohlwollend ausgelegt...) spricht man ganz offen vom Mißerfolg des Modells Salzburg...

In der Formel 1 wird doppelt geklotzt, im Extreme-Sport alles gesponsert, was Adrenalin ausschießt, im Personality-Bereich alles unterstützt was schick aussieht. Nach New York und Salzburg baut man seit einiger Zeit in Leipzig ein drittes Fußball-Standbein auf.
Und das sind nur die Sport-Aktivitäten des Red Bull-Riesenreichs.

Red Bull hält seinen Fußball Glamourfrei

Dafür, dass der Standort der Firma Salzburg ist, kommt für das Vorzeige-Projekt "eigener Fußballverein in Salzburg" etwas kurz. Wo bei den X-Sports der Anspruch "Weltherrschaft" oder bei der Formel 1 "Welttitel" heißt, sind die Investitionen im Fußball vergleichsweise bescheiden. Da ist man von oligarchischen Mustervereinen wie Donezk beinhart überholt worden.

Und es wird auch nicht mehr passieren - das zeigte die heurige Transferzeit. Wartete das hoffnungsfrohe Publikum samt Umfeld immer auf den Startschuss in Richtung Superklasse, auf die Verpflichtung eines echten Superstars, so war das heuer schon nicht mehr der Fall. Man hat sich (apathisch) der Gewißheit ergeben, dass es eben nix mehr werden würde, mit dem echten, mit dem großen Glamour.

Dabei kann man den Machern eigentlich keinen Vorwurf machen: sie haben theoretisch richtig gehandelt und in eine Struktur (Stadion, Akademien, Nachwuchs etc) und in die Ausbildung investiert. Die einzigen Weltstars bei Salzburg waren bislang die Trainer.

Aber das allein reicht eben nicht. Nicht um Kollegen und Umfeld wirklich mitzureißen. Und auch nicht um dieses Glamour-Gefühl zu vermitteln, dass die diversen X-Games oder die Formel 1 deutlich vermitteln. Aber eben nicht einem Standort, wie Salzburg, sondern der Welt, der Red Bull-Community der weltweiten.

Community geht vor Standort

Auch das ist (firmen-)strategisch nicht falsch. Natürlich ist die weltweite Community wichtiger als ein regionales Interesse. Und den coolen Posern weltweit ist die Anbindung des Standorts natürlich wurscht.

Den heimischen Fußball freut's: Salzburg rückt gefühlt noch näher an den Rest des mediokren Feldes ran, ist in Treffweite. Auch weil das Team heuer mit weniger Namen, mit weniger Stars anrückt.

Für die Champions League macht das (da bleibe ich beim Wastl) keinen Unterschied. Dort ist die angstvolle 4-2-3-1-Aufstellung ohne Außenverteidiger kein Nachteil - wenn man als Underdog auftritt.

Die einzigen, die leiden werden die Zuschauer vor Ort sein: eben weil sie ab allerspätestens gestern Abend wissen, dass man ihr Team nicht für die A-Klasse vorgesehen hat. Und da die Stevens-Truppe nicht dafür ausgerichtet ist sprühenden Fußball zu spielen, werden maximal die CL-Gäste Glamour vorbeibringen.