Erstellt am: 5. 7. 2009 - 06:00 Uhr
Song zum Sonntag: Moby
Moby - Mistake
Don’t speak to me this way
Don’t ever let me say
Don’t leave me again
I never felt this loss before
And the world is closing doors
I never wanted anything more
Don’t hug me this way
Don’t touch me this way
Don’t hug me again
Don’t hug me this way
Don’t touch me this way
Don’t hug me this again x 2
I never felt this loss before
And the world is closing doors
I never wanted anything more
Don’t let me make the same mistake again
Please, don’t let me make the same mistake again
Moby ist wohl so eine Art Heiliger. Er ist Veganer und lebt frugal, unterstützt den Dalai Lama, liest das neue Testament und betreibt einen Weblog über seinen Glauben, begeistert sich für Umweltschutz, Netzneutralität und Musiktherapie und unterstützt Kinder mit Panikattacken. Er sieht außerdem aus wie eine freundliche Version des großen Donald Pleasance (die Klapperschlange, Bond) und ihm wird weithin bestätigt, ein sympathisch gebliebener Kerl zu sein.

ministry of sound
Er könnte aber auch der Gottseibeiuns persönlich sein: Er nimmt nur die besten Stile, die mit authentisch-naivem Unschuldsnimbus (Punk, Techno, und Blues), und stellt mittels der beliebten Zukleister- Technik eine überharmonische Tapete für gefühlt ziemlich jeden Werbespot der letzten 10 Jahre her. Kein SUV, der durch Patagonien braust, ohne einen Schnipsel von Mobys Play Album, dazu noch Adidas, E.on, die Financial Times, Renault, Ferrero, Nokia, die sogenannten "Sound Alikes" noch gar nicht mitgerechnet - viel mehr braucht es nicht zum Schrecken.
Aus dieser lächerlichen Überpräsenz eines Interpreten in der Werbewelt und in den Medien hat sich für die Arbeitsweise von Moby ein lustiger Nebeneffekt ergeben:
Das "Play"" Album war derartig kommerziell erfolgreich und wurde - neben der Werbung, in sehr kleinen Einzelteilen, Bruchteilen, auch in ziemlich jedem Fernsehbeitrag eingesetzt - zum zeitweilig bekanntesten Sound der Welt gemacht. Jede/r erkannte jede Nummer von "Play" in zwei Sekunden. So hatte sich das Album mittels Totspielen wieder in die kleinsten Einheiten aufgesplittert, aus denen er sie zusammengesetzt hatte.
Durch den extensiven Einsatz der Vocal Samples von Field Recordings von Alan Lomax (und Zora Neale Hurston) hattten viele Menschen gedacht, diese Musik sei Seine. So hat er sich eine ganze Epoche zu eigen gemacht: Wenn irgendwo zufällig ein originaler Bluessänger, ein Gospelchor oder eine alte Jazzstimme a capella zu hören war, riefen alle kennerhaft nach zwei Sekunden "Moby" und waren enttäuscht, wenn nach weiteren vier kein schleppender digitaler Shuffle einsetzte.
Somit ist er, wiewohl das ungerecht klingt, auch ein bisschen für die Pest der vielen "Verve / Blue Note remixed" und "Nina Simone / Morricone / Blossom Dearie etc. verbeatet" verantwortlich.

Moby
Doch Moby beteuert seine Unschuld und seine künstlerische Redlichkeit jetzt. David Lynch sei ihm erschienen und habe ihm befohlen, vom Berg zu gehen und Gutes zu tun, sprich: eine möglichst unkommerzielle Platte zu machen. Und so geschah es. Sein neues Album Wait for me ist selbst geschrieben und eingespielt, die Videos selbst gedreht und gezeichnet, persönlich und leise gehalten, mit guten Freundinnen statt Jazzlegenden an den Vocals.
Das ist jetzt so unkommerziell, wie er es zusammenbringt, ist aber immer noch die eingängigste Musik der Welt. Es darf gebetet werden, dass die Werbeagenturfuzzis sich nicht zu sehr an den Sängerknabensamples von "A Seated Night" besaufen, sonst haben wir das - oder sein "Sound Alike" - die nächsten zwei Jahre in drei Unterbrechungen pro Film am Hals.

learnabit.cc
Mistake
Der Song zum Sonntag ist eine Kooperation zwischen FM4 und der Presse am Sonntag und erscheint hier wie dort, wo sich der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar der Kolumne annimmt.
Ein Lied singt er sogar selber, zweistimmig mit sich im Duett. Das Thema ist bluesig, klassisch: Sie hat ihn verletzt, sodass er geglaubt hat, die Welt habe ihre Türen für ihn verschlossen, das, was er sich am meisten gewünscht hat, ist jetzt weg. Und er möchte nicht nochmal verletzt werden, am besten sie berührt ihn nicht mehr, sonst macht er nochmal den Fehler, sich in sie zu verlieben. Auf "Mistake" hört man Mobys Liebe zu den Feelies, Seventies Country Rock und dem David Bowie von "This is not America". Sanft singt er die Schmerzzeilen, es wird auch wieder soviel gekleistert, bis die Violinstuckreste runterbröseln. Dann, zu einem schönen Schlagzeugsound, steigert sich die Nummer mit dreimaligem Tempo- und Gitarrenstilwechsel zu einer netten, sommerlichen Indierock-für-alle-Hymne, die in den College Discos die Wartezeit auf die nächste Arcade Fire erleichtert.