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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

24. 6. 2009 - 19:17

Verspielte Oberflächen

Verpackungen von Games wurden immer gleichförmiger bis irgendwann alles in schnöden DVD-Hüllen steckte. Doch jetzt schlägt die Community zurück. Und designt selbst.

Alternatives Cover für das Computerspiel "Half-Life": Eine Metallstange auf orange Hintergrund mit dünnen, weißen Kreisen.

Olly Moss

Überall sprießt die Fankultur. Ob aufwändige Mods, von Spielen inspirierte Malereien und Zeichnungen, Super Mario-Cupcakes oder liebevoll gestaltete Fan-Videos - das Web aber auch einige Gallerien und Ausstellungen in der greifbaren Welt sind gefüllt mit durch Games inspirierten Arbeiten, gestaltet von talentierten Hobby-Artists und professionellen KünstlerInnen.

Nur die Spiele selbst werden seit einigen Jahren immer schnöder präsentiert. Klar, wenn die Disc erst mal im Laufwerk liegt, offenbart sich uns eine aufwändig gestaltete virtuelle Realität mit jeder Menge grafischen Finessen. Bloß die Verpackung des Spiels ist immer gleich: Eine Standard DVD-Hülle samt einheitlichem Cover und einem dünnen Handbuch.

Ein alternatives Cover zum Videospiel "R-Type".

Kboss, somethingawful.com

Das war nicht immer so: Als Anfang der Achtziger die ersten populären Homecomputer aufkamen, blühte mit ihnen der Spiele-Software-Markt für private Haushalte erstmals auf. Und weil das damals alles etwas Besonderes, Neues war, oft getrieben von Einzelpersonen und kleinen Teams, die sich noch nicht als Teil einer Industrie verstehen wissen, sondern ihren Beitrag zur Entwicklung eines brandneuen Mediums liefern wollten, wurde jedem neuen Spiel ein umfangreiches Cover-Artwort verpasst und viel Zubehör beigelegt.

Die sogenannten "Feelies" waren etwa 3D-Brillen, Stoffkarten, Münzen oder ähnlicher, teils fantastisch verquerer Kram, der heute hohen Sammlerwert besitzt. Die Verpackungen waren groß und klein, dick und dünn, matt und glänzend - ebenso die Handbücher.

Ein alternatives Cover-Artwork zum Videospiel "Pong".

Yoozer, somethingawful.com

Je komplexer jedoch die Software-Inhalte der Spiele wurden, desto weniger sah sich die immer gleichförmiger agierende Games-Industrie nach dem Siegeszug der CD-ROM Mitte bis Ende der 1990er Jahre dazu genötigt, zusätzlich zum multimedialen Overkill auf 650 Megabyte und mehr auch noch haptisches Beiwerk anzufertigen.

Heute kann man dem minimalistischen Verpackungseinerlei von Computer- und Videospielen nur noch entfliehen, wenn man überteuerte "Special Editions" kauft oder das Privilieg hat, Zugang zu Promotion-Gegenständen zu bekommen. Und selbst da lässt sich in schnell zusammenkompilierten Soundtracks und billig gedruckten T-Shirts oft nur schwerlich etwas Besonderes erkennen.

Ein alternatives Cover-Design für das Videospiel "Shadow of the Colossus".

Flabberghastly, neogaf.com

Doch statt nur müde Beschuldigungen an die Industrie abzulassen, die diesen Weg eben eingeschlagen hat, lassen sich Gamer und Spielkultur-Fans etwas einfallen und werden aktiv. Anfang Februar dieses Jahres ist der Stein in Sachen selbst gestaltete Spiele-Covers erstmals ins Rollen gekommen und denkt seither nicht daran, langsamer zu werden. Der Grafikdesigner Olly Moss war der erste. Er hat aus Frust über den kreativen Zusammenbruch der Cover-Arts bei Spielen seine eigenen Designs vorgestellt. Unprätentiös, via Flicker.

Ein Videospiel-Steckmodul mit einem Cover-Design, das aussieht, als sei es gestickt.

Meteos Game Shop

Seither wird ohne Unterlass gebastelt und designt, allerdings nicht nur an alternativen Titelbildern für bereits existente Computer- und Videospiele. Die Famicase Exhibition im hippen Tokyoter Game-Shop Meteor etwa verschafft den bunten Steckmodulen des alten Famicom (die japanische Ur-Version des Nintendo Entertainment System) eine völlig neue Note: Hier werden Sticker auf Spiele-Cartridges geklebt, deren dazugehörige Software gar nicht existiert. Über 50 Künstlerinnen und Künstler sind der Aufforderung nachgegangen, das Modul-Artwork zu ihrem fiktiven Lieblingsspiel zu gestalten.

Ein rotes Videospiel-Steckmodul mit einem Mädchen mit einem Glas Rotwein in der Hand.

Meteos Game Shop

Und wer es schade findet, dass Games erst im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts an den Start gingen, mischt die gesamte Menschheitsgeschichte einfach mit bekannten Spieletiteln. Voilà, fertig sind 65 historische Neu-Interpretationen populärer Spiele.