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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

3. 7. 2009 - 11:35

Something For The Weekend, Extraordinaire

Ausgehempfehlungen fürs Wochenende, dargebracht durch die Urlaubsvertretung

Denjenigen, die sich nun fragen mögen, warum sich denn die Partytipps fürs Wochenende heute nicht gar so linkmächtig wie an anderen Tagen gestalten, denen sei gesagt, dass Kollege Einöder, der angestammte Alleinverwalter des feiertechnischen Terminkalenders, derzeit im Urlaub weilt. Und vermutlich gerade selbst Partys veranstaltet, mit Kühlbox, vegetarischer Nudelpfanne in der Pappbox und super DJ. Das Land ruht aber freilich trotzdem nicht!

Poolbar Festival

Das so ziemlich Erfreulichste, auf das es sich heute, Freitag, noch hinzufreuen gilt, ist die Eröffnung des poolbar Festivals in Feldkirch, duh, Vorarlberg. Ein schönes Programm haben die guten Menschen von der poolbar da wieder in ihre schöne Location hineingebucht, viele, viele Bands, DJs und fein säuberlich auskalibriertes Rahmenprogramm wird es da bis 16. August zu erleben geben, Brooklyns Weirdo-Hopper Telepathe, Großmeister Grandmaster Flash, ...and You Will Know Us by the Trail of Dead, Buraka Som Sistema, der famose österreichische Walzerkönig Laokoongruppe oder Portugal. The Man sind da in der dicht geschichteten Schedule nur einige wenige Höhepunkte. And then some.

Freitag

Den Anfang macht am Freitag die allseits beliebte, englische und charmant pöbelnde Rumpel-Combo Art Brut, Frontmann Eddie Argos wird wie gehabt mit fettem Augenzwinkern einen ausnahmsweise nicht gar so mieselsüchtig gelaunten Mark E. Smith geben, der die Prüfungen, mit denen das Leben auf uns niederpeitscht, nicht ganz so schwer schultert, und das Alte Hallenbad plus vielen Menschen drin wird schwitzen. Unterstützung springt Art Brut in Gestalt von deutscher Krawall-Elektronik mit Banger-Attitüde zur Seite: Deichkind goes Mediengruppe Telekommander goes Beastie Boys, auch wenn die Herren von der Frittenbude das nicht so gerne hören mögen. Naja, Hauptsache es kracht!

art brut

mysapce

Art Brut

Gerne würde sich an dieser Stelle eine Empfehlung dahingehend befinden, dass, sollte man sich am Freitag nicht in der Nähe der poolbar aufhalten, man doch das Konzert von Belle Etage im Wiener Fluc besuchen könnte. Wenn das nur bloß nicht ein wenig den ewigen Seriositätsbestrebungen entgegenwirken würde und schamloser Selbstpromotion gleichkäme. Bell Etage sind nämlich eine ziemlich gute Band. Vor kurzem erst hat Sänger und Gitarrist Ernst Tiefenthaler ein feines Album voll schönem Singer/Songwriter-Kram veröffentlicht, mit der Gruppe Bell Etage gehts in Richtung US-Amerikanisch angehauchtem Indierock. Die DJs an dem Abend sind auch nicht so schlecht, aber - hey! - das muss jeder selbst entscheiden.

Four Elements Covention

Graz steht das gesamte Wochenende über im Zeichen der Four-Elements-Covention. Im Joanneum, in der Postgarage und im Forum Stadtpark plus Parkhouse werden da also die vier Stützpfeiler des HipHop - Rap und Plattendrehen, Sprayen und Breakdance - in Workshops, Diskussionen und, sicherlich nicht zuletzt, Partys ausgiebigst verhandelt und befeiert. Am Freitag beispielsweise mit einem Fest der Posse von den Meistern dickbassiger Partyhybride, Crunchtime, rund um die Herren Cee und Stereotyp. Dass die Crunchtime-Gang auch irgendwie ganz dick mit Worldbeat-Allesverwurster Diplo verbandelt ist, sagt zwar freilich gar nichts über die unbestrittene Qualtität von Crunchtime aus, es soll aber boulevardesk um Aufmerksamkeit heischend, zu erwähnen erlaubt sein. Man soll Crunchtime die Aufmerksamkeit schenken die sie verdienen.

Ich geh dann mal zum Jazz

Dass das Jazzfest Wien es mit den Formatierungen und Grenzen dessen, was jetzt Jazz ist, nicht ganz so genau nimmt, mag zwar den Jazzkonservativen da und dort leicht bitter aufstoßen, die Tatsache aber, dass so auf Bemühungen des Jazzfests hin immer wieder Größen mit 700-Seiten starkem Eintrag im Musiklexikon (im Alter von 48 Jahren upgedatet) in der Stadt landen, empfängt jeder gerne mit offenen Armen und Lotusblüten im Haar.

helge schneider

helge

Wurstfach

Mühlheims own Helge Schneider ist nun zwar nicht unbedingt ein in der Stadt selten Gesehener, wenn der Mann am Freitag in der Wiener Staatsoper sein ohnehin immer gut durchgejazztes Programm noch stärker Richtung richtig echtem Jazz wurstet, dann will man das doch nicht versäumt haben. Dass Helge Schneider nicht bloß Klamottenkasper und Gast bei Stefan Raab ist, sondern auch Musiker mit allem Drum und Dran und goldener Edelfeder der deutschen Philharmonie auf dem Kaminsims, könnte man ja fast schon wieder vergessen haben. Und wenn dann jemand "Katzeklo" in die Oper ruft, wird Schneider mit der Faust auf seinen Flügel dreschen, dass das Holz splittert, und den Störenfried des Saals verweisen.

Oldskool, Baby

Am Samstag dann beehrt mit Marianne Faithfull eine Frau die Oper, die mit einer Biografie nicht bloß gesegnet ist - die hat sie sich nämlich selber zurechtkonstruiert - von der Qualität eine Romans von Tolstoi. Marianne Faithfull hat schon alles gemacht und kennt jeden, vor allem aber, das soll man nicht vergessen, ist sie eine Meisterin der Interpretation, eine vom Leben Richtung gesunden Altersoptimisus gut vergilbte Schmerzensfrau, perfekte Übermittlerin der Essenzen und Aromen der mit sündteurem Whisky und zwei Packungen Zigaretten zuviel durchlebten gestrigen Nacht und große Sängerin. Dieses eine furchtbare Lied, das sie mit Metallica aufgebommen hat wollen wir ihr verzeihen und ihr huldigen.

Will man sich am Samstag jedoch eher Gegenwärtigem widmen, ist man mit Österreichs vielseitigster HipHop-Crew, den Waxolutionists natürlich, besser als gut bedient. Den heißen Eintopf aus klassischem Kopfnickertum, elektronischem Brutzel und Fiep und amtlich jazzy Jams gibts hier zu erfahren: Mosquito, Timelkam. Oder man lässt sich im Wiener Flex von Jerome Sydenham beim Special von Ibadan Records durch Beats die Ohren massieren.

bruce

myspace

Der Boss, der Arbeiter

Maybe We Ain't That Young Anymore

Der Höhepunkt des Wochenendes aber kommt am Sonntag über die Stadt. Die glorreichen Tage von Bruce Springsteen mögen zwar schon ein paar Jahre zurückliegen, dass der Mann ein ganz Guter ist, wird niemand leugnen wollen. Man soll ihn sich nicht von seinen zum Rockkonservatismus konvertierten Fans madig machen lassen. Der Mann hat ein paar der, sagen wir, 35 besten Rocksongs ever geschrieben, und covert so ganz nebenbei den Schrottplatz-Elektronik-Rockabilly von Suicide. Keep on Dreaming? Aber sicher doch.