Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "The Danube, You & The Notwist"

Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

24. 6. 2009 - 12:17

The Danube, You & The Notwist

Das Wetter oder eventuelle Festivalübersättigung gelten nicht als Ausrede: The Notwist am Donauinselfest soll man sich nicht entgehen lassen.

ACHTUNG: FM4 am Donauinselfest: Aufgrund der starken Regenfälle könnte das Donauinselfest erst einen Tag später, am Samstag, starten. Genauere Infos im Lauf des Mittwoch Nachmittag

Nach drei Tagen Eisregen und extremer Lautstärke am Southside 2009, sind meine Batterien trotz Begeisterung über junge Neuentdeckungen und alte Helden recht leer. Einigen von euch, die vergangenes Wochenende am Nova Rock waren, werden sich vielleicht ähnlich fühlen. Wenn die Wettervorhersagen zutreffen und es dieses Wochenende noch weiter schüttet, dann ist der Anreiz auf noch ein Festival mit quatschenden, matschenden Füßen, die einem mittlerweile schon bis im Bauch stehen, sicher nicht das Verlockendste auf dieser Erde.

Das dachte ich mir zumindest, bis ...

One with the freaks

... ich mir aufgrund der Tatsache, dass The Notwist am zweiten Tag des Donauinselfestes auf der FM4 Bühne den Headliner geben, eine alte Geschichte wieder durchgelesen habe. Nämlich von den Acher Brüdern, als sie mit ihrer Band bei uns zu einer FM4 Radiosession zu Gast waren. Das Live-Set damals bestach durch eine grenzgeniale Verbindung alter Rockvergangenheit und gegenwärtiger, kunstvoll zerbrechlicher Elektronik. Alleine der Disco-New-Rave-Beat am Ende von "Neon Golden" wäre ja Anlass genug, sich kommenden Samstag unter die Tausenden Festivalinsulaner zu begeben.

Die Band Notwist

The Notwist

Langsam scheinen sich neuronale Netzwerke in meinem Kopf zu bilden. Meine Hände kramen eine rote Platte aus dem Regal und schon liegt sie am Plattenspieler. Bilder von ekstatischen und beglückten Fans tauchen auf, die es bei jedem Notwist-Konzert gibt. Egal, bei welcher Witterung. Was mich wiederum an eines der heißesten Konzerte meines Lebens denken lässt ...

Shrink your system

... als die Weilheimer im Wiener Chelsea zu Gast war. Das ist mittlerweile ziemlich genau zehn Jahre her. Damals stand am Programm, die neue Platte "Shrink" zu promoten. Es war das erste Album, das die gute alte Punk-Hardcore-Laut-Leise-Noise-Combo von ihrer frickeligen, elektronischen Seite zeigte. Martin Gretschmann, der knapp ein Jahr zuvor bei The Notwist eingestiegen war, baute in seiner charmanten Verwirrtheit und etwas gestresst den Computer auf der Bühne auf, von dem komplett alle wichtigen Samples kamen. Allerdings nur für die ersten paar Minuten, denn dann verabschiedete sich das Teil.

Ohne Knall, ohne Rauch.

Ganz plötzlich.

Es gab einfach keinen Mucks mehr von sich.

Die Hitze in dem damals noch kleinen Club war fast unerträglich. Das Konzert fand nämlich an einem dieser Sommertage in Wien statt, an denen die aufgeheizte Stadt kein Erbarmen kennt und einem selbst in der Nacht beim Spazieren am Gürtel die Schweißperlen auf die Stirn treibt. Während also Martin bei den gefühlten fünfzig Grad versuchte, seine digitale Büchse wieder zum Laufen zu bekommen, entschlossen sich Markus, Micha und Martin Messerschmitt, der damals noch das Schlagwerk bediente, einfach alte Songs zu spielen, bis der Computer wieder lief. Eine großartige Entscheidung, denn in kürzester Zeit rockten The Notwist derart ab, dass ihnen selbst das Schmunzeln auf der Bühne kam. Die Temperatur stieg weiter, als nicht nur Nummern von "12", sondern auch vom Debüt heruntergeprügelt wurden. Einfach herrlich.

Nach einer halben Stunde grinste auch Martin Gretschmann und die Band begann, ihr geplantes ruhiges Elektro-Pop-Set zu spielen, das nach diesem Ausflug in die Vergangenheit noch intensiver klang.

The Devil, The Notwist & Festivals

The Notwist sind immer für eine Überraschung gut. Sei es ungewollt, wenn ein gerissenes Snare-Fell die Band dazu veranlasst, zwischenzeitlich akustische Stücke zu spielen, die herzerweichend sind, oder gewollt, wenn Martin Gretschmann in einem anderen Raum nur über Videokamera und Kabel mit dem Konzertsaal verbunden ist und seine digitalen Einsprengsel wirken, als würden sie von einem anderen Planeten kommen.

Martin Gretschmann von "The Notwist" mit Wii-Consolen auf der Bühne

Radio FM4/Pamela Russmann

Eine kleine Überraschung gab es auch bei der Radiosession, als Markus Acher bei dem zweiten Song "Where In This World" einen Plattenspieler einschaltete und vorsichtig die Nadel auf ein Vinyl legte. Plötzlich erfüllte ein Streichorchester den Raum. Es war nur ein kleines Detail und doch gleichzeitig eine elegante Art und Weise, ein Songintro auf die Bühne zu bringen. Ganz zu schweigen von den Bedienungselementen einer Wii-Konsole, die Herr "Console" Gretschmann zu seinen Sampler-Zauberstäben umfunktionierte.

Nach so vielen Konzerten, die ich schon von den Weilheimern miterleben durfte, gibt es eigentlich nur noch eine Sache, die mir The Notwist nach mehr als eineinhalb Jahrzehnten "schuldig" geblieben sind: einen fulminanten Festivalgig. Denn vor einem Jahr, als ich sie am Southside mit ihrem neuen The Devil, You & Me Live-Set sah, machte der Truppe leider wieder einmal die Technik einen Strich durch die Rechnung. Im Gegensatz zu einem Clubgig hieß es nach einer halbstündigen Verspätung allerdings loslegen, egal ob alles funktionierte oder nicht. Bitte mich nicht falsch zu verstehen, das Konzert war okay, aber nicht das, was Markus Acher und seine Band drauf haben. Auch auf einer großen Bühne. Klar sind die intimen Songs prädestiniert für ein heimeliges Konzert unter Freunden, aber die perfekten Popstücke von The Notwist unter freiem Himmel mit einem gut abgemischten Sound zu hören, das ist sicherlich ein wundervolles Erlebnis.

  • FM4 am Donauinselfest
  • am Mittwoch zu Gast in FM4 Connected: Luise Pop und Ja, Panik

Ich werde also sicher dort sein, denke ich mir jetzt und lege erneut die Nadel auf den Plattenteller...

Prepare you shoes not to come back soon, prepare your heart not to stop too soon... (Neon Golden, "One Step Inside Doesn't Mean You Understand")