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Sonja EismannBerlin/Wien

Gender, Pop und Kritik. In allen Formaten.

24. 6. 2009 - 17:03

Dick und hip

Nicht nur Beth Ditto führt als Style-Ikone und neuerdings Modeschöpferin immer wieder fulminant vor, dass "Fat" und "Fashion" keine Gegensätze sind – auch unzählige "Fatshion-Blogs" treten täglich den Beweis an.

Die Betreiberin des Mode-Blogs Fat Girls Like Nice Clothes Too kann ihre Freude in einem Eintrag vom 14. Juni kaum im Zaum halten:

Oh man, I’m so happy. The sun is out, I’ve been walking in the park and to top it off THERE’S A PREVIEW OF THE BETH DITTO COLLECTION FOR EVANS IN THE NEWSPAPER!!!!

Beth Ditto in ihrer eigenen Modelinie

Style / The Sunday Times

Beth Ditto, sichtbar beschwingt, in einer ihrer Eigenkreationen für die Style-Beilage der Sunday Times

So geht es in diesen Tagen, kurz bevor die von The-Gossip-Sängerin Beth Ditto für die englische Bekleidungskette Evans entworfene Modelinie am 9. Juli 2009 in Großbritannien in die Läden kommt, vermutlich vielen modeversessenen Frauen, für die die Textilindustrie häufig nur formlose Säcke unter dem euphemisierenden Label "Plus Sizes" bereit hält – den immer zahlreicher werdenen "Fatshionistas“, deren Blogs offensive Namen haben wie Too Fat For Fashion, Luvin' My Curves oder Young, Fat And Fabulous. Wem das trendige Warenangebot in den Normgrößen der Kleiderketten nicht passt, muss sich eben in Sack und Asche gewanden, denn exzessive Kurven sollen gefälligst verhüllt und nicht zur Schau gestellt werden – das ist zumindest der Eindruck, der Konsumentinnen immer wieder vermittelt wird.

Jumpsuit an Model

Evans

Ein Jumpsuit aus der Kollektion, an einem verdächtig schmalen Model vorgeführt

Da die westliche Bevölkerung jedoch immer dicker wird – und hier sind es, bekannter- und doch paradoxerweise, eher die unterprivilegierten Schichten, die sich kein hochklassig gesundes Bio-Food oder teure Work-Out-Sessions leisten können, die immer stärker an Masse zulegen -, hat sich auch das Selbstbewusstsein der Dicken gewandelt. Wo auf der einen Seite immer stärker versucht wird, schon kleine Kinder mit (teilweise staatlich institutionalisierten) Diätprogrammen zu disziplinieren, um dem Gesundheitssystem später befürchtete Kosten zu ersparen, gibt es - vor allem in den USA - lautstarke "Fat Pride"-Zirkel, Fat Studies im universitären Kontext und immer heftigere Kritik am "Sizism" der Gesellschaft, der sich eben auch darin äußere, dass ansprechende Kleidung nur in kleinen Größen erhältlich sei.

Beth Ditto in einer weiteren Eigenkreation

Evans

Hier die Meisterin wieder selbst in einem vampy Outfit

Beth Ditto, seit ihren ersten Auftritten als öffentliche Figur stets vehemente Anwältin der Dicken, will da mit ihrer Kleiderkollektion zumindest teilweise Abhilfe schaffen. In Interviews hat sie immer wieder geäußert, dass sie selbst mit Nadel und Faden kreativ werden musste, um coole Mode in ihrer Größe tragen zu können. Für die Frauen, die diese Fähigkeiten nicht haben, hat sie, gemeinsam mit der Chefdesignerin der bis jetzt eher für konservative Modelle bekannten Marke Evans, deutlich von den 1980ern Jahren beeinflusste Kleider, Accessoires und Schuhe entworfen. Kate Moss, die ebenso wie Karl Lagerfeld ein Fan der Sängerin aus dem überzeugten Dünnen-Camp ist, habe angeblich den Verantwortlichen ins Ohr geflüstert, die Ikone doch mal machen zu lassen. So sind enge und weite Kleider in grellen grafischen Mustern, lässige Overalls, bunte Tücher und schicke Schuhe entstanden – alles im Bereich von 18-100 Pfund. Die Kollektion fängt bei Size 14, also in etwa Größe 42 an. Wie heißt es dazu so schön in einem Blog: "Fashion to make thin women jealous".