Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Kante am Schöpfwerk"

Susi Ondrušová

Preview / Review

7. 6. 2009 - 16:33

Kante am Schöpfwerk

Vom Club ins Theater zum Gemeindebau und zurück.

Da wollte ich immer wohnen.

fm4/ondrusova

Alles unter Stockwerk 10 ist Betrug, dacht ich mir nicht nur einmal im Schachtel-Aufzug auf dem Weg zum sozialromantischen Kaffee&Kuchen bei den Familienangehörigen.

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Mit den Hausschlapfen zum Greissler ins Erdgeschoss, endlich wieder nur mehr aus dem Küchenfenster gerufen anstatt GPS-artiges Schlüsselkind zu werden. Dass es heute nur bis zum 3.Stock gereicht hat, naja.
Dieser hässliche Altbau mit seinen ungeklärten Höhenverhältnissen - Mezzanin und Erster Stock. Dort wo ich wohne, gibt es offiziell drei Stockwerke. Die Tür 25 ist im Halbstock des 2. Stockwerkes, die Tür 20 einen Halbstock über dem Schild mit dem 3. Stockwerk. Auch Betrug.
Großstadt eben, ungeklärt und flach, dort, von wo man überall gleich schnell sein möchte. Dafür keine Gelegenheit auslassen, um sich an die ausgefransten Stadtränder zu begeben.

Kante haben einander ebenerdig kennengelernt. Peter Thiessen und Sebastian Vogel sind in der gleichen Straße aufgewachsen. Gemeinsam Laufen gelernt, aus Sitznachbarn sind Spielkameraden geblieben.

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In Wien waren sie wirklich schon oft genug. Das Café vor dem Radiokulturhaus kennen sie schon, über den Eisplatz neben dem Akademietheater haben sie auch schon mal den Blick schweifen lassen, Prater bei Nacht? Eh klar. Und die Währingerstraße da bei der Volksoper, dort haben sie auch schon mal geparkt. Die gestrige Konzertstation hat die Band zum Platz vor der Hauptschule Am Schöpfwerk navigiert.

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Sebastian Vogel über seine Eindrücke: "Wir waren etwas vorbereitet darauf, was hier ungefähr passiert, aber wo es passiert und wie´s dann irgendwie ist, darauf waren wir flüchtig vorbereitet, wir verlassen so die Stadt und dann landet man hier und es war ganz toll, weil hier am Nachmittag diese Los Torpedos gespielt haben, als wir reinkamen und die waren total super. Das war so Südstaaten-Blues-Country-mäßiges Zeug. Mit so einem ganz kleinen Schlagzeug und Gitarre und so eine Tuba als Bass. Also echt super. Es war eine ganz angenehme Atmosphäre und man guckt so rum, "Aha, das ist jetzt hier der Gemeindebau!", der entweder hier total rough ist oder doch nicht oder man weiß es nicht. Aber es hat sich gleich total nett angefühlt." Peter Thiessen: "Total nett und total friedlich!"

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Sebastian Vogel zum Thema erster Wohnraum:

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"Ich glaub', wir sind relativ behütet aufgewachsen. Wobei, als wir aufgewachsen sind, haben wir in der gleichen Straße gewohnt. Gemeindebau ist ja anscheinend auch in Österreich ein Wort für sozialen Wohnungsbau. Wir haben da keine eigene Lebenserfahrung damit."

Peter Thiessen: "Für mich ist das ein wenig zwiespältig, einerseits ist das öffentliche Bild oft so, dass man denkt, "Ghetto" und "Jugendgangs", andererseits weiß ich, dass Vieles davon eher aus so einem linken Gedankengut kommt, dass man gedacht hat, man stellt da Infrastruktur her, wo Leute einfach und für wenig Geld wohnen können und setzt darauf, dass Leute aus verschiedenen Schichten auch klarkommen.
Ich denke, dass, wenn es in sowas Probleme gibt, wenn ich sowas wie heute sehe - ich hab' davon nichts mitgekriegt. Ich glaub' das ist auch so ein bestimmtes Klischee, das sich da aufbaut, das bestimmt auch mit Ausländerfeindlichkeit und vielleicht auch Armutsfeindlichkeit zu tun hat.

Kante

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Aber wenn es da Probleme gibt, könnte man sich zumindest fragen, "Hat es damit zu tun, dass es solche Siedlungen sind, oder hat es nicht eher was mit dem größeren Rahmen zu tun, dass die Gesellschaft die Leute in die Armut zwingt und treibt und natürlich auch viele Leute mit migrantischem Hintergrund, die dann eben in möglichst billigen Wohnraum getrieben werden, und daher rührt eher das Problem, und nicht von der Idee solcher Siedlungen selber."

Selten ein Konzert mit so einem jungen Publikum gesehen, geschweige denn gespielt? "Die Kinder waren total toll und ich hatte die ganze Zeit Angst, mich zu verspielen, wie die kleinen Mädchen da rumgehüpft sind und die Jungs getrommelt haben auf der Bühne." Peter Thiessen weiter: "Wir haben ja mittlerweile auch einige Kinder in der Band und deswegen musste Felix auch dem einen Jungen erklären, warum da soviel Nebel ist auf der Bühne, weil der wollte wissen, ob es da brennt und so."

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Am Nachmittag hat sich ein Junge schon hinter die Bühne verirrt. Die Band wollte wissen, wie ihm das ganze Spektakel in seinem Schöpfwerk gefällt: Das Flötentrio auf der 10er-Stiege, das Klarinetten-Ensemble auf der Terrasse der 14er-Stiege, der Mozart der Philharmoniker? "Ich mag eher so Rock als Mozart", kam als Antwort.

Rock sind Kante längst nicht nur. Neben "Ich hab´s gesehen" oder der klassischen Abschlussnummer "French Disko" von Stereolab im Original wird auch Schauspieler Jörg Ratjen auf die Bühne geholt, um bei zwei Songs mitzuwirken, die im Rahmen der "Spuren der Verirrten" -Produktion entstanden sind. Sie können sich so sehr vom Rahmen ihres Ursprunges wegbewegen, wie sie möchten: Die Verstärker auf der Bühne bleiben. Ein anderes und neues Bühnensetting erlaubt eine neue Auseinandersetzung, ein neues Einwirken der Texte vom bis zur Unendlichkeit totgegröllten "Zombi" oder "Die Summe der einzelnen Teile" bis zum neueren Track "Die große alte neue Stadt". Schöneren Blickwinkel auf die Stadt und die Band kann man sich wirklich nur mehr aus dem 10.Stock holen.

fm4/ondrusova

Die grosse alte neue Stadt...

das leben nimmt hier seinen lauf
und die träume blüh'n zuhauf

Kante

fm4/ondrusova

brennen länger und so hell
wie an keinem anderen ort auf dieser welt
bevor sie irgendwann verglüh'n
und verschwinden im gewühl
ist das das feuer das sie hat
die grosse alte neue stadt
die grosse alte ständig neue stadt
sie ist freiheit, lust und zwang
gestern, morgen, gegenwart

fm4/ondrusova

und manchmal alles das zusammen
ein unentwirrbares zugleich
ein fadenknäul das unterm strich
keinen klaren sinn ergibt
man findet sich, verfehlt sich doch
trennt sich und ist noch verliebt
mancher findet keinen ort
andere zieht es wieder fort
aus dieser ständig neuen stadt

Zum Nachhören

Am Donnerstag, 18. Juni 2009, wird das Konzert ab 20.30 in der Homebase ausgestrahlt

artist song  
Kante die tiere sind unruhig  
Kante ich habs gesehen  
Kante die größte party der geschichte  
Kante nichts geht verloren  
Kante ein warmer abend  
Kante grosse alte neue stadt  
Kante mali blues  
Kante tourisme  
Kante french disko