Erstellt am: 16. 6. 2009 - 15:27 Uhr
Slime's no crime!
Es war einmal ein ultrabilliger Film namens "The Evil Dead", der einen jungen Regie-Autodidakt aus Michigan 1981 zur großen Hoffnung der Horrorcommunity macht.
Sam Raimi heißt der neue Splatter-Shootingstar, zuvor hat er nur ein paar Super-8-Experimente mit seinen Schulfreunden gedreht. Sein Name steht damals für eine neue Generation von Filmgeeks, die einfach selber die Kamera in die Hand nehmen.
Dank hektoliterweise rotem Farbstoff und einem großzügigen Umgang mit Latexeffekten wird Raimi mit dem "Tanz der Teufel" auch zum Schrecken der Zensoren und Jugendschützer in aller Welt. Dabei gehört, wie beim verwandten Peter Jackson, auch von Anfang an eine Art brachialer Humor zu den Filmen des Sam Raimi.
Im virtuos inszenierten "Evil Dead"-Sequel (1987) mutiert Hauptdarsteller Bruce Campbell zu einer entfesselten, kettensägenden Cartoon-Figur, die an die Arbeiten des Trickfilmgenies Tex Avery erinnert. Sam Raimi drosselt in der Fortsetzung auch ein wenig die Blut-und-Beuschel-Dichte, um ein breiteres Publikum zu erreichen.
"Slime's no crime!" lautet angeblich das Motto am "Evil Dead II"-Set, soll heißen: Kübelweise grüne und gelbe Schleimsuppe lösen die hämoglobinroten Exzesse des Erstlings etwas ab.
Anchor Bay
Dass der Low-Budget-Filmer Sam Raimi, wie sein DIY-Kollege Peter Jackson, zu einem der gefeiertsten Blockbuster-Regisseure aller Zeiten heranreift, lässt sogar Zyniker ein bisserl an den amerikanischen Traum glauben.
Auf das Splattergenre lässt sich der Mann aus Michigan schon sehr bald nicht mehr festlegen, von postmodernen Western hin zu übersinnlichen Thrillern bis zu banalen Baseballfilmen reicht sein Spektrum.
Die Mehrzahl der Kinobesucher verbindet Raimi aber heute nur mit einem Namen: Spider-Man. Mit der megaerfolgreichen Marvel-Trilogie erfüllt sich der Comicfreak einen Kindheitstraum. Und auch mitten im Mainstream bleibt er seinen skurrilen Einfällen ebenso treu wie dem Glauben an eine Art unzynisches, liebevoll inszeniertes Genrekino.
Bevor er sich wieder auf gigantomanisches Spider-Man-Terrain begibt, kehrt Sam Raimi nun tatsächlich für einen lang ersehnten Sprung zu seinen überdrehten Horror-Wurzeln zurück. In "Drag Me To Hell" lässt der Regisseur endlich wieder die Teufel tanzen.
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Horrorfilme, vor allem die klassisch angelegten, stecken meist voller moralischer Lektionen. Gerne wird beispielsweise der junge Mensch für seine diversen Torheiten (Sex, Drogen, Rock'n'Roll) mit dem Verlust diverser Körperteile bestraft, auch hochmütigen oder geizigen Leuten ergeht es gar nicht gut.
Hier knüpft Sam Raimi mit seinem neuen Film an. Dabei schiebt er den schwarzen Peter aber dem finsteren Kapitalismus zu, der Menschen erst so richtig gierig und gnadenlos macht.
Die junge Bankangestellte Christine (bemüht: Alison Lohman) versucht sich verzweifelt in ihrem Job zu behaupten, hat aber gegen die Taktiken ihrer männlichen Kollegen wenig Chancen. Also gibt sie sich knallhart, um die Karriereleiter hinaufzusteigen.
Als eine alte, verwahrloste Frau (begnadet: Lorna Raver) bei Christine um einen lebensnotwendigen Kredit ansucht, zeigt ihr die Angestellte die kalte Schulter. Keine gute Idee, denn Mrs. Ganush rächt sich bitter für die Ablehnung. Sie belegt Christine mit einem uralten Zigeunerfluch, der höchst unangenehme Folgen hat.
Erst sind es nur seltsame Geräusche, die der jungen Frau schlaflose Nächte bescheren. Aber bald werden die Attacken aus dem Jenseits konkreter und unheimlicher. Christine besucht einen Wahrsager, der ihr die schrecklichen Hintergründe erläutert: In drei Tagen wird sie wortwörtlich in die Hölle hinab gezogen.
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"Drag Me To Hell" ist eine kleine und gemeine Parabel auf die Krisen-Ära. Aber keine Angst, eine seriöse Systemkritik tut uns Sam Raimi nicht an.
Ganz im Gegenteil, der Höllentrip der armen Christine erweist sich als schauriges Unterhaltungsspektakel mit einer ungezügelten Lust an herrlich billigen Schocks. Ohrenbetäubende Soundeffekte und kreischende Dämonenfratzen verbreiten eine hysterische Stimmung, diverse Körpersäfte spritzen in Fontänen durch die Luft. Slime's no crime. Raimi genießt es, seine Hauptdarstellerin richtig filmogen zu quälen, und schont auch kleine Haustierchen nicht.
Damit aber keine Missverständnisse aufkommen: Das Spiel mit dem Ekel bleibt auf einer angenehm infantilen Ebene. Sam Raimi ist auch ein großer Comedyregisseur, das hat, wie gesagt, seine "Evil Dead"-Trilogie bewiesen. Mit trashigen Klamaukeinlagen will sich "Drag Me To Hell" auch bewusst vom beinharten Torture-Porn-Horror der Gegenwart absetzen.
Bleibt also eine charmant-gruslig-grausige Horrorkomödie mit Old-School-Flair. Das mit der alten Schule ist vielleicht der einzige Vorwurf, den man Sam Raimi machen könnte. So schamlos wie hier ein Regisseur die eigene Vergangenheit plündert, das muss man sich erst mal trauen.
Aber ich will kein Spielverderber sein. Hereinspaziert zur besten Geisterbahnfahrt, die das Kino im Augenblick zu bieten hat.
UIP