Erstellt am: 1. 7. 2009 - 11:47 Uhr
Profit schlagen aus der Krise
Die zunächst als Subprime-Krise in Erscheinung getretene aktuelle Krise wies auffällige Parallelen zur Schuldenkrise vieler Staaten im Süden in den 80er Jahren auf, wie ich hier schon einmal bemerkt habe: Kredite statt Umverteilung, der letztlich scheiternde Versuch, mit den Armen Geschäfte zu machen.
Monate nach Ausbruch der Krise, wo man glauben könnte, damit seien solche Praktiken auf absehbare Zeit diskreditiert, zeigt sich eine weitere Parallele zu damals: Der Versuch, mit der Krise Geschäfte zu machen, wieder auf dem Rücken der Armen, wird zum neuen Geschäftsmodell.
Unter Geiern
Die Schuldenbedienungsprobleme der Staaten des globalen Südens in den 80er Jahren riefen sogenannte "Geier-Fonds" auf den Plan. Sie kauften den Gläubigern, die die Hoffnung auf vollständige Rückzahlung ihrer Kredite durch die Schuldner-Staaten aufgegeben hatten, die Forderungen zu einem Diskontpreis ab. Und machten sich daran, vor Gericht die Rückzahlung der Schulden auf Pfennig und Heller einzuklagen. Sie verweigerten sich internationalen Abkommen zur Schuldenreduktion und klagten unter Ausnützung von Vertragsklauseln auf bevorzugte Rückzahlung ihrer Schulden vor allen anderen Schuldnern – was manche Staaten in die Nähe des Bankrotts brachte.
Und auch heute in den USA sind die Opfer der Subprime-Krise Objekte eines "neuen Goldrauschs" im Finanzsektor: Eigene Unternehmen haben sich darauf spezialisiert, gezielt alte Konsumentenschulden aufzukaufen, bei denen die Gläubigerfirmen längst jede Hoffnung auf Rückzahlung aufgegeben haben. Zu den angekauften Altschulden addieren die Käuferfirmen saftige Gebühren, senden beeindruckende Zahlungsaufforderungen und reichen Klage auf Zahlung bei Gericht ein. Weil von diesen AltschuldnerInnen oft keine aktuellen Adressen bekannt sind, werden auf gut Glück aus dem Telefonbuch Adressen von Menschen mit dem betreffenden Namen herausgesucht. Nicht selten sind es gar nicht die Gesuchten. Doch statt in genauere Überprüfung zu investieren, wird von den Schulden-Käufern auf Verdacht geklagt, in der Hoffnung, die Geklagten zu überrumpeln und an Geld zu kommen.
Auch über KreditkartenschuldnerInnen, die durch die Krise in Zahlungsverzug geraten sind, sind die Geier unterwegs: Thema Nummer 1 bei Spam-Mails und Gegenstand vieler konventioneller Werbungen sind Dienste von Agenturen, die anbieten, im Namen von KreditkartenschuldnerInnen Zahlungsaufschübe und Umschuldungen mit der Kreditkartenfirma zu verhandeln. Viele dieser Angebote sind offenbar mehr oder weniger Betrug: Die Gebühren sind sofort fällig, aber die Gegenleistung kommt nie.
Medien-Aufmerksamkeit?
Während die Medien-Schlagzeilen von ach so tragischen Geschichten über Milliardäre, die durch die Krise die eine oder andere Milliarde verloren haben, dominiert sind, sind Berichte über die genannten Vorkommnisse die Ausnahme. Die tatsächlich Armen fallen aus dem Medien-Radar, kritisiert die US-Publizistin Barbara Ehrenreich. Die Finanzkrise führt zum Verlust der eigenen Wohnung, bei den Sub-Prime Kreditnehmern platzt der Traum vom eigenen Haus, und die Leute stehen entweder auf der Straße oder ziehen zu Verwandten in überfüllte Unterkünfte.
Neue Verkehrsregeln im Finanzdschungel
In Zukunft soll in den USA eine neue Konsumentenschutz-Agentur dafür sorgen, dass der Finanzsektor keinen Boom mehr auf dem Rücken der Armen entfachen kann. Weil bei den Behörden der Bankenaufsicht Konsumentenschutz zugunsten der Stabilität und Profitabilität des Bankensektors häufig unter die Räder gerät, fasst ein neuer Gesetzesvorschlag der Obama-Regierung die Kompetenzen für Hypotheken, Kreditkarten und andere Formen der Konsumentenverschuldung in einer neuen Agentur zusammen. Ob sie die Macht haben wird, den Geschäftsinteressen der Finanzindustrie etwas entgegenzusetzen, bleibt abzuwarten.
Diese hat mittlerweile eine einfallsreiche Strategie entwickelt, um dem Zorn der Menschen auf Bankkonzerne, die Gewinne privatisieren und Verluste verstaatlichen lassen, zu entgehen: Simple Namensänderung. Einige Finanzkonglomerate haben in den letzten Wochen einfach ihre Namen geändert, der Versicherungskonzern AIG mutierte zu AIU, die Bank GMAC wurde zu Ally, der "besseren Bank".
TV-Tipp:
Inszeniert von Gebauer/Langbein tritt der Pinguin am Donnerstag (2.7.) um 22h30 in der ORF-Sendung "eco" auf und gibt eine Episode zum „ABC der Krise“ zum Besten.
Auch die EU hat unlängst einen Gesetzesvorschlag gegen verantwortungslose Kreditvergabe zur Begutachtung veröffentlicht. Ein Hauptpunkt scheint jedoch die bessere Kontrolle der SchuldnerInnen, nicht der GläubigerInnen zu sein, nämlich ein verbesserter grenzüberschreitender Informationsaustausch über die Kreditwürdigkeit von SchuldnerInnen zwischen nationalen Kreditregistern. Konsumentenschutzorganisationen würden demgegenüber mehr auf Datenschutz der KonsumentInnen pochen und stattdessen strengere Vorschriften für die Banken, nur geeignete Angebote zu machen, fordern.
Für die Armutsbekämpfung durch verstärkte Umverteilung gibt es hingegen keine EU-Initiative. Wer auf nationaler Ebene solche Vorschläge macht, muss mit härtesten Sanktionen rechnen.