Erstellt am: 5. 7. 2009 - 15:07 Uhr
„Ich hoffe wir brauchen keinen Möbelwagen!“
Liebe Webuserin! Lieber Webuser!
Seit vielen Jahren ist der Tag der Zeugnisverteilung ein ganz besonderer. Ich hatte es übers Jahr ein wenig verdrängt, bekam es aber gestern wieder einmal ins Gedächtnis gerufen in Form einer außergewöhnlich aggressiven Abreisebevölkerung. Was jetzt folgt ist aber kein Lamento, liebe Webuserin, lieber Webuser, wenn Du das vermutet hast, dann hast Du Dich geschnitten. Nicht im Sinne einer Hautverletzung natürlich, bei der die Trennung des Gewebszusammenhangs an äußeren oder inneren Körperoberflächen mit oder ohne Gewebsverlust zu beschreiben wäre, sondern im Bild.
Ich habe nämlich vor Jahren von meiner Ilse einen Kurs geschenkt bekommen mit dem Lernziel Gewaltunterdrückung im Alltag. Drei Tage in einer Seminarpension neben einer alten Passstraße, dessen Gebirgszug als Wetterscheide einen guten Ruf genießt. Meine Ilse hatte Anspruch auf den Kurs, weil sie genug Bonuspunkte durch Einkäufe bei einem Drogeriemarkt erworben hatte, wollte selber nicht teilnehmen, war aber an ein paar ruhigen Tagen allein auf unserem Balkon interessiert und hat mich angemeldet.
http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Paul_6_coa.svg
Mit einem billigen Trick hat sie sich meine Zustimmung erschlichen und so willigte ich ein. Im Wesentlichen hat sie gedroht, wenn es wer genau wissen will.
Wie Du Dir denken kannst, ist genau das die Atmosphäre, die Deinen Ombudsmann, an sich einen besonnen und ruhigen Homo sapiens sapiens, der schon seit vielen Jahren regelmäßig den Friedensnobelpreis bekommen hätte sollen, in Rage versetzt. Wobei Rage noch milde ausgedrückt ist, normalerweise ist ein mehrtägiges Seminar ein Gratisvoucher für einen Blutrausch mit Selbstentleibung.
Aber entgegen meinen Erwartungen war der Kurs ein Hochgenuss für mich und das kam so. Kursleiter war ein Mann namens Karl Pfeifenegger, den Du wahrscheinlich nicht kennen wirst, aber dafür ich. Wir sind miteinander in die Schule gegangen und haben einander all die Jahre nicht leiden können. Hätte ich damals ankreuzen müssen, was mit Karl Pfeifenegger passieren soll, mein Kreuz wäre auf etwas Unerfreulichem für den Karl zu ruhen gekommen.
Aber nach vielen Jahren und unter besonderen Umständen ist oft alles anders.
Karl Pfeifenegger leitete diesen Kurs wegen der Durchversicherung, weil er als Langzeitarbeitsloser mit abgebrochenem Lehramtsstudium in Werken und Philosophie am Arbeitsmarkt des 21. Jahrhunderts kaum vermittelbar ist. Wie ich, so hasst auch er derartige Zusammenkünfte, und so haben wir uns vor dem Hintergrund unserer alten Schulfreundschaft verbündet.
Die Abmachung lautete so, dass Karl mich ununterbrochen den anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern als Vorbild hinstellen sollte, obwohl ich mich sehr schlecht benahm.
Damit ich keinen physischen Schaden nahm, war Karl bewaffnet mit einer Luger, die mit ihren 9mm Parabellum einigen Schaden in Seminarteilnehmern anrichten kann, wenn sie will.
Die Einzelheiten dieser höchst vergnüglichen Tage muss ich Dir leider ersparen, weil sie strafrechtlich relevant sind und es bis zur Verjährung noch dauert.
Was ich sagen kann ist, dass mir der Karl Pfeifenegger nach dem Seminar wieder sofort unsympathisch war, und ich ihm auch, sodass wir nicht einmal Nummern getauscht haben.
Und deshalb, und darauf wartest Du nun einen ganzen Text lang, weiß ich, wie man mit Gewaltunterdrückung im Alltag umgeht und lasse mich von der aus den Menschen herauspressenden Aggression am Zeugnistag nicht beirren. Im Gegenteil. Gern schlendere ich an diesen Tagen vor den Schulen vorbei und rufe den aufgeregten Kinder zu:“Hoffentlich brauchen wir keinen Möbelwagen!“ Und freue mich an ihren ratlosen Gesichtern, weil sie diesen Witz nicht entschlüsseln können. Wenn Du es auch nicht kannst, aber können möchtest, so schreibe mir an ombudsmann.fm4@orf.at, dann sage ich Dir, wie es geht.
Aber auch sonst kannst Du Dich an mich wenden, weil ich weiß, wie Du weißt, fast alles.
Nächsten Freitag fahre ich mit dem Möbelwagen nach Innsbruck und freue mich schon.
Schönes Wochenende und Servus.