Erstellt am: 1. 7. 2009 - 19:55 Uhr
Journal '09: 1.7.
Gestern Abend: Ich sitze bei einem Sommerfest (einem richtigen, wo das Team nach der letzten Produktion Gäste einlädt und feiert und sich dann für zwei Monate trennt) mit einer Vertrauten zusammen und wir handeln, aus aktuellen Anlässen ein Thema ab, das immer wieder auftaucht: das Ungleichgewicht, was suchende Single-Männer und Single-Frauen betrifft. Wir bleiben im Hetero-Bereich, anderswo ist alles noch ein Eck komplizierter.
Wenn es darum geht einen schnellen Aufriss zu machen sind Frauen deutlich im Vorteil: Sie bestimmen, was wie in welchem Tempo abgeht, die Buben sind da, ob sie’s glauben/wollen oder nicht, eher Spielbälle.
Wenn es aber um Partnersuche geht, also um „was Ernstes“, ist es – zumindest in unserer Umgebung – so, dass sich Frauen weitaus schwerer tun, einfach weil der Pool kleiner ist. Ein an sich absurdes Phänomen, weil die Verteilung ja auch hierzulande recht stabil bei etwa 50:50 liegt.
Aber genau da sind wir in diesem Gespräch am Rand einer kleinen Party in einem Vorgarten einen (Denk-)Schritt weitergekommen. Wobei: „Wir“ heißt in diesem Fall meine Vertaute, ich war da nur ein erstaunter Mitdenker und Stichwortgeber.
Selbstbeschränkung durch Distinktionsuche
Dieses gefühlte Gefälle ist auch ein reales. Aber nicht weil es die Zahlen hergeben, sondern weil die Erwartungen, Haltungen so einschränkend sind.
Das hat mit den historisch bedingten, tradierten und unbewusst auch der aktuellen, sonst so selbstsicheren Generation von Frauen weitergegebenen Parametern bei der Partner-Wahl zu tun. Der, den sie akzeptieren, der muss zumindest gleichwertig sein, was Sozialprestige, Finanzen, Stellung und Image betrifft, aber in mindestens einem dieser Felder sogar überlegen.
Drunter geht’s nicht.
Männern ist es seit jeher ein bissl egal, ob die Frau an ihrer Seite schlechter ausgebildet, abgesichert oder angesehen ist. Die Problemzone beginnt erst dort, wo zumindest zwei, eher drei Teilbereiche von Überlegenheit erreicht werden – erst dann schaltet sich männliche Eitelkeit ein.
Das heißt aber, dass der Pool, aus dem die Herren schöpfen können, sehr sehr groß ist, letztlich fast alle Frauen umfasst – weil ja auch in sehr selbstbewussten Frauen dieser Hang zur Schräglage schlummert, die den Partner dann automatisch größer macht, als er vielleicht in echt ist.
Und es heißt, dass sich Frauen massiv selbstbeschränken.
Dadurch dass sie in den letzten Jahren und Jahrzehnten sozialprestigemäßig und vom Selbstverständnis her deutlich entwickelt (= emanzipiert) haben, und dadurch dass im gleichen Zeitraum das alte Gefälle-Denken nicht abgestellt werden konnte, fallen viele einstmals als überlegen oder gleichwertig Akzeptierte weg.
Einengende Akzeptanzen
Uns fallen gemeinsam nicht mehr als zwei Freundinnen /Bekannte ein, die über diese Dünkel erhaben sind und einen Partner haben, der (im direkten Vergleich) mit weniger Sozial-Prestige aufwarten kann. Und auch bei den jüngeren Bekannten ist da keine echte Entwicklung zu bemerken. Da wird weiter recht konservativ (in diesem Fall destruktiv) agiert.
Dieses aus dem 19. Jahrhundert übernommene Selektions-Denken ist ein kapitaler Verhinderer, aber nicht wegzukriegen; zumindest nicht in dieser Generation, immerhin einer, die von Leuten wie Madonna laufend vorgeführt bekommen hat, wie’s eigentlich gehen würde.
Dazu ist es zu tief drinnen, zu fest angelegt
Später, als wir dann, in einer anderen Konstellation in „der Pawlatschen“ gelandet sind, erzählt (in einem völlig anderen Zusammenhang) die Schnittmeisterin von den Dingen, die sie, als Frau, anzipfen.
Zum Beispiel die Geschichte von dem Typen, der den Job bekommen hatte, obwohl es zwei besser qualifizierte Frauen gegeben hat; ja, das ist auch schon Scheiße genug, aber Alltag. Angezipft hat sie dann das Verhalten der beiden, die (ungerechtfertigterweise) nicht zum Zug gekommen waren: Anstatt sich inhaltlich zu verbünden, widerständisch zu agieren oder sonst einen Punkt zu setzen, hätten die sich darum gestritten, wer dem Typen den Kaffee bringen dürfe. So wird das nie was, sagt die Cutterin, und weiß nicht, dass sie das, was ich Stunde vorher über die Schieflage erfahren und durchgesprochen habe, mit einem praktischen Beispiel unterstreicht.
Und das PS mit der Kaffeebrüherin
Noch später, als ich beim besten Kaffeestand der Stadt, der Kaffeeküche in der Schottentor-Passage, eine Melange trinke, erlebe ich, wie die junge Frau, die dort den Frühdienst hat, allein durch den Laden wirbelt, Tische rückt, gläserne Roll-Läden hochzieht, Leute vertröstet und beplaudert, Kaffee kocht und das alles in aller Herrgottsfrühe, und das mit einem verzauberndem Lächeln, das die drei Kerle vor mir merkbar hinreißt, beruhigt und bannt.
Ich wette, dass jeder der drei die junge Servierkraft sofort ausführen und bei Gefallen zu ihrer Freundin machen wollen würden, egal ob sie nebenbei studiert, modelt, nixtut, egal ob sie Sozialprestige hat oder nicht. So wenig denkt unsereiner letztlich über die Dinge nach, die Frauen sowohl bewusst als auch unbewusst unendlich lang und intensiv beschäftigen.
Und ich wette, dass es auch Jungs gibt, die genauso rüberkommen, genauso bezaubern und dass sich keine Frau, die was auf sich hält, dazu hinreißen lassen würde einen Kellner ernsthaft für mehr als nur einen kurzen Flirt in Betracht zu ziehen.
Er muss was darstellen, sonst geht nix. Und zwar hauptsächlich der Außenwelt der Umgebung gegenüber, Repräsentation.
Okay, der Satz ist ironisch übertrieben…
Und unter dieser mittlerweile bereits den kulturellen Fortbestand gefährenden Einschränkung leiden dann alle. Die Frauen, denen nichts und niemand passen kann, weil der Akzeptanz-Horizont zu klein ist; und die Männer, denen da womöglich die wirklich guten Frauen entgehen.
Die Mann-Frau-Schräglage jedenfalls wird sich, sollte die nächste Generation, die sich gerade aktuell prägen lässt, da auch keine wesentlichen Fortschritte erzielen, in immer absurder werdenden Missverhältnis-Szenarien manifestieren.