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Burstup

Physische Welt, virtuelle Realität. Politik und Kultur.

2. 7. 2009 - 18:20

Kulturflatrate

Warum Pauschalgebühren für Internet-Inhalte ungerecht sind aber noch schlimmeres verhindern können.

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Immer öfter wird über die "Kulturflatrate" diskutiert, eine zentral eingesammelte Pauschalabgabe für Internet-Inhalte wie Musik oder Film. Beim Kauf von Computerhardware oder Handy wären ein paar Euro mehr fällig, eventuell auch bei den monatlichen Gebühren für den Internet- oder Mobiltelefonanschluss. Das Geld soll dann Kulturschaffenden und Rechteinhabern zugute kommen. Anfreunden können sich mit der Idee Verleger, Plattenfirmen, Künstler, vor allem aber Verwertungsgesellschaften wie AustroMechana, AKM oder GEMA: Sie sind es ja, die schon jetzt Vergütungen und Gebühren in Millionenhöhe verwalten. Die Idee einer "Flatrate" ist für sie nichts Neues, schon seit den achtziger Jahren wird etwa die sogenannte "Leerkassettenvergütung" beim Kauf von Tapes, CD-Rohlingen oder DVD-Rs aufgeschlagen und an die Verwertungsgesellschaften überwiesen. Die Frage ist nur: Wie wird das Geld verteilt?

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Bleiben wir bei der Leerkassettenvergütung: Als Ausgangsbasis für ihre Verteilung auf die Musiker nimmt die AustroMechana hier das Gesamteinkommen jedes Musikers. Zillertaler Schürzenjäger, Ambros und Fendrich kriegen das also meiste aus dem Topf, auch wenn die kleine HipHop-Band, die ihre Musik hauptsächlich auf Vinyl veröffentlicht, vielleicht hundertmal öfter auf Tape, CD und mp3-Player kopiert wurde.

Im Internet-Zeitalter könnten Downloads als Grundlage für die Verteilung einer zukünftigen Kulturflatrate herangezogen werden. Dies ginge freilich nicht nur mit datenschutzrechtlichen Problemen einher - auch die Frage nach der gerechten Verteilung würde sich weiterhin stellen, weil Downloadzahlen noch lange nicht der tatsächlichen Nutzung eines Werkes entsprechen müssen. Dazu kommen verfälschte Ergebnisse, erzeugt von technophilen Künstlern mitteles Scripts und Botnetzen.
Major-Plattenfirmen wiederum werden die Regeln der Verteilung maßgeblich mitbestimmen, weil ihre Vertreter ohnehin eng mit den Verwertungsgesellschaften zusammenarbeiten und sich auch bisher den größten Teil des Kuchens gesichert haben.
Letztlich muss auch irgendjemand entscheiden, wie eigentlich die Aufteilung der Kulturflatrate zwischen Musikern, Filmemachern, Autoren und anderen Künstlern zustande kommt.

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Das kleinere Übel

Trotz all dieser Nachteile können sich viele Menschen mit der Idee einer Kulturflatrate anfreunden - auch ich. Denn in den letzten Jahren sind die Riesen der Unterhaltungsindustrie zunehmend unter Druck geraten: Weil ihr altes Geschäftsmodell der Herstellung und des Vertriebs digitaler Inhalte auf Scheiben immer schlechter funktioniert, wandelt sich die Branche zunehmend zur Copyrightlobby und erhöht den Druck auf Internetuser und Politik. Im schlimmsten Fall führt das zu Maßnahmen wie der gerade noch verhinderten "Three Strikes Out"-Regelung in Frankreich, die dazu geführt hätte, dass Urheberrechtsverletzungen zur Sperre privater Internetanschlüsse führen. Das Grundrecht auf Informationsfreiheit sollte gegen das Urheberrecht ausgespielt werden - so weit sind wir also schon beinahe, und verglichen mit solchen Maßnahmen und dem immer lauter werdenden Geschrei nach Überwachung und Filterung des Internet erscheint die Kulturflatrate vielen Menschen als das kleinere Übel: Als Wegzoll fürs Internet, um die Beschädigung der Internet-Infrastruktur zu verhindern. Eine zusätzliche Einnahmequelle für Künstler, die das Sterben der alten Entertainment-Saurier freilich auch nicht verhindern wird.

Die Fragen, die es dringend zu diskutieren gilt, sind also: Wer soll die Kulturflatrate erhalten und verteilen? Will man das tatsächlich den bürokratischen Verwertungsgesellschaften überlassen, die schon mit den bisherigen Datenmengen kaum zurechtkommen und einen großen Teil der eingenommenen Gelder selbst verbrauchen? Wie soll die Erfassung der Daten bei gleichzeitiger Wahrung des Datenschutzes erfolgen? Wie hält man sowohl die Branchen-Lobbyisten, als auch mögliche Betrüger aus der Bewertung der Onlineverkäufe heraus? Den Konsum digitaler Kunst realistisch zu messen und eingenommene Pauschalgebühren entsprechend zu verteilen ist dann eine sinnvolle Angelegenheit, wenn nicht die Schere zwischen Bestverdienenden und Underground weiter auseinandergeht. Der politische Wille, sich mit der Klärung dieser Fragen ernsthaft zu beschäftigen, ist bisher nicht erkennbar.