Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Humbug also!"

Susi Ondrušová

Preview / Review

7. 7. 2009 - 16:48

Humbug also!

Vier Konzerte. Vier Meinungen.

I – The Kills – Triumph der Untertreibung

Nicht anders als bei einem Festival war der Blick auf die Wolkendecke ein essentieller, um sich für den kommenden Arena-Marathon zu rüsten.

Alisson Mosthart

florian wieser/shooting music

Regen, am Nachmittag goss in Strömen, später blieb es nur noch heiss und schwül. Perfektes Wetter für diese Kills: Jamie Hince und Allison Mosshart. Kaum zu glauben, dass Allison Mosshart ein Stadium der Bühnenscheu durchgemacht hat. Von dieser ist bei den ersten Telefon-Klängen zu "U.R.A. Fever" nichts zu merken. Ich unterziehe mich einer Meinungskorrektur und finde: die einzige Band, die das musikalische Frage-Antwort-Spiel, an dem man als Duo auf einer großen Bühne auch scheitern könnte, beherrscht. Die beiden ergänzen sich. Der König und die Dame, die einzigen Überlebenden auf einem leeren Schachfeld, sie betänzeln und betören. Wütend, wütend, sie sind wütend. Offensichtlich hungrig, nichts zum Essen außer Akkorde, die sie in erster Linie sich selbst entgegenschmettern. Eine Band, die zuerst für sich spielt, dann fürs Publikum, ohne misanthropisch zu wirken, die Darstellung von "No Wow" gehört allen. Stimmungsvoyeure unter sich.

Jamie Hince

florian wieser/shooting music

II – Arctic Monkeys – Triumph der Jugend

Eine kurze Aufwachphase: In einem Interview verlautbarte ewiger Ex-Viva-Chef und Popkomm-Sarg-Träger Dieter Gorny, er müsse an den "Schulen den jungen Leuten Filme und Musik in Bibliotheken zeigen und ihnen sagen: "Das gibt es in Zukunft alles nicht mehr, wenn die Raubkopiererei nicht aufhört!"

ARctic Monkeys

florian wieser/shooting music

Arctic Monkeys

Was für ein unermüdlicher Schwachsinn. Werden in Zeiten des Internets doch erst recht Dokumentationsbewusstsein und Archivierungssinn geweckt. Klar, je nach Orientierung, wenn man so möchte. Ein Domino Records-Kenner und Arctic Monkeys-Anhänger wird sich über vier oder viele verwackelte Soundbeispiele bis zum Albumrelease freuen, bis zu dem Moment wo "the real thing" daherkommt. Andere konsumieren ohne Herkunftsfragezeichen. Für das "Verfielfältigungsproblem" gibt es von Seiten der Industrie noch keine (patentierte) Lösung. Exklusivität ist ein Weg. "Crying Lightning" – die Single des neuen vom Josh Hommes produzierten Albums "Humbug" – gibt es seit der BBC-Premiere vom 6.Juli seit 20:03:44 im Internet. Alle reden darüber. See you later, innovator!

Was Konzerte betrifft, herrscht seit Jahren die übliche "No Recording Devices"-Policy.

Aufgeregter Besucher

florian wieser/shooting music

Zwei Finger und eine Grimasse vom Download entfernt.

Fotokameras und Mobiltelefone sind trotzdem die neuen Feuerzeuge im Lichtermeer des Publikums. Die Anzahl der veröffentlichten Youtube-Videos vom Arctic Monkeys-Konzert hätte mich also nicht wirklich überraschen dürfen. Das mich das "eins zu null gegen das System" freuen würde, grenzt an ehrlichgesagt an Lächerlichkeit. Es ist so einfach. "What do you know? You know nothing!"

Nichts hab ich auch gewusst über den Auflauf der Fans. Was für eine Nacht. Kaum war die Band auf der Bühne, bewegte sich die Masse einige Meter Richtung Bühne und war am Überschwappen. Vom Arena-Balkon ein theoretischer Gänsehaut-, ein praktischer Adrenalin-Moment. BesucherInnen rechts, links, oben, unten, von hinten nach vorne und retour. Nun sind die Arctic Monkeys nicht für ihre Gesprächsbereitschaft bekannt, zu einer knappen "Servus Wien!"-Ansprache sollte es reichen.

Publikum bei Nacht

fm4 ondrusova

Je gleichgültiger die Körpersprache der "Wir stehen hier und spielen"-Monkeys, desto dynamischer das Auszucken der versammelten Fans. À la "was ihr uns nicht gebt, geben wir uns selber!" Die letzte halbe Stunde drückte die Band scheinbar auf die Bremse und lieferte statt Showtempo Slowtempo.

Am Rande der Erschöpfung, so sah die Menschentraube aus, Schultern zum Anlehnen gab es bei der erhobenen Händekolonie keine. "This House Is A Circus" sang die Band und entließ die Besucherinnen zu Carly Simons "Nobody Does It Better" in die Nacht. Tatsache.

III – Primal Scream – Triumph der Belanglosigkeit

Philipp L'Heritier mischt sich ein

Es nützt ja alles nichts, es wird ein Triumph der Belanglosigkeit werden. Das kann man dem Wetter in die Schuhe schieben oder der zunächst bizarr anmutenden Auftrittsreihenfolge des Abends, nach der also mit Primal Scream eine Band mit quasi Legendenstatus und über 25 Jahren Geschichte den Support für eine Band gibt, deren Mitglieder weniger Lebensjahre im drahtigen Körper haben als Primal Scream in der Bandbiografie. Eine Auftrittsreihenfolge, die aber nur die aktuellen Verhältnisse in Publikumsgunst und Chartsnotierungen widerspiegelt.

Sold out Arena bei Licht

florian wieser/shooting music

Die Schuld, dass der frühe Konzertabend matt verpufft, liegt bei der Band. Gegen 20 Uhr drängen sich erst wenige Zuschauerreihen im Schlammpit vor der Bühne der ausverkauften Arena, man will sich ja einen guten Platz für die Kooks sichern. Ein Primal-Scream-Fanblock ist nicht auszumachen. Vereinzelt weinen alte Männer in ihr Bier, halb dahingehend zerknirscht, dass nur gar so wenige junge Menschen Willens sind, vor dem Altar Primal Scream zu knien, halb resignierend wissend, dass diese Band heute überhaupt gar keine Form irgendeiner Huldigung verdient hat.

Primal Scream

Florian Wieser/Shootingmusic.com

Bobby Gillespie und Kollegen starten mit "Can’t go back", der aktuellen Single vom dieses Jahr erschienen Album "Beautiful Future", in den Abend. Eine schmissige Rocknummer von einer Platte, die wie eine ganz okaye B-Seiten-Kollektion daherkommt. Die schottische Band Primal Scream ist eine Band mit Glanzlichtern in der Vita, mit Irrungen, groben Irrtümern, albernen Texten und Entwicklungen, die falsch waren. Mit ihrem dritten Album "Screamedlica" haben sie 1991 unter dem Produzentenfinger von Andrew Weatherall eine Platte aufgennommen, der seither zurecht das Etikett "Klassiker" anhaftet. Higher Than The Sun ist die Platte heute noch, das immer noch gültige Zusammendenken von Rock und Rave, von Manchester Hacienda und Ibiza, Dosenbier und bunten Pillen. Das heutige Konzert von Primal Scream jedoch steht im Zeichen des Schwachpunkts der Band, der auf den beiden furchterregenden Alben "Give Out But Don’t Give Up" und "Riot City Blues" ausgiebig durchexerziert wurde: Schematischer, schematischer Garagen-Rock, eingedenk der Rolling Stones. "C’mon! Yeah!" greint Bobby Gillespie immer wieder ins Mikrofon, man mag es ihm nicht glauben, es kommt dann auch keiner.

So gibt’s mit "Country Girl", "Jailbird" und beispielsweise "Rocks" gegen Ende vermehrt die am Reißbrett zusammengeklopften Boogie-Nummern der Band und ein tendeziell auf "Rock", wie in "Rock", getrimmtes Set, was genau nicht die Stärken der Band sind. Die liegen neben "Screamadelica" auf den beiden um die Jahrtausendwende erschienen Platten "Vanishing Point" und "XTRMNTR", hier folgt die Band nicht der Logik von Hooks und ständiger Catchiness, sonder arbeitet sich unter einem dunklen Klangmantel an den Einflüssen von Dub und Krautrock, im Speziellen der repetitiven Motorik von Neu! ab.

Primal Scream

Florian Wieser/Shootingmusic.com

Dieses Rezepts bedient sich die Band heute nur gar selten, wenn, dann entwickelt sich einige wenige Augenblicke lang der, doch, doch, "hypnotischer Groove", der die Band in ihren guten Momenten auszeichnet. Der große, grobe, lange Rest ist Brauchtumspflege Rockmusik. Gegen Ende zaubert der ewige Daurebrenner "Movin’ On Up", so scheint es, doch noch ein paar Emotionen in Gillespie, sonst an diesem Abend der Mensch gewordene Ennui. Dem Publikum war es fast egal, der Band auch. It’s only Rock’n’Roll, but I like it: Primal Scream, nächstes Jahr dann beim Rock am Ring auf der kleinen Bühne, 14 Uhr 30 am Nachmittag.

IV – The Kooks – Triumph der Bodenständigkeit

Nichts zu verwechseln mit Belanglosigkeit. Die Kooks sind manchen "nur" vom "Inside In/ Inside Out"-Debüt in Erinnerung geblieben: "You Dont Love Me", "She Moves In Her Own Way" und "Seaside". Als Frontman weiss Luke Pritchard seine Konzertgäste zu unterhalten, vom rechten bis zum linken Winkel die Bühne abwandernd, Hände in die Höhe dort und da, antwortet es ihm die BesucherInnenmasse mit Schreichören aus dem jeweiligen Konzertwinkel auf das er gerade zeigt.

Nächsten Arena Konzerte:
11.7. David Byrne
27.7. TV On The Radio
15.8. Arenapalooza ft. Maximo Park
18.8. Whitest Boy Alive
19.8. Black Lips, Deerhunter, The Glint, Crystal Antlers

Kooks

Florian Wieser/Shootingmusic.com

Die Kategorie gibt es zwar nicht, aber inhaltlich machen die Kooks romantische Bubenmusik. Mit Boyband-Musik wegen der musikalischen Einzelteile nicht zu verwechseln. Afro-Beat ohne Afro. Dub-Reggae-Rock á la Clash ohne – eben die Message. Aber wie Noel Gallagher schon sagte: "Can´t we just have a nice evening? Do we always have to feel guilty?" Okay. Weltuntergang auf morgen verschoben. Bis dahin: "Shine on!"