Erstellt am: 8. 6. 2009 - 15:44 Uhr
Nach der EU Wahl 2009
FM4 zur EU-Wahl 2009
Alle Infos unter fm4.orf.at/euwahl
Tag 1 nach der EU-Wahl. Das Ergebnis ist bekannt, über Wahlverhalten und -motive der Jungen gibt es inzwischen auch erste Untersuchungen.
Eva Zeglovist, Leiterin des Forschungsbereichs Wahlen und Politik bei dem Sozialforschungsinstitut SORA war zu Gast bei Mirjam Unger in FM4 Connected.
Wie haben die jungen Leute gestern eigentlich gewählt? Deckt sich das mit dem Gesamtergebnis?
Eva Zeglovits
Bei den jüngeren Wählern und Wählerinnen gibt es schon leichte Unterschiede. Wir haben ein überdurchschnittliches Ergebnis für die Freiheitlichen von 19% bei den unter 35-jährigen. Und mit 14% auch ein überdurchschnittliches Ergebnis für die Grünen.
Wie sieht das für Hans-Peter Martin, die ÖVP und die SPÖ aus?
Bei den Jüngeren ist die ÖVP - genauso wie insgesamt - die stärkste Partei. Sie erreicht auch dort laut unserer Umfrage 28%. Die SPÖ folgt mit 22% und Hans-Peter Martin erreicht in dieser Altersgruppe 14%, also ein bisschen ein unterdurchschnittliches Ergebnis. Der ist eher bei den älteren Wählerinnen und Wählern besser.
Was kann man aus diesen Zahlen für Schlüsse ziehen?
Wir haben Hinweise darauf, dass die Wahlbeteiligung bei den Jungen ungefähr so hoch ist wie in der Gesamtbevölkerung. Wir wissen auch, dass junge Wählerinnen und Wähler grundsätzlich der EU positiver gegenüberstehen. Wir haben halt - wie auch bei Nationalratswahlen - diesen Trend der Jungen zu den Freiheitlichen und den Grünen. Das hat vermutlich die Ursache darin, dass auf der einen Seite die Freiheitlichen punkten, weil sie Themen ansprechen, die die Jungen, oder einen Teil der Jungen, interessieren. Weil sie Nähe symbolisieren. Das gilt für die Grünen genauso. Grüne Themen wie Umweltpolitik, Bildungspolitik sind auch für die Jüngeren besonders interessant. Hier ist das Ergebnis der EU-Wahl also kein ungewöhnliches.
Die größten Gewinner waren, wenn man so will, die NichtwählerInnen. Die Wahlbeteiligung bei den Nationalratswahlen lag bei etwa 80%, gestern etwas über 40%, also nur etwa halb so hoch. Warum so ein geringes Interesse bei einer so wichtigen Sache wie der EU-Wahl?
Die EU-Wahlen sind in Österreich, wie auch in vielen anderen Ländern, sogenannte "Wahlen 2. Ordnung". Das heißt, dass die Wählerinnen und Wähler diese Wahlen als weniger wichtig betrachten, weil sie den Eindruck haben, da geht es um weniger. So etwas zeigt sich im Ergebnis dann meistens durch so eine viel niedrigere Wahlbeteiligung als bei denen, die wichtig sind. Das wären bei uns dann beispielsweise die Nationalratswahlen. Und gleichzeitig sind diese "Wahlen 2. Ordnung" üblicherweise eine Chance für Protestlisten oder Listen, die bei anderen Wahlen keine Chance haben. Der Erfolg von Hans-Peter Martin ist da ganz typisch.
Was macht - abseits der Unterstützung der Kronen Zeitung - den Erfolg von Hans-Peter Martin aus? Was hat er geschafft zu kommunizieren, das die anderen nicht geschafft haben? Was macht er vielleicht richtig, das die anderen falsch machen? Ist es diese Haltung, für die EU zu sein und sich trotzdem kritisch zu äußern?
Ihm gelingt es, sehr authentisch zu zeigen, dass er jemand ist, der die EU von innen her verändern will. Das ist ein Bild das die WählerInnen haben. Er sammelt sozusagen Protest gegen die EU. Ich glaube gar nicht, dass so viele Wähler und Wählerinnen von Hans-Peter Martin sich darüber klar sind, dass er ein echter EU-Befürworter ist. Viel stärker bleibt das hängen, was er kritisiert. Sie haben den Eindruck, er ist ein Aufdecker, einer der Missstände aufzeigt, einer der kontrolliert. Das bringt er rüber und dafür wird er auch gewählt.
Wir wollen noch einen europäischen Blick machen. Warum haben die sozialdemokratischen Parteien insgesamt so verloren? Was sind die Gründe für diesen konservativen Schub?
Das ist aus dem österreichischen Blickwinckel schwierig zu beantworten. Was man sieht, ist, dass es den sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien offensichtlich nicht gelungen ist, aus der Wirtschaftskrise die Botschaft zu entwickeln, gerade jetzt wäre es wichtig, die Sozialdemokratie zu stärken, damit so etwas nicht noch einmal passiert. Sowas in diese Richtung hätte man sich erwarten können. Das war vermutlich auch die Hoffnung der Sozialdemokraten bzw. Sozialisten. Aber diese Botschaft konnte nicht glaubwürdig vermittelt werden. Zum anderen ist es aber wohl auch so, dass unter den WählerInnen dieser Parteien auch die größere EU-Skepsis vorherrscht. Größer als unter den Wählerinnen und Wählern der konservativen Parteien. Sofern man das über die vielen Länder überhaupt vereinheitlichen kann. Das muss man ja immer ein bisschen mit Vorsicht genießen. EU-kritische Stimmen zur Wahl zu motivieren ist aber überlicherweise ein bisschen schwieriger als die EU-Befürworter zur Wahl zu bringen. Das gelingt Protestlisten, aber für eine etablierte Partei, noch dazu wenn sie in der Regierung ist, ist das besonders schwierig.