Erstellt am: 27. 6. 2009 - 17:03 Uhr
Journal '09: 27.6.
In der aktuellen Ausgabe des polyglotten Magazins Monocle ist Wien auf Rang 6 im Ranking der lebenswertesten Städte der Welt, in Rufweite zu Zürich, Stockholm, Kopenhagen oder München, und vor allen australischen oder kanadischen Städten, vor Paris, Berlin, Madrid, weit vor Amsterdam.
Trotzdem ist in den Top 15 Wien die einzige Stadt aus einem Land, in dem man die Werte die dieser Lebensqualität zugrunde liegen, und die selbstverständlich auch das ganze blühende Land umfassen, nicht schätzt, sondern sich - in einer Art Komplettauflehnung gegen die Realität - eine autoritäre Struktur herbeisehnt, die die kulturellen und gesellschaftlichen Qualitäten, die so eine Entwicklung herbeiführen nicht nur unterlaufen sondern ins Gegenteil umkehren.
Die Basis-Fakten dazu sind in dieser Studie versammelt, ich habe meine Interpretation, nämlich als den unumkehrbar beschrittenen Weg in eine Security-Demokratie autoritärer Prägung folgen lassen.
Daraufhin gab es bejahenden Widerspruch und meine Präzisierung, was die Einzigartigkeit der aktuellen Lage betrifft, nämlich die umfassende Verachtung der Jungen und der Aktivisten.
In einer weiteren interessanten Reaktion (die sich allesamt natürlich nur im Blog-Bereich bewegen, die Print-Kollegenschaft ist weitaus zu schwerfällig um ihr Nachdenken halbwegs zeit-gemäß zu artikulieren - an diesen Grundübel wird sie entweder zu arbeiten haben in der nächsten Zeit, oder auch einfach scheitern) spricht Georg Günsberg in seinem Text Über die Diskrepanz zwischen Politikblase und sozialer Realität ein mitentscheidendes Thema an.
Substanz or Not-Substanz
Ich zitier ihn einfach:
Wir leben in einer Politikblase, die dabei ist, jeglichen Kontakt zu vielen sozialen Realitäten zu verlieren. Eine Welt, die sich mit Leitartikeln, einzelnen Aussagen von Akteuren unserer Polit-Landschaft und jetzt gerade den Aussagen des Krone-Chefredakteurs auseinandersetzt, aber kaum mehr Wege und Mittel findet, einen vertrauensbildenden Diskurs über die Themen der Jetztzeit und Zukunft zu führen. Und gerade weil wir bei Jugendlichen das Erstarken der Rechten beobachten können. Handwerklich gelingt das leider gerade der FPÖ, hier ein Angebot zu machen. Eines ohne wirklich inhaltlicher Substanz, aber mit Wirkung. Es ist aber nicht ihre Stärke, sondern die Schwäche der anderen politischen Kräfte, insbesondere der Etablierten, die dies ermöglicht.
Das hat natürlich auch mit allgemein menschlichen Konditionen (wie der Tratschsucht, der Sensationslust und der Skandal-Kommunikation) zu tun, aber Günsbergs Beispiel illustriert den Themenführungs-Verlust recht deutlich. In einer funktionierenden Demokratie mit funktionierendem politischen Diskurs und funktionierenden Medien wäre die jüngst ausgebrochene Matura-Reform ein zentrales, wichtiges und tagelanges Diskussions-Thema. In Österreich schafft es aber nur ein Bildungs-Thema in diese Kategorie - und das war kein echtes: der angedrohte Lehrerstreik.
Da konnten die niederen Instinkte, der dem durchschnittlichen Österreicher innewohnende Hass gegen Lehrer, die ebenso von Populisten geboostete Verachtung sowas wie Bildung und Lernen gegenüber aufgeblasen werden, und zwar von allen Beteiligten. Daran geilte sich eine Pseudo-Diskussion auf, an sonst nicht viel mehr.
Die Verelendung der Partizipation
Und wenn es darum geht sowas wie partizipative Ansätze zu ermöglichen, drücken sich die Verantwortungsträger wenig elegant drum herum - auch weil sie wissen, dass sie damit bei populistischen Medien, einem entsprechend gebrieftem Publikum und vor allem auch bei den mittlerweile nur noch auf Effekte schielendem Personal kein Leiberl haben.
Günsberg mahnt Substanz ein - etwas, was bereits seit allerspätestens der Klima-Ära fehlt: Es braucht politische Auseinandersetzung auf allen Ebenen. Auseinandersetzung nicht nur im Sinne von Streit (richtig und kultiviert streiten soll gelernt werden), sondern in Form politischer Bildung, Partizipation, Verständlichkeit politischer Inhalte und insbesondere neuer Diskursformen. Nicht nur online, aber auch.
Und nicht nur bei den Grünen, die sich nach dem Druck einer nicht parteibuchgebundenen Basis, jetzt, nach viel verschütteter Milch aus den durchaus falschen Gründen und mit wenig Verstand dran annähern. Auch weil sie das simple Denk-Instrumentarium nicht beherrschen.
Etwa das, was Georg Günsberg sehr schön zusammenfasst:
Es geht nicht um Polit-PR, sondern um Empowerment. Um die Befähigung der Menschen zur Politikkompetenz einerseits. Und die Befähigung der politischen Akteure zur Kommunikationskompetenz.
Kommunikationskompetenz
Für ersteres ist es meiner Meinung nach zu spät: die Maßnahmen um der dort bereits verbrochenen Verdummung zu begegnen, würden erst zu einem Zeitpunkt greifen, wo es bereits zu spät ist. Da zudem nicht damit zu rechnen ist, dass die schwächlich durchdachte Integrations-/Bildungs-Politik des Landes in den nächsten 5 Jahren irgendwohin führt, ist die Chance auch gleich für die nächste Generation verbaut.
Zweiteres geht schneller.
Und natürlich kann Kommunikations-Kompetenz die Lage ändern, die Meinungen drehen. Das sieht man an den simplen Beispielen Obama einerseits, Haider/Strache andererseits.
In dem Zusammenhang ist natürlich auch ein anderes Thema wichtig: die zunehmende Offensichtlichkeit der Machtlosigkeit des klassischen Politiker-Typus durch ein komplexes ökonomisches System, bei dem die Fäden zusammenlaufen. Dazu vielleicht morgen mehr.
Auch hier ist keine Besserung in Sicht; der Ernennungs-Komplex, der Banken/Medien/Industriellen-Trust hinter dem politischen Establishment hat sich auf den Schröder-Typus fixiert, steckt im Denken noch fest in der Vergangenheit fest. Die Kommunikationskompetenz kann also - wie alles, was Sinn macht, Risiko nimmt und verändert - nur GEGEN den Willen der Definitionsmächtigen durchgezogen werden.
Dafür braucht es Mut.
Und auch den seh' ich aktuell (außerdem der bei jedem Aktiönchen automatisch einer selbstgefälligen Demütigung durch die Versager-Vorgänger-Generation unterzogenen jungen Aktivisten nicht) nirgendwo.