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Burstup

Physische Welt, virtuelle Realität. Politik und Kultur.

20. 6. 2009 - 21:47

Street Festival vs. Free Parade

Zwei verschiedene Paraden beschallten am Samstag die Stadt Wien - und das ist gut so. Bilder und Video.

Mancher mag es schade finden, dass Clubbesitzer, Veranstalter und Künstler in Wien sich nicht auf eine gemeinsame Parade einigen können. Wirklich einzigartig ist diese Situation aber nicht: In Berlin etwa gab es Ende der neunziger Jahre Love Parade und Hate Parade, wobei sich der Hass letzterer gegen Rassismus, Sexismus und andere Grausamkeiten von Politik und Gesellschaft richtete und ausschließlich mittels Hardcore und Drum'n'Bass ausgedrückt wurde, also durchaus vertretbar war.

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In Wien gibt es keine Hate Parade, doch eine historisch gewachsene Distanz zwischen denen, die eine Parade an sich schon als politischen Akt begreifen, und jenen, die sie auch mit politischen Forderungen verknüpfen wollen. Spürbar war diese Distanz bereits bei der ersten Organisationsbesprechung 1994, als die früheste Technoparade Österreichs beschlossen wurde (damals unter dem Namen "Free Party"). Lange Diskussionen, ob Sponsoren erlaubt sein sollten oder politische Forderungen auf den LKWs zu sehen sein sollten/dürften/müssten, brachten viel Unruhe in die Party- und Veranstaltergemeinde Mitte der neunziger Jahre, geeinigt hat man sich dann doch irgendwie. Die Distanz zwischen Kommerzfraktion und Underground wurde aber immer größer und erreichte ihren Höhepunkt, als erstere sich mit den Berliner Kollegen einließ und deren Namen "Love Parade" für Wien lizensierte. Heute ist die Love Parade Vienna pleite, das Unbehagen von Undergroundveranstaltern gegenüber jenen, die eine Parade ihrer Meinung nach hauptsächlich als Werbevehikel und Marketingevent sehen, ist geblieben.

Hier ein Video von den beiden Veranstaltungen heute:

Die Teilnahmebedigungen für die Free Parade waren heuer strikt: Jeder Wagen musste ein deutlich sichtbares Transparent mit zumindest einer politischen Forderung zeigen. Daran haben sich zwar alle gehalten, "Respect the Location" geht aber als Forderung wohl gerade noch durch. "Damit ist wohl die Schaffung von Freiraum oder so gemeint", sagt mir ein Paradenbesucher. Auf ihrer Website hat sich die Free Parade aber doch deutlich artikuliert, etwa für ein Bleiberecht, gegen Homophobie oder gegen Überwachung - Forderungen, die auf der Straße dann auch präsent, aber nicht überdimensional groß zu sehen waren.
Ein politisches Programm gibt es auch auf der Website des Street Festival, allerdings sieht das mehr wie ein Alibi aus, um die Veranstaltung als Demonstration anmelden zu können: "Spaß, Musik und Freude" wird zum Beispiel eingefordert. Auf der Demo selbst waren die gigantischen Tieflader dann ausschließlich mit Werbung für diverse Produkte, Clubs und Events behängt:

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"Aufklären statt einsperren" forderte der Wagen der Suchtberatungsstelle CheckIt auf der Free Parade:

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Eine Forderung nach...ähm... politischem Engagement und Tanz:

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...nach Freiraum und multikultureller Backware:

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Fast ein normaler Einkaufssamstag auf der Marihailferstraße - so mancher Shopper wunderte sich ganz schön:

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Richtig eng wurde es dann in der Neubaugasse:

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Quer durch die Stadt bis zum Schwarzenbergplatz, wo bis in die Nacht gefeiert wurde. Um Wiederholung im nächsten Jahr wird gebeten.