Erstellt am: 30. 6. 2009 - 16:17 Uhr
Pirate Bay soll verkauft werden
Mit der Ankündigung des Verkaufs der Filesharing-Suchmaschine The Pirate Bay an die Werbe- und Softwarefirma Global Gaming Factory X AB verursachten die Oberpiraten geradezu einen Skandal in der Filesharing-Szene. Für 60 Millionen Kronen, also 5,5 Millionen Euro, soll der bekannteste Torrent-Tracker den Besitzer wechseln - eine Hälfte in Cash, eine in Aktien. Sellout oder Bail-out?
Die - mir bis dato bekannten - Hintergründe habe ich bereits hier aufgeschrieben, an dieser Stelle will ich mir ein paar grundsätzliche Gedanken zum Thema Pirate Bay machen. Trotzdem die kurze Zusammenfassung:
Die Verantwortlichen der Pirate Bay wollen Domain, Webinhalte und damit verbundene Unterseiten abgeben - offizielle Eigentümer waren sie seit 2006 nicht mehr. Das eingenommene Geld soll in eine Stiftung fließen, die weitere Projekte der Piraten unterstützt.
Der neue Besitzer will die Seite angeblich weiterbetreiben, aber Einkünfte an Urheber weiterleiten und mithilfe ebenso dazu erworbener Anteile an der Technologie-Firma Peerialism AB ein neues Torrent-Vertriebssystem digitaler Inhalte aufbauen.
Soweit die Theorie. Was sich Onlinepiraten freilich tatsächlich fragen: Was steckt wirklich hinter den warmen Worten? Einige wähnen die Pirate Bay schlicht tot, wie man zum Beispiel bei den Kommentaren zum offiziellen Blog-Eintrag der Piraten oder beim Filesharing-Blog Torrentfreak ablesen kann: klick und klack.
Tatsächlich tut sich einiges in Filesharingland: Zum einen boomen private, nach außen abgeschottete Torrent-Tracker, zu denen man nur nach Einladung Zutritt bekommt und die die strenge Einhaltung von Regeln und Upload-Raten einfordern, zum anderen wird das achtjährige BitTorrent-Protokoll wohl nach und nach von Server-losen Filesharing-Techniken ersetzt, die keine vorgefertigte Struktur mehr benötigen, sprich: Server, die beschlagnahmt oder kontrolliert werden könnten. Ein Beispiel: Tribler, der dezentrale BitTorrent-Client, der auch Dateien streamen kann. Videostreaming mit BitTorrent-Technik hört sich nach tollen Möglichkeiten an - damit braucht man keine Serverfarmen -, sind allerdings auch irgendwie ein, äh, alter Hut, den sich noch niemand richtig aufsetzt.
@piratebay.org
The Pirate Bay wird durch so eine Entwicklung schlicht überflüssig: Medieninhalte fließen zum Nutzer. Der muss keine Musik- und Filmdateien mehr herunterladen, diese schweben vielmehr im Netz: Ein ständiges Angebot, das mit der eigenen Upload-Kraft mit am Leben gehalten wird. Es ist ja das grundlegende Problem solcher Tracker: Sie durchsuchen, aber bieten nichts an. Sie wissen alles, aber man muss sie fragen. Last.fm und Co. machen vor, dass es aber auf Angebote ankommt.
Meine Vermutung ist jetzt - mal von der drohenden Gefängnisstrafe und dem 30 Millionen Kronen (2,74 Euro) teuren Schadensersatz abgesehen - dass die Piraten sich auf ihre Rolle als Pioniere der Infrastruktur besinnen wollen. Jetzt schon bieten sie Anti-Überwachungswerkzeuge, wollen ein neues Online-Bezahlsystem etablieren und eine alternative Videoplattform aufbauen. Angenommen - und an dem Punkt bin ich mir nicht gerade sicher - angenommen, die Pirate-Bay-Verantwortlichen sind tatsächlich Überzeugungstäter, ideologische Piraten, dann müssen sie sich quasi von der Pirate Bay entfernen, zum einen, weil sie ihr Ende vorhersehen, zum anderen, weil sie der Koloss langweilt. Denn es gibt erheblich interessantere und - aus piratenideologischer Sicht - sinnvollere Betätigungen im weiten Meer der Urheberrechtsverletzungen aka Medienwandel als Dateien zu verwalten.
Was mich zudem verwirrt, ist der fast greifbare Scheißegeruch dieser ganzen Geschichte. Ein unbekanntes Zwergaktien-Unternehmen bietet eine Millionensumme für ein Monstrum einer Website, dessen Betreiber demnächst wohl ins Gefängnis gehen, will diese Website komplett umwälzen (Geld an Inhaber von Urheberrechten auszahlen), aber alles beim Alten lassen. Das kann es doch nicht sein, oder? Hat da jemand eine superpopuläre Domain gekauft und aus einer gewissen Verbundenheit einen gewisse Mäzenstatus versprochen für eine gewisse Zeit? Will da jemand an Technologie und Knowhow ran, ein fertiggebautes Modellflugzeug? Oder ist das eine etwas aufwändige Version eines Werbegags, der den Aktienkurs der GGF sprunghaft vervielfachen soll - um damit leichter einkaufen zu können?
Klar ist: Gewinner der Geschichte ist bislang die Global Gaming Factory X, deren Aktienwert sich schlagartig verdoppelt hat. Gelitten hat die Glaubwürdigkeit der Pirate-Bay-Verantwortlichen, die noch bis gestern irgendwas zwischen Märtyrer und politischer Leitfigur verkörperten und jetzt einstecken müssen.
Vielleicht ist damit die große Blase geplatzt, die sich die reichlich arroganten Oberpiraten selbst aufgeblasen haben - ein Blick in den PB-Blog reicht. Vielleicht ist das Verfahren, das sie erstinstanzlich verloren haben und zu dem sie in Berufung gehen, doch auch endgültig verloren, vielleicht die ganze Befangenheits-Nummer ein peinlicher Patzer, der den Piraten den Nimbus nimmt und sie als trotzige Kinder dastehen lässt, die nicht verstehen wollen, dass sie gegen Recht verstoßen haben. Egal, wie das moralisch auch zu bewerten ist.