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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

18. 6. 2009 - 20:20

Journal '09: 18.6.

Was passiert, wenn ich mich in eine Laura Rudas-Statusmeldung einklinke.

Laura Rudas hat ein Facebook-Profil, ein echtes, ein benütztes und das auch schon längere Zeit, also nicht erst seit irgendwelchen verlorenen Wahlen und nachfolgenden Strategiesitzungen, wie man das denn besser machen könnte mit dem Internet.

Wer sich noch erinnnern kann: auch Gusenbauer litt unter diesem Syndrom. Privat gewitzt, charmant und gscheit; in der Öffentlichkeit anstrengend.

Laura Rudas ist, das bestätigen alle, die mit ihr zu tun haben, eine seriös an sich und mit dem Tätigkeitsfeld arbeitende Politikern, eine junge, engagierte Frau, die am Prohaska-Problem leidet: kaum kommt ein Mikro verliert sie ihre Sprache und verfällt in einen Kunst-Sermon, der ihrer Persönlichkeit das entscheidende Element, nämlich die Authentizität nimmt.

Aus dem herrlich und sarkastisch im Dialekt witzelnden und die Wahrheit ungeschminkt rausrufenden Schneckerl wird der fade Relativier-Onkel, der sich vor substanziellen Aussagen windet. Und aus der geviften Rudas wird die Laura, die alles was sie sagt, eingelernt wirken lässt.

Für ihre nächste Show "Bei Faymann" bekommt sie von "maschek" eine eigene Puppe, die Ähnlichkeiten mit einem Papagei haben wird. Das ist gemein, aber schließlich kann eine Satire-Show nur das zeigen, was nach außen sichtbar ist.

Das Rudas-Dilemma

Laura Rudas hat neben diesem Authentizitäts-Problem noch zwei, drei andere im Köcher, ein Dilemma jagt das nächste. Sie wurde als Jungstar der SPÖ aufgebaut, hat aber kein erkennbares Spezialgebiet zugewiesen bekommen, in dem sie sich profilieren kann. "Jung Sein" ist nämlich nur im überwuzelten Politiker-Denken noch eine eigene Kategorie.

Diese Cluster sind hier aktuell und formschön wie folgt ausdefiniert:
29 % „ichbezogenen Autoritären“ (tendenziell FPÖ), 18 % enttäuschten Pragmatiker (tendenziell SP, BZÖ), 27% Familienzentrierte Konservative (tendeziell Nicht- bzw Alles-Wähler), 13 % Brave Bürger (tendenziell VP), 13 % Liberale Idealisten (tendeziell Grün, SP).

Wer sich ernsthaft mit jungen Leuten auseinandersetzt, weiß, dass deren Interessenslagen so vielfältig sind, dass sie viel eher an eines der allgemeinen Lebens-Cluster andocken.
Das heißt: auch den Jungen ist es eher wurscht ob sie jetzt von einzelnen Jungen vertreten werden. Was für sie wichtig ist, ist die Möglichkeit zur Chance; das Gefühl etwas erreichen zu können.

Und da hakt das nächste Rudas-Dilemma ein.
Bei ihr kommt, unterschwellig, aufgrund des alten Familien-Partei-Adels eben das Gefühl auf, dass es halt nur so geht.

Auch das ist gemein, weil Laura Rudas ja nichts dafür kann aus einer Familie zu kommen, in der immer gesellschaftspolitische Diskussionen geführt wurden, die sie dann dazu veranlasst haben, ihr Berufsfeld dort zu suchen. Im Gegenteil, es ist ein Benefit.
Aber diejenigen, die Frau Rudas strategisch positionieren, müssten das bedenken. Was nicht geschah, weshalb die Jung-Abgeordnete jetzt einen viel zu schweren Rücksack an Problemen, für die sie nichts kann, rumschleppt.

Die News/Nazi-Falle

Nun ist Rudas aktuell in eine Geschichte geraten, die via News angezündet wurde.
News hat (das ist eine durchaus zu beachtende Richtungsänderung) sich zu einer klaren Abgrenzungs-Politik zur FPÖ entschlossen, mit harten Covers und entsprechenden Geschichten. Das ist legitim und angesichts der Erfahrungen mit Haider, den man wegen zu übertriebener Cover-Wohlbehandlung auch gleich mit aufgebaut hatte, auch nachvollziehbar.

Allerdings bleibt News halt News und deshalb wird auch innerhalb der neuen Richtlinie das alte boulevardistische System des künstlichen Aufschaukelns praktiziert.
Derzeit wird grad von News und zwei Parteisekretariaten ein Sturm im Wasserglas inszeniert, in dessen Mittelpunkt eine Aussage von Niki Lauda steht, den man ja auch aus anderen Zusammenhängen als "Scheißminix" kennt. Lauda hat, im Besein von Rudas von der ganzen braunen Scheiße gesprochen, die ihm zuwider wäre.

Legitim, vor allem als Privatperson, der diese Einschätzung auch zugestanden werden muss.
Da sich die angesprochene Strache-FPÖ natürlich in jeder ihrer Handlungen tunlichst von allem, was an die braune Scheiße, den alten Nazi-Dreck also, anstreift, abgrenzt (und das juristisch, man hat nicht umsonst einen Martin Graf mit dabei, absichert), ist sie natürlich fuchsteufelswild und setzt der News-Lauda/Laura-Meldung sofort was entgegen - und schon hat News sein Skandälchen.

Das alles wüsste ich nicht (ich nehm mir keine Zeit für News, sorry), wenn ich nicht zufällig über Laura Rudas' aktuelle Facebook-Statusmeldung gestolpert wäre, in der sie genau diese Geschichte verlinkt hat.

Die Facebook-Dialoge

Dort, in einem Austausch-Feld zwischen Parteigängern, Anhängern, Interessierten und Zufallslesern passiert dann Folgendes: nicht die bedenkliche Rolle von News wird thematisiert, sondern es wird, ein bissl bassena-mäßig, über die FPÖ gewettert.

Das führt dann zu folgendem Posting: "Ich bin erst 19 und hab das Gestreite und die ganzen Intrigen satt. Warum ist es so schwer Pseudo-Demagogen wie H.C. einfach wegen Wiederbetätigung zu verhaften?"

Auch das ist eine legitime Frage (obwohl: auch mit 19 ist man erwachsen, wahlberechtigt, strafmündig etc und kein kompletter Dodl mehr) - auf die es zunächst einmal eine Antwort geben muss: "weil Strache nichts tut, was unter Wiederbetätigung fallen würde. Bitte das Gesetz zu studieren bzw von Experten erklären lassen."

Interessanterweise hat das keiner getan.
Man ließ den 19-jährigen mit seiner gerechten Wut im Regen (und im Glauben daran, dass die unzulässige Simplifizierung FP = Nazis zulässig wäre) stehen.

Also hab's ich hingeschrieben.
No, mehr war nicht nötig.
Ein SP-Sekretär blufft: "lieber martin blumenau: bitte nicht krtisieren, wenn wer was gegen die nazis macht, sondern tu selbst was."
Als ob ein "Strache einsperrn!"-Posting bereits "machen" wäre, der Hinweis darauf sich doch einmal gesetzeskundig zu machen, ehe man zur "Verhaftung" aufruft, wohl nur blöde Kritik ist.

Es muss nicht jeder politisch aufgeklärt sein...

Eine Sozialpädagogin schreibt: "ist es nicht produktiver, wertschätzende lösungsvorschläge zu machen, herr blumenau? ... es muss nicht jeder politisch top aufgeklärt sein, um seine ideale zu vertreten und zu unterstützen. .... für mich zählt in erster linie das herzensgefühl, das man seinen mitmenschen entgegenbringt. ich gebe zu bedenken, ob ausschluss und blinde kritik der richtige weg sind, um menschen aufzuklären. ich würde mir produktive lösungen und ein wertschätzendes miteinander wünschen..."

Als ob "Warum kann man den Nazi nicht verhaften?" ein Lösungsansatz wäre, der Hinweis darauf, dass die FPÖ deutlich anders (nämlich moderner und zeitgemäßer) agiert als die Nazis und ständige (ohnehin falsche) Vergleiche nichts zur Enttarnung ihrer Interessen beitragen, aber nicht.

Ich schreibe dann: "natürlich muss jemand, der eine verhaftung nach dem wiederbetätigungsgesetz fordert, darüber gut informiert sein - es sei denn er geht den weg der rechtspopulisten.
herzensbildung reicht nicht aus, wenn man eine verhaftung (also ausschluss in blinder kritik) fordert. da braucht es wissen. und da gibts auch keine ausreden."

Letztlich bleibt dann nach einigem Hin und Her das, was zu erwarten war: Beleidigtheit, weil jemand wie ich Unsinniges als Unsinn bezeichnet habe, was nicht in den dort gepflogenen Common Sense passt und dabei sprachlich so agiert, wie es im angloamerikanischen Bereich, aber auch im bundesdeutschen Umgangstun durchaus üblich ist, in Österreich aber wegen der weichen, feigen, indirekten Untertanen-Sprache, die sich über die Jahrhunderte eingebürgert hat, nicht möglich ist.

Der Nazi-Chant

Die erschreckende Studie zum Ruf nach dem starken Mann und die immer noch gültige Göring-Doktrin, nach der die Rechtspopulisten agieren, waren ja bereits gestern hier ausführlich Thema

Und das in einem politischen Umfeld.
In einer politischen Debatte.
In einem Bereich, in dem doch die primitivsten Begrifflichkeiten klar sein sollten. In dem auch aufgrund der Erfahrungen der letzten Wahlniederlagen klar sein sollte, dass man mit dem ständigen Nazi!-Chant in Richtung FPÖ nur von ihrer wahren Beschaffenheit ablenkt und es ihnen so ganz ganz leicht macht, aus der Nummer rauszukommen.
Und das nur, weil eine eine erfolgreiche Publikums-Zeitschrift, die sich in allererster Linie ums eigene Fortkommen schert und eine eben eingeschlagene Linie auch sofort wieder verlassen würde, wenn sich neue Mehrheiten bilden, etwas vorgibt, worauf man sich blind draufsetzt.

Mit katastrophalen Folgen.
Nämlich der Inkaufnahme der Komplettverdummung einer Generation, die dann glaubt, dass die Zuschreibung "Nazi!" schon reicht um einen wegen Wiederbetätigung anklagen zu lassen.

Das generiert Stimmen. Aber eine effektive Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Rechtspopulismus in Österreich, der eben weitaus mehr ist als eine plumpe Nazi-Kopie, verhindert das.