Erstellt am: 9. 6. 2009 - 15:40 Uhr
Die Möglichkeit eines Hundelebens
Merkwürdig das alles. Die Freunde des verlässlichen, selbstquälerischen, "ich bin Dreck" zu Gitarrenriffs brüllenden Iggy Pop aus den Seventies sind seit den Neunzigern vielleicht schon einiges gewöhnt. Der Mann macht was er will: Riffpunk mit Sex Pistol Steve Jones, zweien von den Misfits und einem von Body Count oder Slash und Duff von Guns'n' Roses, die "Stooges" live Reunion mit Mike Watt (Minutemen, fIREHOSE), Zusammenarbeiten mit dem Cool Jazz Trio Medeski, Martin & Wood, mit Peaches, Fatboy Slim oder mit Goran Bregovic ... verschieden überzeugend, verschieden überraschend, scheint ihm alles egal zu sein.

EMI
Iggy ist 63 und schon lange clean und fit. Seit er mit dem Rauchen aufgehört und sich dem Qui Gong zugewandt hat, ist auch seine Stimme stärker denn je. Er schreibt Lyrik, beteiligt sich an Filmmusik-Projekten und liest Bücher. Zuletzt "Die Möglichkeit einer Insel" von Michel Houellebecq, einen dystopischen Zukunftsroman mit für den Autor typischen Zivilisationshass. Diese Buch, hat er sich wohl gedacht, passt gut zum Iggy, der "bored" "Dirt" war, keine "New Values" finden konnte und sich am liebsten von "Dog Food" ernähren würde. So ist "Die Möglichkeit einer Insel" eine der Hauptinspirationsquellen für Iggy Pops neues Album "Préliminaires".

EMI
Ja, nicht "preliminaries" (englisch für "Einleitung, Vorrunde") sondern das französische Wort, das im Plural - wie mir Elizabeth Kervarrec, die französische Nachrichtensprecherin von FM4, bestätigt - soviel wie "Vorspiel" bedeutet (schön von den Franzosen, dass das Wort für Vorspiel nur im Plural vorkommt, nicht?). Iggy singt ein französisches Lied vom Ende einer Beziehung (Les feuilles Mortes - die welken Blätter), das im Original ein Hit für Yves Montand war und auf Englisch - als "autumn leaves" unter anderem von Keith Jarrett, Tom Jones oder auch Grace Jones interpretiert wurde. Vom gleichen Thema, der Trennung, handelt auch seine zweite Coverversion, Jobim/ Moraes "How insensitive", das der wiederum von Chopin "geliehen" haben soll. Wer die letzten Zeilen überfliegt, wird hier nicht eben Punkige Referenzen finden.
Hund
Der beste Freund des Menschen zieht sich - wie erwähnt - ein bisschen leitmotivisch durch Iggys Werk. Er will Hundefutter fressen, selber Hund sein, auf Preliminaires jetzt sogar der König der Hunde. Das "Leben wie ein Hund" entspricht offenbar Iggys Vorstellung vom Outcast, vom regel- und gesetzlosen Rebellen, in Gestalt des Kynikers ( von gr. Kyon - Hund) Diogenes. Im einzigen Lied auf Preliminaires, auf dem Michel Houellebecq als Co-Autor genannt ist, wird der Hund gar als "Liebesmaschine" bezeichnet ("Du kannst einen Hund einem noch so schlechten Menschen vorstellen, er wird ihn lieben, er kann nicht anders"- Iggy Pop)

musicline.de
Mehr zur neuen Iggy Pop gibt es heute in FM4 Connected, wo wir uns ein wenig durch "Preliminaires" durchhören. Ab 16 Uhr.
Neben den vielen Merkwürdigkeiten, Blues- und Chansonausflügen, ist "Preliminaires" aber schon auch ein typisches Iggy Album, mit Anklängen an Nightclubbing ("Party Time"), Kill City ("She is Business") oder American Caesar ("King of the Dogs"). Und hübsch ist es auch geworden: Das Artwork von "Preliminaires" stammt von der Comiczeichnerin Marianne Satrapi, die Iggy kennengelernt hat, als er auf ihren Wunsch einem Charakter in der Verfilmung ihrer Graphic Novel "Persepolis" seine Stimme leihen durfte.