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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

11. 6. 2009 - 21:01

Fußball-Journal '09-44.

Die Blase platzt. Über das Ende eines nie ernsthaft glaubwürdigen Konstrukts.

Und wieder ist ein Kommunikations-Problem Ursache und Auslöser einer Krise.
In diesem Fall die von Rapid, wo ein schweigsamer Chefcoach seine kommunikations-tüchtigen Assistenten entlassen hat und damit Probleme verursacht.

Auf die Dauer, sagte die große Lincoln-Statue in Washington einmal, auf die Dauer kannst du nicht alle Leute gleichzeitig verarschen. Am leichtesten und längsten, sage ich jetzt, klappt das aber immer noch mit sich selber.
Dieser Tage ist so ein nie sonderlich gut aufrecht erhaltener Selbstbetrug geplatzt; weil der Bogen überspannt wurde. Und ein Konstrukt, an dessen Bauplan eine ganze Reihe von Bastlern beteiligt war, zerbröselt, als wären es Brotkrumen.

Die Fakten: seit Jahren schon spricht Rapid-Trainer Peter Pacult nicht.
Das heißt, sprechen tut er schon. Sogar in einem einzigartigem Kauderwelsch, das man – nach ein bissl Eingewöhnung – auch verstehen kann (sofern man kein Ossi ist).

Aber: er spricht nicht in der Absicht zu kommunizieren. Sondern, weil man halt sprechen muss.

Den Job der Kommunikation, den übernahmen andere. In vorderster Linie Pacults Co-Trainer Zoran Barisic, den man auch Zoki oder Zocke nennt; und auch Tormanntrainer Peter Zajicek, den man Tiger nennt. Pacult hat keinen Zusatznamen dieser Art.

Nicht-Sprechen als Tugend mißverstehen

Zum Thema "Fußball-Coaches in Österreich" möchte ich das sensationelle Interview mit Volkan Kahraman empfehlen, das heute im Kurier erschienen ist. Da sagt das ehemalige Wunderkind, das sein Talent vergeudete, als gelte es ein schlechtes Drehbuch umzusetzen, sensationelle Sätze voll bösartiger Weisheit.

Mein Favorit ist seine Anwort auf die Frage, was denn der Knackpunkt auf dem Weg hinunter gewesen wäre: "Mein Problem ist, dass ich nicht lache, wenn es nicht lustig ist. Im Fußball in Österreich ist es aber leider so, dass man diese Typen braucht, die mitlachen und nur mitrennen. Nur wenige Trainer wollen das nicht."

Pacult hat aus der Nicht-Kommunikation ein Ritual, eine Art Kult gemacht. Das hat mit einer falsch verstandenen Lehre zu tun, wie ich es hier am Beispiel von Didi Constantini kürzlich ausgeführt habe. Constantini hat Ernst Happels angebliche Nicht-Kommunikations-Strategie der Presse gegenüber angenommen und verschlimmbessert.

Pacult unternahm ähnliches mit der angeblichen Nicht-Kommunikations-Strategie Happels gegenüber seinen Spielern.

Beide Happel-Tricks sind im Übrigen sorgfältig gepflegte Mythen. Happel war für knappe Sätze und fehlende Geschwätzigkeit bekannt, war aber ein ausgefuchster Kommunikator, ein one-to-one-Genie.

Als die, vorsichtig gesagt, schwachbrüstige Kommunikation zwischen Trainer Pacult und seinen Spielern vor gut einem Jahr immer deutlicher durchsickerte, begann die Installation eines Konstrukts. Da sich Rapid in einem gefühlten Erfolgslauf (unerwartete Meisterschaft etc.) befand, befand das Umfeld, es nicht zuzulassen, dass eine interne Diskussion diesen beschädigen würde. Man verfolgte eine Beschönigungs-Strategie, die die immer lauter werdende Kritik an der offensichtlichen Sprachlosigkeit zwischen Teamleitung und Mannschaft (was konkrete Anweisungen in konkreten Situationen betraf) wegdrücken sollte.

Das gelang.

Die durchaus nicht unkritische Rapid-Fan-Gefolgschaft, die mit Peter Pacult nie warm wurde (was, und das meine ich unironisch, wiewohl ich dabei natürlich lachen muss, wie klar die Spuren hier zusammenführen), mit seiner schlechten Kommunikation mit den Fans zu tun hat), spielte mit. Die Mannschaft war auf Linie und wich bei entsprechenden Fragen durchaus geschickt aus, und auch die Teamleitung stand ganz deutlich zu ihrem Beschluss.

Inszenierter Selbstbetrug

Ich erinnere mich an ein Telefonat mit einem Rapid-Verantwortlichen wegen der damals gerade sehr akuten Themas der Nicht-Berücksichtigung Veli Kavlak. Auch da ging es um Kommunikation, und der Verantwortungsträger sprach deutlich davon, dass alle im Verein sich der problematischen Situation bewusst waren, dass viele Gespräche mit dem Burschen geführt würden.

„Und auch der Cheftrainer spricht viel mit dem Veli“, sagte der Mann, als er merkte, dass er Pacult bislang nicht erwähnt hatte.

Welche Art des Sprechens das war, bleibt natürlich offen.

Nun ging auch diese Saison so halbwegs gut aus für Rapid Wien.

Wenngleich man, ganz ohne Vereinsbrille und außerhalb der gefühlten Wertigkeit, eher zum Schluss kommen muss, dass Rapid spielerisch, taktisch und auch individuell zumindest stagniert, wenn sich nicht sogar eher zurückentwickelt hat.

Auch diese Entwicklung wurde vom Konstrukt rund um Peter Pacult zugedeckt. Weil es keine interne Debatte zulässt, also auch keine ehrliche Analyse.

Und nun bricht das Kartenhaus zusammen.
Und zwar rapido.

Die gestern noch vielstimmig beschworene klasse funktionierende Kommunikation zwischen Coach und Mannschaft ist heute Makulatur.

Geplatzte Blasen

Auf Wunsch von Pacult (offizielle Gründe wurden nicht bekanntgegeben) hat die Rapid-Führung die beiden Assistenten Barisic und Zajicek „versetzt“. Weil die Rapid-Führung „den gute Draht“, den die zwei Kommunikatoren zur Mannschaft hatte, nicht verleugnen konnte, wurden die beiden nicht gefeuert, sondern in der Jugendarbeit „geparkt“.

Die Mannschaft, die davon im Urlaub erfuhr, ist entsetzt. Stefan Maierhofer, als derjenige Rapidler bekannt, der sich verbal am meisten zutraut, spricht von einem schweren Verlust, der „uns erst einmal erklärt werden muss.“

Ich halte fest: es geht um zwei Co-Trainer.
Ich wette, dass die überwiegende Mehrzahl der Fußball-Fans nicht einmal fünf weitere Bundesliga-Assistent-Coaches aufzählen könnte.

Und die Versetzung/Entlassung von zwei Co-Trainern führt zu fast verzweifelt zu nennenden Reaktionen der Spieler.
Das hat damit zu tun, dass mit dieser Demontage die Kommunikations-Grundlage komplett ausgedünnt wird.

Womöglich sind Poldl Rotter und der neue Tormanntrainer Kohlbacher auch fantastische Kommunikatoren – aber darum geht es nicht; die Angst davor mit einem nicht sprechenden Chefcoach alleingelassen zu werden führt zu prophylaktischen Reaktionen der Spieler. Und die Vereinsführung hält sich aktuell – mit dem Parken der beiden Pacult-Opfer – alle Optionen frei.

Falsch verstandene Solidarität

Denn die Mär vom Wundercoach, mit dem man wegen des Erfolgslaufs nicht über Schwächen, Fehler und Probleme reden darf, ist durch seine jüngste Aktion nicht mehr aufrecht zu erhalten. Der Damm ist gebrochen.

Ich behaupte, dass die aktuelle Misere nicht einmal Pacults Schuld ist: wenn es einem ein Umfeld ermöglicht sich im Bewusstsein einer gewissen Unfehlbarkeit einzubunkern, wenn eine treu-betriebsblinde Gefolgschaft dem Erfolg der gemeinsamen Sache alles unterordnet, wenn eine Gemeinschaft angehalten wird ein Problem solidarisch wegzuschweigen, dann wird es so geschehen.

Letztlich ist dieses kleine Beispiel nur ein Beleg dafür, dass Probleme mit interner Kommunikation in jeder Gemeinschaft, egal ob es, whatever, die Grünen, FM4 oder eben Rapid Wien ist, ein Killer sein kann; dass jedes Wegdrängen nur zu einem Problemstau und unvermeidlichem Ausbruch führt; und dass die offene Diskussion, so unangenehm sie sein mag, allemal zielführender ist als kollektives Totgeschweige.