Erstellt am: 25. 6. 2009 - 21:10 Uhr
Explosionen im Kopf
Ah, die vielen Facetten der Multitasking-Existenz. Ab und zu betätigt sich der Schreiber dieser Zeilen ja auch als DJ, fast immer fällt der nächtliche Auflegetermin dabei auf einen Donnerstag. Umgekehrt scheinen die heimischen Filmverleiher ihre fetten Action-Blockbuster am liebsten Freitag Mittag der Presse vorzuführen.
Dabei kann es zu persönlichen Kollisionen kommen, die für Kopfweh sorgen oder es zumindest verstärken. Mit ganz wenig Schlaf und leicht zittrigen Händen in "Terminator: Salvation" zu sitzen, ist etwa eine spezielle Erfahrung, die ich nicht weiterempfehlen möchte. "Knowing" auf Aspirin C Brause war durchaus apokalyptisch. "Crank" seinerzeit mit Brummschädel ein kaum bewältigtes Trauma.
Man muss sich solchen Herausforderungen aber natürlich stellen, meine Damen und Herren. Denn umgekehrt zeigt sich die Klasse eines Films erst wirklich in Extremsituationen.
Also übernächtig rein in den brandneuen IMAX-Saal des Wiener Apollo Kinos, sich schön weit vorne hinsetzen, warten auf "Transformers - Revenge Of The Fallen".
UIP
Schon nach wenigen Minuten, wenn Michael Bay da Shanghai von amoklaufenden Maschinen in Schutt und Asche legen lässt, wird klar: Der oberste General an der Blockbuster-Front macht beim Krieg um die Kinokassen wieder einmal keine Gefangenen. Das Pentagon hat erneut freudig mitgeholfen beim Ballern und Sprengen.
Über die alte künstlerische Regel "Weniger ist mehr" kann der 44-jährige Regisseur wohl nur höhnisch grinsen. "Transformers: Die Rache" bietet mehr Roboter, mehr Schlachten, mehr halblustige Sprüche, mehr Einblicke ins aufgepimpte Dekolleté von Megan Fox, mehr Sonnenuntergänge, mehr Explosionen.
Vor allem viel mehr Explosionen. Das ist auch schon fast alles, was man als Zuschauer wissen muss, wenn man älter als zehn ist.
Für die eher sehr jungen Transformers-Fans sei gesagt: Sie sind alle wieder dabei, die guten Autobots, die bösen Decepticons, der voll quirlige Shia LaBeouf und die Megan, der man nachsagt, dass sie bei Millionen Buben in aller Welt die Pubertät frühzeitig ausbrechen lässt.
Die Geschichte ist jedenfalls urarg diesmal, es geht um Rache, das Schicksal der Welt, und die Pyramiden sind auch mit im Spiel. Und Linkin Park machen echt super Musik dazu.
UIP
Und wie ergeht es einem als Erwachsenem in diesem Film, mit Schlafdefizit und einer bestimmten Skepis gegenüber dem Oeuvre des Michael Bay?
Anfangs überraschend wach und geplättet zugleich. Die Riesenleinwand, der Krach, der aus den Kinolautsprechern dröhnt, die gigantomanischen GCI-Effekte, das beeindruckt tatsächlich.
Mir kommen ein paar einleuchtende Sätze von Frau Fox in den Sinn, die ich gelesen habe: "Dieser Film soll nicht zum Nachdenken anregen, schalt dein Gehirn aus and just have fun!"
Ich tu mein Bestes, kämpfe gegen aufkeimende zynische Impulse an, schlucke all die fotogen verschwitzten Bodybuilder-Soldaten runter, die malerischen Werbespots für den American Way of War, die schlechten Witze, die sich blamierenden Latinos, die die humoresken Schwarzen abgelöst haben.
Denn, so hämmert und pocht es in meinem geplagten Köpfchen: Es geht doch nur um Spielzeug. Riesiges, lebendes Spielzeug, das sich mit anderem Spielzeug prügelt.
UIP
Die Minuten vergehen, Stunden, gefühlte Tage. Es donnert, es kracht, es scheppert. Irgendwann, auf halber Länge, gebe ich auf, resigniere, schweife in Gedanken ab.
Vor meinem geistigen Auge taucht eine überdimensionale Megan Fox auf, halb Pin-Up-Girl, halb Transformer und lacht mich schallend aus. Bin ich unfähig, einfach nur Spaß zu haben und perfekt gemachte Dumpfheit zu genießen?
Bin ich einfach nur einer jener unzähligen verkrampften Kritiker, die mit den völlig falschen Kriterien an die Eventmovies aus dem Hause Bay herangehen? Muss ich jetzt zur Strafe meine DVD-Sammlung mit all den Camerons, Raimis, Singers, McTiernans und Nolans verschenken und ausschließlich philippinische Digitalkamera-Experimente anschauen?
Ist die gesundheitliche Tagesform schuld, dass sich dieser Film für mich anfühlt, wie mitten in einem Düsentriebwerk zu sitzen, 147 Minuten lang von einem militärischen Ausbildner angebrüllt zu werden oder beim Metallica-Konzert mit dem Kopf in den PA-Boxen einzuschlafen?
Nein, wage ich im Angesicht des infernalen Getöses kleinlaut zu behaupten. Die Anzahl der Roboter wurde zwar von 14 auf 46 mehr als verdreifacht, die Produktionskosten von 150 auf 200 Millionen Dollar gesteigert, Geschichten kann Michael Bay aber weiterhin keine erzählen. In all seinem Megatempo zieht sich dieser Film dadurch wie ein alter Kaugummi.
Unglaubliche Action. Unfassbare Schauwerte. Unendliche Langeweile. Have fun.
UIP