Erstellt am: 10. 6. 2009 - 17:14 Uhr
Journal '09: 10.6.
Extended Posting von Clemens Conditt, Mi 10.06.2009, 12:08
Mehr zum Thema heute Mittwoch in Connected ab 15 Uhr: Wem gehört die Stadt? Chrisoph Laimer (dérive - Zeitschrift für Stadtforschung) und Joe Taucher (Lokale Agenda 21 Wien) diskutieren über Strategien, öffentlichen Raum nutzbar zu machen.
Das Quartier:
französisch: quartier, m.;
der Ortsteil, das Stadtquartier, der Stadtteil, das Stadtvierte, das Viertel.
Das Problem dem der derzeitge Konflikt zugrunde liegt, wurzelt in der Entscheidung, das gesamte Gebiet an einen Privatnutzer zu übergeben und zeigt ganz exemplarisch die Konsequenzen, die sich daraus ergeben.
Wenn wir die Privatisierung von derartigen Orten legitimieren, stellen wir damit ganz wichtige Kernbereiche eines demokratischen Staates (od. Stadt) in Frage.
Mehr zur Vorgeschichte:
und
Öffentliche Sozialräume werden, wie man an dem Beispiel sieht, durch die Privatisierung konkret zweckgebunden und ausschließlich nach den Kriterien des Betreibers adaptiert und reglementiert, anstatt innerhalb eines demokratischen Diskurses definert zu werden.
Jedes totalitäre Regime versteht die Definitonsmacht des öffentlichen Raumes. Keine Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit - Militäraufmärsche. Und auch im MQ zeigen sich ähnliche Muster: Darf ich auf einem Privatgelände demonstrieren oder ist das Hausfriedensbruch?
"Die Stimmung kippt, wir müssen etwas unternehmen!"
Auch die Konfrontation mit gesellschaftlichen Problemen ist eine sehr wichtige Aufgabe des öffentlichen Raumes. Der Sandler, der Augustinverkäufer, die Junkies, aber auch die sich besaufende Jugendlichen sind alles Realitäten, mit denen wir uns befassen müssen, und wenn es nur dann ist, wenn wir das nächste mal ein Kreuzchen auf den Wahlzettel machen.
Wieso soll ich einer Partei meine Stimme geben, die sich um Probleme kümmern möchte, die es gar nicht gibt, weil ich sie nicht sehe? Die Schaffung von Mikrokosmen (Stichwort "gated communites" oder "gated cities") die den Anspruch erheben Stadt zu sein, öffentlich zu sein sind äußert bedenklich.
Disneyland Vienna.
Am Beispiel der Museumsquartier-Politik sehen wir mehr oder weniger sanfte Selektionsmechanismen, um die Konfrontation mit derartigen Problemen zu vermeiden, oder um Menschen einzuteilen (und sei es nur in Zielgruppen) - und damit die Gesellschaft zu spalten. Aus der Sicht einer Privatgesellschaft 100% nachvollziehbar - demokratiepolitsch problematisch.
Hier entzieht sich der Staat seiner Verantwortung.
Selbstverständlich muss es möglich sein, Raum zu separieren und intimere Zonen zum Rückzug und Erholung zu schaffen. Ich habe auch das Recht mein Schnitzel im privaten Schanigarten zu essen ohne von Bettlern und anderen dabei gestört zu werden. Im Falle des MQ ist der Knackpunkt allerdings "scale". Es ist ein Stadtteil, ein Quartier und nicht Areal oder Bereich und kann nicht mit ebensolchen verglichen werden.
"Denen's nicht passt die sollen halt woanders hingehen"
Das MQ ist daher von großer öffentlicher Bedeutung, da es fast exklusiv folgende Qualitäten vereint.
Das MQ
- profitiert von einer zentralen städtischen Ruhelage und guter Infrastruktur.
- ist oft der kürzeste Weg, Verbindungsglied.
- beinhaltet eine Vielzahl von verschiedenen öffentlichen und privaten Institutionen und ist in den meisten Fällen auch der einzige Weg zu diesen.
- wird aus Steuergeldern finanziert.
- ist in seiner Lage schlicht und einfach zu groß um ignoriert zu werden
- ist historisch ein Teil der Stadt und des öffentlichen Lebens
Doch auch wirtschaftlich lässt sich argumentieren.
Denn: Der öffentliche Raum ist immanent ein Monopol. Genausowenig wie Wasser ohne ökonomische Katastrophen hervorzurufen privatisiert werden kann, kann der öffentliche Raum privatisiert werden. Hier stößt die freie Marktwirtschaft an ihre (physischen?) Grenzen. Denn den kürzesten Weg und die Nähe kann es nur einmal geben, es gibt keinen Wettbewerb um den kürzesten Weg. Hier kann sich der Markt also nicht selbst regulieren, hier ist Demokratie gefragt.
Weitergedacht:
Welche Wiener Plätze, Straßen und Orte wären zur Privatisierung geeignet? Der Graben? Die Kärntnerstraße?
Wo ist Viennaland?