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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

9. 7. 2009 - 17:41

Fußball-Journal '09-54.

Schönwetter.

Manchmal passt das Wetter einfach zur Stimmung.
Selbst in der zuletzt von viel grobem Unfug gebeutelten 1. Liga, der zweiten Leistungsstufe des österreichischen Fußballs, die sich deutlich als Aus- und Fortbildungs-Klasse für junge Talente definiert.

Ja, ein so früher Meisterschafts-Start nach praktisch null Urlaub und nur unzureichender Vorbereitung ist hirnrissig. Aber darüber wird von den Verantwortlichen nicht seriös diskutiert, leider.
Dornbirn-Coach Benneker merkte dazu an, dass sich sein Team seit Mai, also noch während der alten Saison, bereits auf die neue vorbereitet hätte, einfach weil die Zeit zu kurz wäre.
Dazu hier ein interessanter Vorstoß der Sportnet-Redaktion in Richtung Ganzjahres-Meisterschaft.

Denn da hat man heute Mittag im fast schon ländlich gelegenen Haus der Bundesliga in Wiens 13. Bezirk die bereits am nächsten Dienstag startende Meisterschaft so vorzugsschülermäßig präsentiert, dass jeder frohen Mutes wieder in die Welt schritt.
Schuld daran waren die Coaches der drei Neulinge Vienna, Hartberg und Dornbirn, die allesamt (wohl großteils wahre) Geschichten ihres durchaus unerwarteten Aufstiegs-Erfolgs zu erzählen vermochten, die nicht auf durch entfesselte Mäzene hysterisch zusammengekauften Routiniers fußten, sondern ihre Basis in einer sinnvollen Nachwuchs-Arbeit hatten.

Das wäre nicht nur der richtige Weg, entfleuchte auch Herbert Prohaska einmal eine echte Ansage, sondern auch der einzige.

Vienna-Coach Peter Stöger und Hartberg-Trainer Bruno Friesenbichler erzählten nachgerade rührende Stories aus der Abteilung "Gestern noch bei den Amateuren in der Oberliga, heute Überraschungs-Meister, morgen in der 1. Liga" und verwiesen auf den Eigenbau, die zusammengehaltenen Meister-Teams und die nur punktuellen Verstärkungen.
Und auch Armand Benneker, der Holländer mit Vorarlberger Vergangenheit wies auf die Akademie- und Amateurspieler hin, die sich allesamt so gut entwickelt hätten, dass er auf die 3 Spieler, die er noch holen dürfte, derweil einmal verzichtet.

Herrlicher Jugendwahn

Die 2. Stufe beherbergt heuer 12 Vereine:
Absteiger Altach, Austria Lustenau, FC Lustenau und FC Dornbirn aus Vorarlberg, Wacker Innsbruck aus Tirol und Gratkorn und Hartberg aus der Steiermark, St. Pölten aus NÖ sowie die Admira und Vienna aus Wien und Umgebung.
Dazu kommen die Amateur-Teams von Austria Wien und RB Salzburg, die quasi außer Konkurrenz mitspielen, weil sie zu Saisonende ohnehin versetzt werden.

Die Vienna verpflichtete überhaupt nur einen Spieler, und auch Hartberg blieb vorsichtig. Erinnert alles an die Philosophie von St.Pölten, dem einzigen Vorjahresaufsteiger, der heuer auch noch dabei ist.

Und wohl deswegen wirkten Liga-Chef Pangl und Schirmherr Prohaska so gelöst, deswegen floss Pressechef Christian Kircher ein flapsiger Gag nach dem anderen über die Lippen, als er die Statements einleitete: weil mit diesen Aufsteigern schon im Ansatz erkennbare Probleme ausbleiben werden.

Probleme, die bei von allmächtigen Investoren wie den Herren Resch und Haas und den von ihnen vollständig abhängigen Vereinen Vöcklabruck und Grödig, wie das Amen im Gebet kamen.
Vöcklabruck (seit gestern hat man den Spielbetrieb eingestellt!) folgt damit DSV Leoben (Konkurs, Rückzug in die Regionalliga) dem SV Bad Aussee (Konkurs, Rückzug in die Landesliga) und anderen Leichen die den Weg der 1. Liga pflastern: Untersiebenbrunn alias Interdingsbumsdotcom, dem Putzi-Projekt SV Bad Bleiberg, aber auch Wörgl, der FC Kärnten, Schwanenstadt, Schwadorf, Braunau, Vorwärts Steyr, Gerasdorf, VSE St. Pölten, Wels, Mödling, der SC Wiener Neustadt, FC Salzburg, Vösendorf, Spittal, SW Bregenz, FavAC und die Probleme die Sportklub, Vienna, der GAK oder die Admira in den letzten Jahren hatten, gehören da dazu.

Problem gelöst

Hab das in in einer dieser Tage erschienenen Ballesterer-Geschichte zum Liga-Format so aufgedröselt: zum einen die, die den Aufstieg anstreben, zum anderen die Amateur-Abteilungen der Großen und zum dritten die Durchwurstler.

Danach sieht es heuer in dieser Hybrid-Liga nicht mehr aus. Zwar zerfällt die zweite Leistungsstufe immer noch in drei Teile, deren Vertreter unterschiedliche Interessen verfolgen, aber weil die Amateure zu Saisonende automatisch rausfliegen (was angesichts der Liga-Verkleinerung von 12 aus 10 nix ausmacht) und sich außer der Admira (optional) alle an gewisse Anstandsregeln halten werden, steht die womöglich Gelassenste aller Erstliga-Saisonen bevor.

Denn die vier Vorarlberger Vereine, Wacker Innsbruck, die beiden Steirer, St.Pölten und die Vienna sind für wettbewerbsverzerrende Blödheiten, unbotmäßiges Nachrüsten oder Defacto-Zusperren einfach zu solide aufgestellt.

Selbst die Admira, aktuell Spielzeug des Personaldienstleisters Trenkwalder dürfte sich im Groben an die Bestimmungen betreffend Legionärsquote und Jugend halten; da die auf freiwilliger Basis passieren und bloß Auswirkungen auf Zuschüsse und den TV-Gelder-Schlüssel haben, ist es natürlich möglich, dass der klare Favorit ab spätestens Winter eine andere Politik fährt.

Halbamateurismus

Aktuelle Infos zu den Transfers und Kader immer hier bei Transfermarkt.at.

Zahlen zur letzten und zur am Dienstag startenden Saison hier auf der Bundesliga-Site.

Der Aufsteiger heißt: Halbamateurismus, Trainings, die auf die Zeiten, in denen z.B. die Schüler, Studenten und Halbtagsarbeiter des Peter Stöger halt können, zugeschnitten sind. Das ist charmant und auch endlich näher an der gelebten Wirklichkeit, als die bis vor kurzem gepflogene angeberische Pose des Professionalismus, die die Liga-Verantwortlichen eingenommen haben.
Womit sich die diversen bewusstseinsbildenden Diskussionen der letzten Zeit endgültig in den Köpfen festgesetzt haben dürften.

Vielleicht löst sich eines der zentralen Probleme des österreichischen Fußballs, nämlich die Holprigkeit des Übergangs zwischen Vollprofi-Bereich und den diversen Spielarten des Amateurismus, die Einschnitte die in der Schnittstelle zwischen Bundesliga und Landesverbänden passieren, in Wohlgefallen auf.

Pangl: "Es ist ein Schutz für viele Clubs, wenn man den Zugang erschwert. Wo weder Geduld noch ein wirtschaftliches Hinterland bzw. Einzugsbereich gegeben sind, wenn niemand mehr auf Warnungen hört, sondern nur noch die Emotionen, vor allem im Frühjahr, regieren, dort sind die Folgen nicht mehr einschätzbar, glauben Sie mir!"

Liga-Chef Georg Pangl sprach von einer Schutz-Funktion, die das neue, regulierte Aufstiegssystem aus den (nach Wochen des Abschaffungs-Geplänkels wieder völlig außer Frage gestellten) Regionalligen, beinhalten würde. Dadurch, dass nur noch ein oder zwei der drei regionalen Meister aufsteigen würden, dadurch, dass es nur noch einen, maximal zwei Absteiger aus dem Profi-Bereich geben würde, fiele einiges vom aktuell herrschendem Druck weg.

Schutz vor Aufstieg

Nun gab es auch in den letzten Jahren oft nur einen echten sportlichen Absteiger, weil es immer wieder Vereine wirtschaftlich aufprackte - die Probleme der raufdrängenden von Lokal-Kaisern mit unzureichend Marschgepäck ausgestatteten, infrastrukturell substanzarmen Dorf-Vereinen könnten allerdings tatsächlich minimiert werden.

Und das nicht nur wegen des erschwerten Aufstiegs, sondern auch wegen der Vorbildwirkung der diesjährigen 1. Liga.

Ein PS von Prohaska zum Thema "Prognosen": die mache er, auf Anfrage, sie wären aber sinnlos, vor allem weil es noch 6 Wochen lang Transferzeit gebe. Kommt mir bekannt vor, diese Argumentation...

Die alte Liga-Herrlichkeit kam nur selten, eher zwischen den Zeilen durch (so schnell kann man ja nicht alles abschütteln...). Wenn Pangl etwa davon spricht, es wäre ab "jetzt nicht mehr notwendig über das Thema Liga-Reform/Format zu diskutieren", dann schwingt da eine ungesunde Selbstherrlichkeit mit, ebenso wie sich in der (dazu diametral widersprüchlichen) Aussage "die Amateur-Teams sind jetzt bis auf weiteres nicht in der 1.Liga dabei" die Befangenheit des von den Interessen der Großklubs Beeinflussten mitschwingt.

Derlei Seltsamkeiten können mir aber das aktuelle Schönwetter, das sich heute über meine Fußball-Befindlichkeit legt, nicht einmal ansatzweise trüben.
Die nächste Unwetter-Front kommt früh genug.