Erstellt am: 5. 7. 2009 - 18:00 Uhr
Fußball-Journal '09-53.
Wie immer sonntags hier ein paar Updates zum Thema Fußball-Legionäre:
Wie es aktuell im Fall Arnautovic steht, entnehme man den Wasserstandsmeldungen der Tagespresse.
Marc Prettenthaler ist nach einem Seuchenjahr beim FC Augsburg zu Sturm Graz zurückgekehrt. Sehr vielsagend sein Interview bei Laola, wo er minutenlang jammert und nur zwischen den Zeilen zugibt, dass er zu Saisonbeginn schleißig trainiert hatte. Sowas geht in Österreich, ist aber in Deutschland tödlich.
Rauf soll Supertalent Ervin Bevab (91-04), und zwar zur Amateur-Mannschaft des VfB Stuttgart. Kann ein Sprungbrett für mehr sein.
Rüber will Andi Lasnik (83-11), der von Aachen über die Grenze ging um beim SC Heracles Almelo vorzuspielen.
Ausgeliehen werden soll Michael Langer (85-01) verschüttetes Tormanntalent vom BL-Aufsteiger SC Freiburg. Tormann Dominik Schütz (86-12), zuvor bei Oberneuland in der Regionalliga, geht in die NRW-Liga zum 1. FC Kleve.
Vorspielen im exotischen Ausland tun grade Denis Mimm (83-03) und zwar in Norwegen beim Aalesunds FK. Coach dort ist Kjetil Rekdal.
Und beim bulgarischen Vize-Champ ZSKA Sofia probiert es Marco Vujic (84-02) von RB Salburg II.
Einen neuen Legionär gibt es in der Türkei, bei GiresunSpor in der 2. Liga: Rapids Serkan Ciftci (89-08) ist dort gelandet. In der Süperliga bei GaziantepSpor aufgetaucht ist Gökhan Unver (85-09), vormals bei Stadlau und Donau, der sich über untere Ligen dorthin arbeitete.
Ein wenig unklar ist auch der Werdegang von Daniel Krstic (80-11), der in jedem Fall jetzt beim FK Zemun in der 1. serbischen Liga spielt.
Und, Trommelwirbel, es gibt womöglich wieder einen richtigen heimischen Coach im Ausland, denn, sorry, die lächerliche Alibi-Aktion Klaus Lindenberger einen Tormanntrainer-Job bei El-Wahda in den Emiraten zu verschaffen, kann ich nicht ernstnehmen: Kurt Garger, zuletzt bei Parndorf wird Trainer bei DAC Dunajska Streda, dem 8. der slowakischen Liga, wo auch Alfred Riedl im Gespräch war den schrecklichen Werner Lorant zu ersetzen.
Vielsagende Interviews von Legionären in Bedrängnis gibt es von Hans-Peter Berger in Portugal, Daniel Wolf sowie Marco Stankovic in Italien.
Wiewohl ich ja sonst (wegen Jugendschutz) dagegen bin unter 15jährige wahrzunehmen: der Fall des 14jährigen Filip Faletar (95-04) ist zu spektakulär um ihn nicht zu erwähnen. Der kroatisch-österreichische Doppelstaatsbürger mit bosnischen Wurzeln fiel bei einem U15-Turnier in Spanien den Villareal-Scouts auf, die den Rapid-Kapitän von der Sporthauptschule Maroltingergasse in die englische Schule nach Villereal holen, samt Profi-Vorvertrag und einem engagierten Drei-Jahres-Plan. Endlich wieder jemand in Spanien, bravo!
Prognosen sind die Pest; überhaupt, im Fußball, diesem unprognostizierbaren Kunsthandwerk, wo immer alles passieren kann.
Trotzdem sind Prognosen unverzichtbar. Weil die Vielzahl der Interessenten auch von Wettern und Zahlen-Fetischisten durchsetzt ist, die nicht anders können als ununterbrochen zu wetten und einzuschätzen und an den (unvermeidbaren) Fehlleistungen (je nachdem, wie man halt so drauf ist) das Elend ihrer selbst oder das Elend der Welt festzumachen.
Ein Zirkus, auf den ich verzichte, weil er mit der Liebe zum Spiel nichts zu tun hat. Die Liebe zum Spiel ist, wenn sie ernstgemeint ist, pur und nicht von Resultaten beeinflussbar.
Trotzdem hagelt es Prognosen, weil sie einer der kleinen gemeinsamen Nenner sind, auf die man sich (von Fan zu Fan) so einigen kann. Weil sie Smalltalk-Eröffner sind, die es scheinbar rituell braucht, ehe man ins Substanzielle eintauchen kann. Unentziehbar, leider.
Prognosen-Hagel
Vor Saisonbeginn ist es am Schlimmsten.
Und am Allerschlimmsten in Österreich, bei den Prognosen zur Bundesliga-Meisterschaft.
Das hat damit zu tun, dass die so lächerlich früh beginnt. Im Juli, während anderswo (in echten seriösen Ligen mit nicht sinnlos aufgeblähten Spielplänen) noch geurlaubt oder vorbereitet wird.
Das ist deswegen schlecht, weil die internationale Transferzeit erst mit 31. August endet. Bis dahin sind in Österreich bereist 6 Runden gespielt, zudem hat sich die Qualifikation für das internationale Geschäft vorentschieden, da sind dann also bereits zentrale Vorentscheidungen gefallen.
Und: bis dahin kann jeder BL-Klub noch nachrüsten.
Wer also weiß, dass sein Verein schon oder nicht im Europa teilnimmt bzw. ob sein Verein gut oder beschissen in die Meisterschaft gestartet ist, hat bis Ende August die Möglichkeit zu reagieren.
Anderswo startet die Liga erst dann, wenn die Transferzeit schon abgelaufen ist - dort wird das Hauptaugenmerk auf die Vorbereitung gelegt, dort geht es drum sich einzuspielen, die Neuen zu integrieren, den richtigen Groove zu finden.
Die Unmöglichkeit sich einzugrooven
Hierzulande werden die Mannschaften nach viel zu kurzer Erholungsphase in eine viel zu kurze Vorbereitung gedrängt, die dann in einer viel zu früh startende Meisterschaft kulminiert als wär sie der erste Liebesakt eines unerfahrenen Pubertären. Und das Jahr für Jahr, ohne draus zu lernen.
Schlimmer noch: die von zumindest der Hälfte der 10 Mannschaften (all jener, die mit dem Saisonstart unzufrieden sind) hektisch bis hysterisch und meist unüberprüft nachgekauften Verstärkungs-Schnellschüsse werden dann im August und September eingearbeitet.
Das führt dazu, dass die Liga-Vereine erst im Oktober halbwegs zu sich selber gefunden haben, was internationale Unterlegenheit garantiert und schlechtes Niveau zum Gewohnheitsrecht erhebt.
Um auf die Prognose zurückzukommen: diese komplette Planungs-Unsicherheit macht es unmöglich vor Meisterschafts-Start auch nur einen halbwegs sinnvollen Blick auf die Chancen der Teams zu werfen.
Was ist, wenn Salzburg Mahop loskriegt, Janko doch noch verscherbelt und der Mitte August nachgekaufte Ersatzstürmer sich ein Bein bricht?
Was passiert, wenn Rapid nach einem Fehlstart die Nerven verliert?
Wer wird nicht aller nachgekauft, wenn Stronachs neues Spielzeug wie gewohnt die ersten drei Spiele verliert?
Psycho-Spielchen
Alles was sich jetzt, nach den bekannten Transfers, sagen lässt, basiert auf Psychologie, nicht auf harte Fakten. Trotz dutzender Testspiele weiß niemand, welche System-Neuerungen, welche neuen Spieler, welche Umstellungen im Trainerstab sich wie auswirken werden. Keiner weiß es.
Schon gar niemand angesichts der österreichischen Spielplan-Hektik.
Die Einschätzungen erfolgen aufgrund der Vorjahres-Performance und der Hochrechnung von "Neuen" sowie klassischen Mustern und Wellentälern. So ist etwa die Prognose, dass der LASK besser abschneiden wird als im Vorjahr, recht logisch. Und dass sich Kapfenberg im zweiten Jahr nach dem Aufstieg schwerer tun wird als im ersten.
Welcher der Großen Vier enttäuschen wird - keine Ahnung!
Ob Ried ein zweites Mal hintereinander die Überraschung schafft? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ob Mattersburg fürs bewusste Aus-Fehlern-nicht-lernen-wollen bestraft wird? Man weiß es nicht. Ob Kärnten heuer wieder aus Gründen, die im politischen Umfeld zu suchen sind, einbrechen wird? Kann sein, kann nicht sein.
Insofern ist es nachgerade grotesk sich jetzt in Prognosen zu versuchen.
Vor allem für jemanden, der sowas prinzipiell ablehnt.
Vielleicht hab ich mich genau deshalb breitschlagen lassen.
Die ÖON
In der letztwöchigen Ausgabe der deutschen Wochenschrift Die Zeit findet sich, ich habe bereits gestern in anderem Zusammenhang drauf hingewiesen, eine exzellente Geschichte über die Kulturhauptstadt Linz (Der Stahl, der Staub und die Kunst), in der auch die Zeitung der Linzer, der Oberösterreicher vorkommt. Thema ist natürlich die Haltung der ÖON zu Linz 09:
Dass die OÖ Nachrichten den Intendanten so kritisch begleiten, muss man ihm vielleicht sogar als Verdienst anrechnen. Denn sonst haben es die OÖN nicht so sehr mit der Kritik. Wer das Blatt längere Zeit liest, lernt eine stark verengte Welt kennen, die vor allem aus OÖ besteht – dem wohlhabenden Oberösterreich und seinen, global betrachtet, Problemchen.
Allerdings schreibt Autor Ulrich Stock auch über die Diskrepanz von Rezeption und den Menschen dahinter, wenn er z.B. extra erwähnt, dass die "Moserer" sich dann im persönlichen Gespräch als humorvolle, selbstkritische Zeitgenossen erwiesen.
Ich verfolge (nicht zuletzt, weil ich das in vielen Bereichen ähnlich sehe) traditionell nur eine Sektion der OÖN.
Den Sportteil.
Dem nämlich, und seinem Verantwortlichen Christoph Zöpfl, bringe ich seit durchaus einiger Zeit durchaus einiges Vertrauen entgegen. Das hat nicht nur mit einer guten Kollaboration anlässlich der Prä-EM-Beilage "Arena" zu tun, sondern auch mit der, meinem Empfinden nach, durchaus kritisch-fairen Distanz, den der OÖN-Sport zu den Vereinen LASK und Ried einnimmt.
Das ist für mich ein entscheidender Indikator für die Glaubwürdigkeit eines Mediums. Wer sich wie Österreich oder die Krone allzu eng an Vereine anschmiegt (deren Stars geisterartige Kolumnen zuschreibt und sich dann auch in deren Policy einmischt) hat die (für mich) eben nicht.
Weil aber eine Redaktion, die ihren Auftrag in kritische Distanz erfüllt auch automatisch Interesse an anderen kritischen außensichten hat, war die Anfrage der OÖN, ob ich heuer einen Prognose-Wastl abgeben würde, dann nicht gar so überraschend.
Wiewohl sie mich vor die oben genannten Probleme gestellt hat.
Der Prognose-Wastl
Und die gehen über meine eigentliche Ablehnung der klassischen Anfang Juli-Prognose, die nicht einmal bis Ende August halten kann, hinaus.
Es ergeben sich Fragen: ist es für jemanden, der sich bewusst aus dem System Fußball in Österreich raushält, überhaupt gut in den Mainstream reinzugehen? Kann man dort in aller Offenheit und Schärfe agieren oder setzt da nicht ganz automatisch eine dezente Schere im Kopf ein?
Mir sind all diese Probleme klar; und trotzdem hab ich "Ja, gerne!" zurückgeschrieben. Weil Risiko-Nehmen und Was-Neues-Probieren nicht nur eine Forderung an andere sein kann, sondern auch für den Indie-Blogger gelten darf.
Ein Problem bleibt ohnehin: was zum Teufel kann/soll ich bei diesen kurzen Einschätzungs-Previews ernsthaft sagen, außer der Tatsache nichts Überprüfbares sagen zu können; oder außer auf die oben angesprochene Simpel-Psychologie zurückzugreifen.
Bis Dienstag hab ich Zeit.
Mal sehen, was rauskommt.
Vorschläge und Anregungen sind im Übrigen willkommen.