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Burstup

Physische Welt, virtuelle Realität. Politik und Kultur.

10. 6. 2009 - 15:14

Ghostbusters

Teil zehn ist Teil drei. Was uns ein Gespensterspiel über Film- und Gamesindustrie sagt.

Mein Zugang zu vielen Popkultur-Phänomenen in den achtziger Jahren erfolgte digital: HipHop zum Beispiel existierte für mich 1984 zuerst in Form des Computerspiels "Breakdance" am Commodore 64, bevor ich ihn ein Jahr später auch auf Schallplatten von Mantronix und Run-DMC für mich entdeckte. Und auch wenn es um etwas Simples wie eine Gespensterkomödie ging, landete zuerst das Spiel zum Film in meinem Diskettenlaufwerk, dann las ich sogar das trashige Buch-zum-Film und hörte den Soundtrack, bevor noch der Film in den Kinos zu sehen war. Ich wurde quasi vom Game (damals eher ein Randphänomen) in die bestens vorbereitete multimediale Marketingkampagne hineingesogen. Im Fall von Ghostbusters machte das nichts, weil der Film dann eh gut war.

Sony Pictures

Die Rollen der mit Technikspielzeug ausgestatteten, akademischen Geisterjäger hatten sich die beiden Schauspieler Harold Ramis (auch Autor des Films "Und täglich grüßt das Murmeltier") und Dan Aykroyd (einer der beiden "Blues Brothers"-Gründer) selbst auf die Leiber geschrieben. Und ein wie immer großartiger Bill Murray war der Schlagobersgupf oben drauf. 1989 gab’s dann noch eine Fortsetzung, die als ganz okay durchging: Ray Parker Juniors "Ghostbusters"-Hit wurde in Runde zwei großartig von Run-DMC verwurstet, der Film weckte nette Erinnerungen, aber dann war der Spuk für mich - auch aufgrund einer mäßigen Zeichentrickserie, zu der das Thema verwurstet wurde, vorbei.

Sony Computer Entertainment

Vorspulen 25 Jahre. Ghostbusters wird erneut – zum insgesamt zehnten Mal - als Videospiel veröffentlicht. Dan Aykroyd selbst soll das Script geschrieben haben, rührt kräftig die Werbetrommel und bezeichnet das Game in Interviews als "Ghostbusters III", denn die Handlung spiele zwei Jahre nach den Ereignissen des zweiten Films. Die Stimmen von Bill Murray, Harold Ramis und überhaupt fast der gesamten Orginalbesetzung sind dabei. Nur: Kinofilm wird daraus keiner gemacht. Dafür erscheint das Spiel plattformübergreifend auf einem halben Dutzend verschiedener Konsolen. 2009 ist das Spiel nicht Randerscheinung im Rahmen einer gewaltigen Marketingkampagne, sondern selbst das Mainstream-Produkt. Den Charme der Kinofilme versprüht es trotz Mitwirkung der alten Besetzung leider nicht.

Dabei fängt alles gut an, soll heissen: genauso wie in den Kinofilmen. Ein paar Takte Ghostbusters-Hit, dann gruselige Klänge. Ein mysteriöser Zwischenfall, Menschen die in Panik vor einer seltsamen Erscheinung fliehen. Fernsehwerbung, in der vier unterbeschäftigte Ghostbusters ihre Dienste anbieten. Überblendung auf das Hauptquartier der Ghostbusters. Dort gibt es jetzt einen fünften Geisterjäger – und der bist du. Frisch angestellt. Davon wie man die berühmten Geisterfallen oder das atombetriebene Proton Pack bedient, hast du natürlich gar keine Ahnung. Experimentelles Equipment wird dir umgehängt. "Don’t tell me his name", ertönt die Stimme von Bill Murray. "I don’t want to get too attached to this kid." Der trockene Humor ist geblieben, so kennen wir Ghostbusters. Eigentlich wären das die besten Voraussetzungen für ein "selber erleben" der Geschichte. Aber.

Sony Computer Entertainment

Die Kinofilme waren nicht das einzige Vorbild fürs Spiel. Gleich zu Beginn der ersten Mission entkommt ein gewisser "Slimer" aus dem Ghostbusters-Hauptquartier und mir schwant Übles: Slimer ist jener kartoffelförmige Geselle, der in einem kurzen, aber legendären Kinoauftritt anno 1984 Bill Murray "anschleimt". In der Zeichentrickserie wurde das grüne Ding dann zu einem Quasi-Maskottchen der Truppe, was schließlich darin gipfelte, dass die zunehmend dümmliche Serie sogar in "Slimer and the Ghostbusters" umbenannt wurde. Das Videospiel, das uns Dan Aykroyd als "Ghostbusters III" verkaufen will, entpuppt sich als Mix aus Realfilm- und Zeichentrickvariante des Themas. Die Dialoge sind eine Spur zu infantil, die Stimmen von Nebendarstellern ein wenig zu cartoonhaft.

Sony Pictures

Gerüchte gibt es auch um einen neuen Ghostbusters-Film, der allerdings erst 2012 ins Kino kommen soll. Die Originalbesetzung wäre wieder dabei, aber das Drehbuch schriebe ein neues Team.

Von ein paar Stunden Geisterjagd ließ mich das zwar nicht abhalten, denn experimentelles Equipment will durch Erfolg freigeschaltet werden und die Geschichte hat Tempo. Ein Multiplayermodus bei den größeren Konsolenversionen rundet das ganze ab. Macht Spaß, ist nette Unterhaltung, ist aber auch exemplarisch für den Zustand der Unterhaltungsindustrie 2009. Sony lizensiert an mehrere Entwicklerstudios (darunter den derzeitigen Eigentümer der Namensrechte an Atari). Man vertraut zwar der Marktdurchdringung des Mediums Videospiel, aber nicht der Reife seines (auch des jüngeren) Publikums. Anstatt etwas wirklich Neues, Radikales zu probieren und die Kunstform voranzubringen, gehen die Hersteller den vermeintlich sicheren Weg: So entsteht ein kruder Mix aus Kinder- und Erwachsenenversion des Themas mit althergebrachter Spielmeachink. Ganz nett halt, aber jenes Spiel, das im Jahr 1984 den Namen "Ghostbusters" trug, war in mehrerer Hinsicht wegweisend: Es war eines der ersten Computerspiele mit Sprachausgabe, es hat auf herkömmliche Lebensanzeigen verzichtet und neuartige Levelstrukturen eingeführt. Das soll jetzt auch nicht "früher war alles besser" heissen - aber wer 2009 sehen will, was das Videospiel an Aufregendem, Neuem zu bieten hat, muss sich eher der rasant wachsenden Indie-Games-Szene zuwenden.