Erstellt am: 7. 6. 2009 - 14:24 Uhr
Manisch maskulin
"I kick your fucking ass! I want you off the fucking set, you prick!" Ungleich unterhaltsamer als der fertige Film waren diese and ähnliche deftige Sätze im Vorfeld von "Terminator Salvation".
Die Rede ist natürlich von dem gar nicht so diskreten Mitschnitt, der den mittlerweile legendären Wutausbruch von Hauptdarsteller Christian Bale gegen den Kameramann Shane Hurlbut dokumentiert. Unzählige F-Wörter in wenigen Minuten hagelt es da und auch Drohungen physischer Gewalt.
Genau so stellt man sich Herrn Bale klischeehafterweise am Set vor - ständig unter Strom, aggressiv, bisweilen durchgeknallt. Der Auszucker bestätigte sämtliche gängigen Vorurteile über den 35-jährigen Briten. Dabei ist der Mann bei näherer Betrachtung das Gegenteil einer überspannten männlichen Diva. Nicht maßlose Egozentrik steht hinter seiner manischen Attitüde, sondern schlichter Perfektionismus.
Christian Bale lebt für seine Rollen, er nimmt seine Kunst ernster, als es heute üblich ist. Für den Neo-Noir-Streifen "The Machinist" (2004) unterzieht sich der ehemalige Kinderstar einer berüchtigten Hungerkur und stolpert als lebendes Gerippe durch den Film. Ein Jahr später ist er in "Batman Begins" als muskelbepackter und durchtrainierter Verbrecherjäger zu sehen.
Senator Film
Für Werner Herzogs Survivaldrama "Rescue Dawn" (2006) lässt sich Bale stellenweise wirklich foltern, er stopft Maden in sich rein und irrt durch den Dschungel von Laos. Schauspiel am Limit, als Katharsis, als eine Art Ritual.
Dabei, finde ich, liegt die wirkliche Stärke von Christian Bale nicht in diesen körperlichen Extremen. In Filmen wie dem genialen Magier-Drama "The Prestige" oder dem unterschätzten Western-Update "3:10 To Yuma" brilliert er auf viel subtilere Weise. Mit seinen zugekniffenen Augen, seinen zuckenden Gesichtsmuskeln, mit wenigen Worten.
Immer scheint es bei den Bale'schen Charakteren um Frust, gekränkte Eitelkeiten und verletzten Stolz zu gehen, eine Ahnung von Impotenz liegt in der Luft, zumindest wird Sexualität zugunsten ungesunder Obsessionen unterdrückt. Christian Bale bringt männliche Verbitterung besser auf die Leinwand als jeder andere Darsteller seiner Generation.
Sony
Man muss sich dazu nur seinen bislang erfolgreichsten Film ansehen. Wenn Zuseher von "The Dark Knight" schwärmen, kommt die Rede sofort und vorhersehbar schnell auf Heath Ledgers psychotischen Joker. Aber die für mich wahre Sensation spielt sich im Antlitz von Bruce Wayne alias Christian Bale ab.
Plakative Psychopathen sind ein aufgelegter Part, fragt Anthony Hopkins, denn ihnen gehört der ganze dunkle Glamour, ihre terroristische Weltsicht hat zumindest im Kino etwas enorm Verführerisches. Bale ist in der undankbaren Rolle zu sehen, ein vereinsamter Verbrecherjäger, den im Grunde niemand wirklich will. Als reicher Strahlemann, der hinter seiner Fassade leer, einsam und verklemmt ist, wirkt Bruce Wayne sogar wie ein Verwandter des "American Psycho".
Dass sich der Brite bewusst zurücknimmt und andere ins Rampenlicht lässt, zieht sich übrigens durch einige Filme seiner Karriere und zeichnet ihn auch noch als großartigen Teamplayer aus.
Christian Bale geht es sozusagen um den Song, nicht darum, wer ihn geschrieben hat oder mit einem Gitarrensolo auffällt. Auch das ist in Hollywoodkreisen so ungängig, dass es eher für Kopfschütteln sorgt.
Warner Bros
Wie so viele Ausnahmeschauspieler braucht aber Christian Bale auch enorm zielsichere, intelligente und durchaus diktatorische Regisseure, die ihm Kontra geben und an denen er sich reiben kann.
Steht ihm ein künstlerisch nichtssagender Auftragsarbeiter gegenüber, schaltet der Brite auf Automatik um, wie in zahlreichen Genrearbeiten seiner Vergangenheit und jetzt besonders drastisch in "Terminator - Die Erlösung".
In dem öden Endzeitspektakel zeigt sich deutlich, wo die Sackgasse für Christian Bale liegt. Indem er die Grimmigkeit zur Maske erstarren lässt und zu einem Stereotyp, nimmt er die falsch verstandene Männlichkeit nicht mehr aufs Korn, sondern wird eins zu eins zu einer Testosteron-Karikatur.
Aber am Horizont wartet Besseres. Mit dem famosen Michael Mann drehte Bale das Gangsterdrama "Public Enemies", an der Seite von Johnny Depp, weitere avancierte Filme mit David O. Russel und Bryan Singer befinden sich in Planung. Christian Bale wird uns als Pendler zwischen Kunst und Kommerz erhalten bleiben, manche Kameramänner sollten jetzt schon in Deckung gehen.
Lionsgate