Erstellt am: 16. 6. 2009 - 10:49 Uhr
Sonic Youth - The Eternal
Ich gebe es hier und jetzt, so uncharmant es auch klingen mag, zu: mir war bei Sonic Youth immer schon das Drumherum wichtiger als die Musik. Das faszinierende Ciccone Youth Cover, die Gerhard Richter Connection, Kathleen Hanna, die durch das "Bull in the Heather" Video purzelt, Macauley und Rachel in "Sunday", Thurston Moores Anfänge in NYC, der Auftritt bei "Gilmore Girls", der Starbucks-Eklat, "Our Band Could Be Your Life", das Murray Street Studio, das sehr nahe am Ground-Zero war, Kim Gordons Wasserfarben-Malereien und wie Ryan Adams sich welche gekauft hat und in sein Schlafzimmer gehängt hat(Blog leider gelöscht), etc, etc, etc.
Michael Levine / Geffen Records
Ich liebe die Musik von Sonic Youth, vom "Bad Moon Rising"-Wahnsinn bis hin zum krachigen "A Thousand Leaves". Ich hab nicht alle sechzehn Alben, aber ich kenne mich ziemlich gut aus. Aber irgendwie war das nicht-akustische bei dieser Band immer der wichtigere Gesprächsstoff fuer mich.
Aber jetzt ist alles anders. Jetzt ist "The Eternal" da.
Eine song-based Sonic Youth Platte, die stark auf Melodien setzt und die spaced-out Momente mal größtenteils sein lässt. Prägnant, auf den Punkt und doch zeitweise sehr dahinschwebend. Ein musikalischer Klassiker, schon im Schnelldurchlauf. Thurston, Kim und Lee singen, mal vereint, mal solo, Mark Ibold von Pavement, als Quereinsteiger, kümmert sich um den Bass. Rekrutiert wurde dieser für seinen neuen Job von Thurston auf der Geburstagsparty von der Tochter von Steven Malkmus. Ja, das ist ziemlich rock 'n' roll.
Und, obwohl ich gerade bei Sonic Youth eine Anhängerin des Nicht-Interpretierens bin, war ich ganz aufgeregt, als ich das Promo-Sheet/Manifest der Band vor dem Release gelesen habe. Hinter jedem Song eine Geschichte! In einer Strophe so viele Referenzen, dass man ein Handbuch braucht. Oder auch nicht. Es funktioniert eben auch sehr laut und ohne Hirn.
Matador Records
Aber! "The Eternal" spricht die Geschichte der Popkultur an, ist sozusagen ein "Best Of" der Einflüsse auf den Werdegang der Band. Angefangen mit "Sacred Trickster", der Single inspiriert vom exzentrischen Yves Klein bis hin zu "Anti-Orgasm", in dem Über-Groupie Uschi Obermayer angesungen wird. "Leaky Lifeboat", ein Song inspiriert von und geschrieben für den Beat-Poet Gregory Corso. Und so weiter und so fort. "The Eternal" also ein Dokument der Unsterblichkeit und Zeitlosigkeit, und ein wunderbares Beispiel wie Kunst andere Kunst beeinflusst, wie Ideen transzendieren und in anderen Formen weiterleben. Kein Wunder, dass Thurston und ich im Interview kurz mal in den Buddhismus abgeschweift sind.
Andrew Kesin / Matador Records
Matador Records
Mehr zu Sonic Youth und "The Eternal" gibt es am Mittwoch 17.6 in der FM4 Homebase ab 19 Uhr
Das Persönliche bleibt wie immer draußen - die Band hat einen Popkulturfilter, durch den alle Befindlichkeiten fließen. Ich glaube, es war immer schon die Sonic Youth Tradition, nicht über sich selbst zu singen, sondern den Spiegel für die Gesellschaft hoch zu halten. Vielleicht ist das ja auch das Geheimnis ihres Durchhaltevermögens: It's not me, it's you.
Wie so oft bei Sonic Youth funktioniert diese Platte auf verschiedenen Ebenen - vom Abrocken bis hin zum Diplomarbeitsthemen kann man sich aus "The Eternal" relativ viel herausholen. Wenn es auch nur die Gewissheit ist, dass mit 56 noch lange nichts vorbei ist. Zitat Thurston: "If it goes on at all, it just has to go on forever."