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Zita Bereuter

Gestalten und Gestaltung. Büchereien und andere Sammelsurien.

24. 6. 2009 - 19:57

Rookie of The Heart

"Welcome to Pratt Regional Medical Center. The Patient is able to see you now." Das frühzeitige Ende beim RAAM.

Christoph Strasser beim Race Across America
1.050 Meilen ganz lässig in vier Tagen
Die Höhen und die Tiefen

Die Leiden des jungen Chris
Chris Cummins versucht sich am Transgermany Bike Race

"He is a tough guy", meinte der Arzt beeindruckt zu Christoph Strasser, als er die Röntgenbilder anschaute. Dass jemand mit einer derartigen Lunge noch vor kurzem Rad gefahren ist, kann er kaum glauben.

Christoph Strasser wird nach dem hitzekollaps luft zugefaechelt

Alexander Karelly

nach dem Hitzekollaps

Die Erholungspause im Motel endete für Christoph kaum eine Meile entfernt im Krankenhaus in Pratt. Dort wird das bestätigt, was Teamarzt Victor Weinrausch schon diagnostiziert hatte – eine beginnende Lungenentzündung. Zusätzlich zu der Bronchitis habe er sich wahrscheinlich während der Fahrt einen Virus geholt, nein, keine Schweinegrippe. Die unerwartete Hitze in Kansas hat ihr übriges getan.

Bereits gegen Mittag ist klar, dass Christoph das Race Across America frühzeitig abbrechen wird. Die Officials im Headoffice zeigen sich berührt. Christoph hat sie mit seinen Leistungen sichtlich überrascht. Dass ein Rookie so lange mit den Profis mitfahren kann, hätten sie nicht erwartet. Schade sei das, sehr schade und ob die Absage definitiv sei.
Ja, ist sie. - Dennoch wackelt die Stimme von Mentaltrainer Thomas Jaklitsch bei diesem Anruf. Aber Christoph hatte bereits vor dem Rennen erklärt, seine Grenzen zwar ausloten, diese aber nicht überschreiten zu wollen.

Frühzeitig aufzugeben ist im Sport gar nicht so einfach. Groß ist oft der eigene Ehrgeiz, noch größer der Druck der Sponsoren, die ihren Werbeträger auf dem Podest sehen wollen. Beim RAAM ist die Ausfallquote bekanntermaßen recht hoch. Fast die Hälfte der angetretenen Solofahrer hat bereits frühzeitig das Rennen beendet – Franz Preihs musste wegen Knieschmerzen schon am Sonntag aufgeben. Von den Österreichern ist also nur mehr Gerhard Gulewicz im Rennen.

Im spital christoph strasser im bett mit crewbesuch

Alexander Karelly

"Welcome to Pratt Regional Medical Center. The Patient is able to see you now."

Hunger und Langeweile habe er. Gegen ersteres wird er von der Crew heimlich mit Burgern versorgt – das wäre auch das offizielle Krankenhausmenü gewesen – nur noch schlabbriger.
Schmerzen habe er nur am Hintern und auf den Lippen, die von der Sonne ordentlich verbrannt worden sind. Der Rücken, Hals oder Muskeln würden gar nicht weh tun – Reserven wären noch lange da gewesen.

Dennoch bleibt die Frage, ob nicht einige der Racer direkt vom Rad in ein Krankenhaus gebracht werden müssten? Christoph stimmt ohne zögern zu. Aber ist das nicht krank? "Das ist die Frage. Ärzte sind aufgrund ihres Berufs dazu verpflichtet vorsichtiger zu sein und übermotivierte Sportler wollen mit aller Kraft ihr Ziel erreichen. Irgendwo in der Mitte ist der vertretbare Weg.", meint er und beißt nachdenklich in den Burger.

Dann erzählt er von seinen Erlebnissen während des Rennens – dass er etwa den Rio Grande nicht wirklich wahrgenommen habe, weil er ausgerechnet über dem die Zähne geputzt habe.
Über das Rennen und mögliche Fehler sinniert er ständig. Mittlerweile hat er seine Sicht auch auf seiner Seite beschrieben.

Er habe geglaubt, das letzte Jahr sei zum Lernen dagewesen, anscheinend brauche es dafür zwei Jahre, reflektiert er. "Für die Matura brauchst auch acht Jahre", meint sein Radmechaniker trocken.

Nachdem die Crewmitglieder die versteckten landschaftlichen Schönheiten von Kansas vergeblich gesucht haben, säubern sie bei 40 Grad im Schatten die Autos, ziehen die ganzen Sticker ab und machen bereits Änderungsvorschläge für 2010. Denn dabei sein wollen sie auf alle Fälle wieder.

ein crewmitglied zieht sticker ab

Alexander Karelly

Aufkleber abziehen - macht bei 40 Grad im Schatten sehr viel Spaß

Nicht nur die Crew ist betroffen, dass Christoph nicht mehr mit im Rennen ist – auch von anderen Seiten hört man das. Ein TV-Team meinte etwa, es sei immer so schön, wenn man Strässer, die die Amerikaner sagen, interviewen würde. Weil er immer so freundlich sei, lachen würde und "inspiring things" sagen würde.
Christoph freut sich, als ihm das erzählt wird. Aber er habe sich im Krankenhaus die Website des RAAM ausführlich angeschaut. "Wenn ich die Videos der anderen Fahrer sehe, denke ich, warum machen die das? Wirklich. Bei denen sieht man nicht, dass die einen Spaß dabei haben. Die wirken gezwungen, unglücklich oder getrieben, aber jedenfalls nicht glücklich oder mit Spaß an der Sache. Warum die das machen frag ich mich wirklich."

Ein Crewmitglied meint daher, Christoph sei zwar nicht "Rookie of the Year" geworden, dafür "Rookie of the Heart".
Ist doch auch was, oder?
"Ja", lacht Christoph. "Vielleicht sogar noch mehr."

Chrisoph Strasser in der Wüste

Alexander Karelly

Nachtrag: Christoph ist immer noch in Pratt im Krankenhaus. Hunger hat er weniger. Gegen die Langeweile würde er sich über mails oder postings freuen.