Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Fußball-Journal '09-49."

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

25. 6. 2009 - 20:00

Fußball-Journal '09-49.

Angesagte Idiotien finden manchmal nicht statt. Wie der geplante Ligareform-Knieschuss verhindert wurde.

Die Idiotie ist die Installation einer 16er-Liga als zweite überregionale professionelle Leistungsstufe.
Die zusätzliche Knieschuss die Auflösung der 3. Leistungsstufen, der Regionalligen (die im Gegensatz zur 2., der aktuell mit 12, künftig nun doch mit 10 und nicht 16 Vereinen besetzten sogenannten 1. Liga derzeit grade halbwegs funktionieren).

Zumindest ersteres (die Idiotie) wurde heute verhindert.
Eine Abstimmung war nötig geworden, weil sich der (nicht ganz zuständige) ÖFB dafür ausgesprochen hatte.
Teile der (eher zuständigen) Bundesliga wollte diese 16er-Liga, andere nicht, es kam zu keiner Mehrheit, also wurde die Schnapsidee abgesagt. Dass die Liga-Vertreter am 1. Akt beteiligt war und nur in Detailfragen anderer Meinung waren, ist bereits vergessen (und würde die Verwirrung über diese Fähnchen im Meinungswind nur verstärken).

Hintergründe gibts hier nachzulesen.
Im übrigen ist am Rande dieser Geschichte der 1.Liga-Vizepräsident, Anton Hirschmann zurückgetreten.

Großes heftiges Aufatmen.

Zwar ist der zweite Teil des Knieschuß-Plans, die Eliminierung der Regionalligen, von diesem Beschluss unbehelligt (denn diese Leistungsstufe wiederum geht die Liga nur bedingt an) - allerdings ist auch hier mit Vernunft (und Beibehaltung) zu rechnen.

So weit, so gerade noch durchschaubar.

Zurückrudern als Chance

Wenn man sich aber näher drum kümmert, welche Player warum wofür oder wogegen waren, offenbart sich die ganze planerische und philosophische Armseligkeit des österreichischen Fußballs.

Denn, merke: kein einziger Abstimm-Beweggrund hat etwas mit Vision, Mit- oder gar Vorausdenken zu, es geht ausschließlich um kleingeistige Vorteile und Pfründe.
Das kommt eben dabei raus, wenn man die sieben Zwerge über Schneewittchen abstimmen läßt.

Fakt ist dass eine Zwei-Drittel-Mehrheit recht deutlich verfehlt wurde - obwohl die Stimmen der Profi-Vereine unterschiedlich viel wert sind.
Fakt ist, dass 6 der 7 stimmberechtigten 1.Liga-Vertreter dagegen stimmten. Klar: die haben großteils Angst davor die eh schon spärlichen TV-Gelder mit noch mehr anderen teilen zu müssen.
Mehr noch: Premiere (ab Juli mit neuem Namen, nämlich Sky) hat bei einer 16er-Liga mit Rückzug gedroht.

Fakt ist, dass 7 der 10 Bundesliga-Vertreter für eine 16er-Liga gestimmt haben.

Im Fall von Ried und dem LASK muss man sich ernsthaft fragen, was die sich eigentlich gedacht haben. Bei Magna und Kärnten stellt sich diese Frage nicht. Man kennt die Antwort (nichts) bereits.

Weil vielen von ihnen völlig wurscht ist, was unten passiert, solange der Kuchen in der obersten Spielklasse weiter durch zehn und nicht durch 16 geteilt werden muss.

Die Antreiber hinter der 16er-Liga-Lösung waren aber die Großen: Salzburg und Rapid, auch die Austria.

Ihre zentrale Argumentation: für ihre zweiten Teams, die B-Mannschaften, die sogenannten Amateure wäre so eine Liga ideal. Aktuell spielt sowohl der zweite Anzug von Austria als auch der von Salzburg in der 1. Liga, Rapid würde bei minimaler Anstrengung wohl problemlos der Aufstieg gelingen.

Der Amateur-Terror

Die Teilnahme der B-Teams in der zweiten Leistungsstufe ist der feuchte Traum der Groß-Klubs: zusätzliche TV-Kasse, Weghalten möglicher lokaler Konkurrenz durch Verstopfen der Zugangswege, doppelte mediale Aufmerksamkeit etc.
Sie ist aber auch etwas anderes: einzigartig in (zumindest) Europa.
In der restlichen Fußball-Zivilisation(um die weißrussischen Gegebenheiten hab ich mich jetzt nicht erkundigt, vielleicht ist es dort ähnlich…) ist derlei unbekannt. Und zwar wegen Lächerlichkeit und Wettbewerbsverzerrung.
Denn natürlich tritt so ein B-Team von Spieltag zu Spieltag mit einem anderen Gesicht an: einmal spielen die Jungen, dann werden ein paar Kaderspieler des A-Teams runtergeschoben um Spielpraxis zu bekommen, oder es bauen sich dort rekonvaleszente A-Stammspieler langsam wieder auf.

Alles legitim - in einer eigenen Reserve-Meisterschaft wie zb in England und von mir aus auch in Amateur-Ligen ohne Aufstiegsrecht in den Profi-Fußball.

Der himmelschreiende Blödsinn, dass die "Amateure" von zb Austria oder Salzburg im "Profi"-Fußball mitspielen, hingegen wird von den heimischen Fußball-Gewaltigen klaglos akzeptiert, bzw: wurde.

Denn die schon im Vorjahr beschlossene und jetzt bestätigte Zehner-Liga (die ab 2010 daherkommt) kam nur deshalb zustande, weil sich die Zweitligisten diese Reduzierung mit dem Rausschmiss der B-Teams der Großen abkaufen ließen.

Die wollten jetzt, gierig, wie sie halt sind, mehr, ließen Absprache Absprache sein und witterten in einer 16er-Liga die Chance sich satt festzusetzen mit ihren Farmteams, breitärschig für eine kleine Ewigkeit.

Die Stronach-Erben der bewußten Verzerrung

Dass derlei jede Meisterschaft verzerrt, jeden halbwegs seriösen Wettbewerb versaut, dafür gab und gibt es keine Einsicht.

Schuld ist der Fußball-Dilettant Frank Stronach, der nachdem er sich 1999 Österreichs Fußball gekauft hatte (dachte er; in Wahrheit war es nur die Austria und ein Liga-Präsidenten-Amtl, das ihm aber keine CEO-ähnliche Allmacht bescherte; ein Irrtum der ihn teuerst zu stehen kam) die irrlichternde Idee eines "Tiger-Teams", einer Art Junioren-Nationalteam (das er mit seiner Austria verwechselte) gebar, das gefälligst in der obersten Spielklasse mitzuspielen habe, weil da doch super wäre, oder?

Dieser Unfug ist schuld an der Absurdität des Wunsches nach den Amateur-Teams im Profi-Bereich. Und er ist nicht totzukriegen. An sich intelligenten Leute wie Hochhauser oder Hörtnagl rennen dieser Idee, die den Unterbau sportlich ad absurdum führt und nur zu einer Alibi-Veranstaltung degradiert, immer noch nach.

Hohes Lob verdient in diesem Zusammenhang die Haltung des 4. Großklubs, nämlich die von Sturm Graz, die ihre Amateur-Mannschaft bereits heuer aufsteigen lassen hätte können, wenn man es drauf angelegt hätte.

Wie immer zwischen den Meinungen laviert der aktuelle Liga-Präsident Martin Pucher: sein Verein stimmte (so wie auch Kapfenberg und eben Sturm) gegen die 16er-Liga und bestätigte somit seinen Vorjahres-Kompromiss der 10er-Liga.
Nur um nach der Abstimmung einen wahren, aber völlig konsequenzlosen Satz zu sagen: "In Wahrheit verträgt Österreich keine zwei Profi-Ligen".

In Wahrheit verträgt Österreich keine zwei Profi-Ligen

Richtig.
Wissen wir.
Wissen alle.
Handelt bloß keiner danach.

Das mit der Jackson-Nase liest sich schon ein paar Stunden später ganz komisch. Aber als dieser Text rausging, war die Nase und der Rest ja noch lebendig...

Stattdessen wird an einer lachhaft gepimpte 2. Spielklasse, eine sportlich mausetoten 1. Liga, herumgebastelt als wär‘s die Nase von Michael Jackson, ohne jeden Genierer.

Weil, so Pucher, es halt ein "Mittelding" braucht, um die oberste Spielklasse nicht zur geschlossenen Gesellschaft werden zu lassen.
Dass dafür andere Maßnahmen nötig wären – nämlich Reformen in der Bundesliga selber, wird geflissentlich verdrängt, weil es die geschlossene Gesellschaft de facto schon gibt. Insofern wäre es sicher spannender gewesen, wäre Mattersburg anstatt Altach abgestiegen – da hätte sich dann möglicherweise mehr bewegt.

So bleibt es aktuell Ried-Coach Gludovatz vorbehalten die Unsinnigkeit einer aufgeblasenen 10er-Liga (bedeutet viel zu viele Spiele, 36, des weiteren keine echte Winter- und keine echte Sommerpause) anzuprangern.

Glück als Abwesenheit von Schmerz

Da beißen aber alle, egal wie nachvollziehbar sie argumentieren, auf Granit: der Fiktion einer echten Profi-Liga, an die sich die Bundesliga-Gewaltigen klammern wie die Jungfrau Maria an die unbefleckte Empfängnis, wird alles untergeordnet. Denn die Einsicht, dass die derzeit 20beste europäische Liga, die sich am Saisonende etwa auf Rang 25 einfinden wird, nur als Ausbildungs- und Export-Liga eine Zukunfts/Überlebenschance hat, ist zu grausam für die Bewahrer des Scheins, die in des Kaisers immer wieder neuen Kleidern, also in purer Nacktheit herumstolzieren.

Insofern ist es letztlich egal, welches überforderte von egoistischen und kurzfristigen Interessen zerfressenes Gremium welche danebene Entscheidung getroffen hat. Trotzdem ist es natürlich besser einer Idiotie, einem Knieschuss entgangen zu sein. Selbst wenn es nur Phantomschmerzen sind, an denen der geneigte Fußball-Freund nach dieser drohenden Entscheidung der kompletten Lachhaftigkeit hätte leiden müssen, weh hätt es allemal getan.

Und die zeitweise Abwesenheit von Schmerz ist schon die höchste Form des Glücks die einem der heimische Kick zu bescheren vermag.