Erstellt am: 2. 7. 2009 - 18:44 Uhr
Gib mir Volt!
Irgendwie hatte ich nach dieser Geschichte ein wenig Blut geleckt. Beim letzten Ungarnaufenthalt hingen schon überall die Plakate. Wieso also nicht? Wieder einmal ein Festival außerhalb Österreichs, jawohl!
Früher bin ich oft und gerne zum Sziget Festival gefahren, das wegen seiner Inselstadt-Atmosphäre sehr beliebt ist. Diesmal ging es quasi zum "kleinen Bruder": Zum Volt Festival nach Sopron.
FM4/ Alexandra Augustin
Einmal im Jahr verwandelt sich die Grenzstadt, die die meisten nur von Shoppingtrips und sämtlichen Körperpflege-Frisör-Nagelverfeinerungstouren kennen, in ein kleines Festivaldorf:
Am Rande der Stadt, irgendwo zwischen Wald und Weiher mitten in ungarischer Idylle und mit Blick auf die Tiefebene. Und Tatsache: Eine Froschkolonie quakt fröhlich vor sich hin in den abgezäunten Tümpeln, während die ersten Ankömmlinge schon mitten am Party machen sind.
Die Umgebung samt Aussicht ist kaum zu toppen und wie beim Sziget ist es auch hier deshalb so gemütlich, weil sich das Gelände in eine kleine, grenzenlose Partystadt verwandelt hat: Fast neben den Bühnen kann gecampt werden, alle sind entspannt, die Securities eigentlich auch nur Dekoration, glaube ich, denn jeder ist hier friedlich. Und das, obwohl angeblich 90.000 Besucher hier sind. Das ist immerhin eineinhalb Mal so viel wie in der Stadt Sopron selbst leben.
FM4/ Alexandra Augustin
Hungarian Sounds
Das besondere am Volt Festival ist, dass hier nicht nur internationale Musiker und Bands auftreten, sondern vor allem auch viele ungarische. Bands, von denen man außerhalb von Ungarn leider oft (noch) nicht so viel mitbekommt, was natürlich schade ist. Aus Ungarn, bzw. Budapest wirklich gute Sachen her: Da wären natürlich die mittlerweile recht bekannten The Moog, bei denen man auf den ersten Blick vermuten möchte, die schnieken Burschen wären aus England oder Schweden.
Und dann gibt es da noch Bands wie Amber Smith oder The Kolin. In Österreich wird man nur einen fragenden Blick ernten, wenn man diese Namen erwähn, in Ungarn werden die beiden aber ziemlich abgefeiert, wie ich gestern erleben durfte:
FM4/ Alexandra Augustin
Und jetzt muss ich kurz die typischen Festivalbeschreibungen von Schlamm, Sonnenbrand und Bierduschen überspringen und dafür ein bisschen tiefer in die ungarische Musikszene eintauchen. Vorher noch ein lustiges Bild:
FM4/ Alexandra Augustin
Die Szene in Ungarn
Vor allem in den letzten Jahren hat sich in Ungarn einiges getan, wie mir Imre Poniklo von Amber Smith im Interview erzählt:
„Es ist nun die Zeit für eine neue, junge Generation an Musikern hier. Eine Generation, die nach dem Ende des Kommunismus geboren wurde. Die jungen Leuten leben im Hier und Jetzt, sind mit Indie und Punk genauso aufgewachsen wie die Kids außerhalb von Ungarn und interessieren sich für das, was jetzt musikalisch passiert“.
Die Band, die seit neun Jahren auf der Bühne steht, orientiert sich an Musikern wie den Happy Mondays und The Smiths, singt auf Englisch und die vier schauen auch fast ein bisschen aus wie die ungarischen Cousins von Interpol. Melancholischer New-Wave-lastiger Sound ist die Devise. Und trotzdem: Abgekupfert wird hier nichts, die Herren sind sich ihres eigenen Stils sicher. Das haben auch die Organisatoren des SXSW bemerkt, und Amber Smith vergangenen Februar nach Austin eingeladen. 2008 haben Amber Smith den Fonogram Award für das beste Alternative Rock Album für ihr letztes Album "Introspective" einkassiert.
FM4/ Alexandra Augustin
"Lange Zeit gab es nur wenig Unterstützung seitens der Radiosender, die lieber Folklore- und Klassikgedudel spielten, als die junge ungarische Musikszene zu unterstützen", meint Sänger und Keyboarder Marko von The Kolin im Interview.
Das ändert sich aber langsam. Eine Programmreform brachte vor zwei Jahren mehr Musik abseits des Mainstream ins Ungarische Radio, in Form des Senders MR2, den man als Äquivalent zu FM4 beschreiben kann. Indiepop, Hip Hop, elektronische Beats - nicht nur aus dem Ausland, sondern vor allem auch ungarische Musiker werden hier supportet. Wie bei FM4 gibt es Studiosessions für ungarische Musiker.
Und über wenig Aufmerksamkeit dürfen sich The Kolin nicht beschweren. Haben sie doch für ihr letztes Album "Yell into the Kazoo" einen Major Label Deal mit Universal Hungary an Land gezogen.
FM4 Alexandra Augustin
Die Truppe, die man getrost als Bastard zwischen Gossip und Scissor Sisters beschrieben kann, ist vor allem in der queeren Community mittlerweile ziemlich beliebt. Sexy Performances in engen Turn-Trikots, ein bissi Schmusen auf der Bühne inklusive. Dabei war Sänger Marko früher im ungarischen Knabenchor und hat Klavier studiert. Auf der Bühne sind sie jetzt dafür umso weniger brav:
FM4/ Alexandra Augustin
Franz Ferdinand
So wie die Headliner des ersten Tages des Volt Festivals - Franz Ferdinand - auf den großen Bühnen stehen, das würden beide Bands natürlich gerne. Amber Smith waren schon in Europa und Japan unterwegs, The Kolin arbeiten gerade daran eine Tour und Gigs außerhalb von Ungarn zu organisieren.
Und apropos Franz Ferdinand: Die habe ich sicher schon drei Mal live gesehen, aber so eine tolle Atmosphäre wie gestern am Volt habe ich noch nicht erlebt. Wirklich JEDE und JEDER hat mitgesungen, mit geklatscht und brav die "Uh Uhs" und "Ah Ahs", zu denen sie von Alex Kapranos angestiftet wurden, wiederholt. Die Hände wurden geschwungen, vor mir brav Twist getanzt. Bei wirklich jedem Lied war Partystimmung angesagt. Die Ungarn lieben Franz Ferdinand!
FM4/ Alexandra Augustin
FM4/ Alexandra Augustin
FM4/ Alexandra Augustin
FM4/ Alexandra Augustin
Mehr über Amber Smith und The Kolin gibt es heute, am 2. Juli in FM4 Connected und am Sonntag, 5. Juli auch im FM4 Festival Radio zu hören!
Das Resümee, nachdem Franz Ferdinand das Partyvolk mit "Michael" (ja ja, wir wissen) als Zugabe in die erste dunkle Nacht hier entlassen hat: Das Volt Festival ist großartig. Weil man als jemand von außerhalb vielleicht gar nicht weiß was man neben bekannten Acts serviert bekommt, quasi ein kleiner Kultur-Musikurlaub mit Überraschungseffekt!
Für Kurzentschlossene: Bis zum vierten Juli findet das Volt Festival in Sopron noch statt.
Szia!